Seit 1998 gibt es die Road Glide in den USA, doch nach Europa kamen nur getunte CVO-Versionen. Nun erst kommt sie als Special-Version – Modellcode: FLTRXS – offiziell nach good old Europe. Stilistisch ist die Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS ein Tourer im Bagger-Style mit cleanem Custom-Heck, technisch basiert er eins zu eins auf der Street Glide. Nur eben mit „Shark’s Nose-“ (Haifischnase) statt „Bat Wing“-Verkleidung. Der typische Fledermausflügel der anderen Touring-Modelle, es gibt ihn bereits seit 1969, ist am Lenker montiert und schwenkt beim Lenken mit.
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Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS im Fahrbericht
Tourer im Bagger-Style
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Dagegen ist die markante, exklusivere Windjammer-Front der Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS rahmenfest montiert. Sie bleibt starr, wenn der Lenker eingeschlagen ist. Nur Tacho und Drehzahlmesser schwenken in einem zittrigen Plastikgehäuse mit dem Lenker mit. Alle anderen Instrumente (Navi mit großem Touchscreen, Voltmeter, Benzinuhr) sitzen in der Verkleidung. Der verchromte, zöllige Lenker ist mit 25,4 mm dicker als bei der Street Glide (22 mm). Er kommt dem Fahrer weiter entgegen, ist weiter nach hinten gekröpft. Gut für Leute mit kurzen Armen, geraten große Fahrer in eine etwas passive, leicht nach hinten geneigte Sitzposition.
Es zählt nicht Tempo, sondern reines, erhabenes Fahrgefühl
Erst mal wollen die 385 Kilogramm der Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS vom Ständer gehievt werden; das sind satte 13 mehr als bei der Street Glide Special. Na und? Schiere Masse gehört bei einem Männer-Motorrad dazu. Genau wie dieser unnachahmliche Lauf des Monuments von einem Motor: potato-potato-potato. Faszinierend, wie sich der glänzende V2 im Leerlauf schüttelt, wie er im Stahlrahmen auf und ab tanzt. Die mächtige Verbrennungskraftmaschine stampft und bebt, der gesamte Vorbau erzittert. Doch in Fahrt beruhigt die schwingungselastische Aufhängung: Lediglich dosiertes Pulsieren dringt zur Besatzung durch. Good Vibrations!
Zwei Kolben mit 98,4 Millimetern Durchmesser sausen langhubig volle 111,1 Millimeter auf und ab. Optisch sind die hoch aufragenden Zylinder eine Kathedrale des Maschinenbaus. Mit zwei jeweils gekreuzten Stoßstangenpaaren. Ein kleiner Ölkühler sorgt für einigermaßen kühle (Zylinder-)Köpfe im luftgekühlten Zylinder-V. Tonk, satt rastet der erste Gang ein. Was Harley „High Output Twin Cam 103“ (für 103 Kubikinches) nennt, sind überschaubare 87 PS aus 1690 cm³. Hier zählt nicht Tempo, sondern reines, erhabenes Fahrgefühl, Fortbewegung an sich. Steht die Tachonadel auf der „100“, kitzelt die Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS im Drehzahlmesser im sechsten Gang bloß die 2500er-Marke.
Durchzug im sechsten Gang? Ist ziemlich mau. Besser in den fünften oder gleich vierten zurückschalten. Auf den Bergaufstrecken der traumhaft schönen Rossfeldstraße tummelt man sich auf der Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS viel im zweiten und dritten. Auffällig, wenn je nach Gang bei rund 3000 Touren die Klappe im rechten Auspuff aufmacht (dem mit größerer Austrittsöffnung). Dann dreht der XXL-V-Twin freier weiter, bietet spürbaren Zusatzschub. Im Panoramasessel zieht die Landschaft vorbei. Es soll ja Sozias geben, die nur auf Harleys mitfahren wollen. Doch das nach hinten abschüssige Pölsterchen für den Passagier auf der Road (und Street) Glide ist nicht sehr bequem.
Windschutz deutlich besser als auf der Street Glide
In der ersten Reihe hält man es dagegen stundenlang im breiten Ledersattel aus. Stil und Feeling gehen Hand in Hand! Harleys typisches Kontrastprogramm: einerseits Easy Going, andererseits fährt das Gefühl des Wuchtigen (und Wichtigen) stets mit. Ein echter Straßenkreuzer, die Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS. Ganz schön voluminös, was sich da an umbautem Raum vor dem Fahrer auftürmt. Der Windschutz ist deutlich besser als auf der Street Glide. Auf der zieht es hinterm flachen Scheibchen deutlich stärker. Bei der Road Glide lassen sich gleich drei Klappen für turbulenzfrei servierten Fahrtwind öffnen und in Fahrt verriegeln: links, rechts und über den breiten, taghellen LED-„Daymaker“-Leuchten im Haifischmaul.
Der hohe, weite Lenker bietet einen großen Hebelarm: Harmonisch, berechenbar und zielgenau klappt die Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS ab, rollt selbst durch enge Kurven schön rund. Und stellt sich beim Bremsen in Schräglage kaum auf. Laufen lassen, dann ist alles gut im Schwinger-Club. Erst beim Hin-und-Her-werfen in schnellen Wechselkurven stört das hohe Gewicht der Front, mag es sich auch übers gesamte Motorrad abstützen. Artgerecht bewegt, ist die Schräglagenfreiheit okay. Die zwei Federbeine holen das beste aus ultraknappen 54 Millimetern Federweg. Doch bei derben Buckeln oder Löchern im Asphalt kommen sie an Grenzen, hauen dann heftig ins Kreuz.
