Um Missverständnisse von vornherein auszuschließen: Dies war natürlich kein knallharter Vergleichstest zwischen der 2021er- Honda CMX 1100 Rebel und der Suzuki VS 1400 Intruder. Immerhin liegen 30 Jahre zwischen den beiden. Doch während die Honda zeitgemäß modernste Technik ins Feld führt, darf die Suzuki immerhin für sich in Anspruch nehmen, seit ihrem Erscheinen 1986 nicht nur das Ansehen, sondern auch den Markt für japanische Chopper nachhaltig geprägt zu haben. Mit rund 24.000 verkauften Exemplaren sogar sehr erfolgreich. Trude sorgte so letztlich für eine Flut von japanischen Big-Twins und blieb selbst bis 2003 im Suzuki-Programm.
Suzuki VS 1400 Intruder hat mehr Luft nach unten
Die Suzuki VS 1400 Intruder wurde uns von einem Händler vermittelt und war wirklich in Tipptopp-Zustand. Gleich in den ersten Wedelkurven zeigte sich, dass die Suzuki, die sich bis auf die vorverlegten Fußrasten