King-of-the-Road-Feeling ab 25.785 Euro
Besser gleitet die Telegabel über Unebenheiten. Sie verhüllt ihre mächtigen 49er-Standrohre unter großen Abdeckungen, lässt ihre Feder immerhin 117 Millimeter arbeiten. Brecht hatte recht: „Und der Haifisch, der hat Zähne…“ Am pflegeleichten Riemenantrieb nämlich. Gar nicht zahnlos ankern die Bremsen der Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS: Ab rund 40 km/h ist die elektronische Bremskraftverteilung aktiv, schicken Pedal und Handhebel im Verbund jeweils rund 30 Prozent der Bremskraft ans andere Rad. Darunter bremsen sie getrennt. Jedes Parken ist eine Zeremonie, man fühlt sich wie ein US-Cop. Unweigerlich zieht die lässig auf dem Seitenständer abgestellte Harley Bewunderer an, gern ältere Semester.
Sie ist eben ein verdammt cooler Bagger, die Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS. Der Landstraßengleiter verwöhnt mit quadratmeterweise Chrom, massig massivem Metall und vielen Augenweide-Details. King-of-the-Road-Feeling bietet sie ab 25.785 Euro, Alarmanlage, Wegfahrsperre und schlüssellose Bedienung inklusive. Und wie dieser Hai nach dem Abstellen stundenlang vor sich hin knistert, ist echt der Hammer.
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Technische Daten Harley-Davidson Road Glide Special FLTRXS
Motor: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, je zwei untenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, 2 x Ø 46 mm, ungeregelter Katalysator, Lichtmaschine 650 W, Batterie 12 V/28 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Zahnriemen, Sekundärübersetzung 2,130.
Bohrung x Hub: 98,4 x 111,1 mm
Hubraum: 1690 cm³
Verdichtungsverhältnis: 9,7:1
Nennleistung: 64,0 kW (87 PS) bei 5010/min
Max. Drehmoment: 138 Nm bei 3500/min
Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 49 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei Federbeine, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsattel, ABS.
Alu-Gussräder: 3.50 x 19; 5.00 x 16
Reifen: 130/60 B 19; 180/65 B 16
Maße+Gewicht: Radstand 1625 mm, Lenkkopfwinkel 64,0 Grad, Nachlauf 173 mm, Federweg v./h. 117/54 mm, Sitzhöhe 695 mm, Leergewicht 385 kg, zul. Gesamtgewicht 617 kg, Tankinhalt 22,7 Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Blau, Orange, Schwarz, Mattschwarz
Preis inkl. Nebenkosten: ab 25.785 Euro
2015er-Harleys
Jahn
Die Street Glide, beliebteste Harley weltweit, gibt’s 2015 nur noch als „Special“. Inklusive Premium-Infotainmentsystem mit großem Touchscreen und Navi in der Bat Wing-Verkleidung.
Die neuen Modelle
Harleys Touring-Topmodell Electra Glide Ultra Limited gibt es 2015 zusätzlich als „Low“-Version FLHTKL mit 685 statt 740 Millimetern Sitzhöhe. Bei gleichen Federwegen ist ihr Fahrwerk um rund 2,5 Zentimeter tiefergelegt. Zusätzlich reduzieren der flachere Ledersattel und der schlankere Motorgehäusedeckel (Kupplungsglocke!) den Abstand zu Asphalt und Trittbrettern. Fünf Zentimeter näher zum Fahrer streckt sich der dünnere Lenker (22 Millimeter Durchmesser, keine Heizgriffe). Ferner an Bord: schlankere Soziusrasten, ein verlängerter Seitenständerausleger und eine hydraulische Kupplung mit verringerter Handkraft. Harley sieht als Zielgruppe für die „Low“ Fahrer/innen ab etwa 1,65 Meter. Tatsächlich tun sich kleinere Piloten mit dem 414-Kilo-Koloss (Werksangabe vollgetankt) beim Wenden und Rangieren einfacher. Allerdings kratzt die Low früher die Kurve(n) als die übrigen Touring-Modelle. Die Low kostet wie die Standard-Ultra je nach Lackierung ab 28.795 Euro. Anders als Road- und Street Glide haben alle E-Glides den 1690-Kubik-V2 mit wassergekühlten Köpfen; die Wasserkühler sitzen in den Beinschilden.
In den USA (und weltweit) ist die Street Glide die beliebteste Harley – ein Tourer ohne Topcase und mit getöntem Mini-Windabweiser auf der typischen Bat Wing-Verkleidung. 2015 gibt es hierzulande nur noch die teurere „Special“-Version FLHXS mit großem Touchscreen fürs „Boom! Box 6.5 GT Infotainment“ aus Audioanlage (Radio plus mp3) und Navi. Ferner zieren die Special noch Pinstripes (Zierlinien) auf dem Lack und Trittbretter mit Chromeinlagen im „Aerostream-Design“. Preis: ab 25.475 Euro. Für 2015 steht ferner eine „umfassende Überarbeitung“ der Bremsanlage aller Softail-Modelle an.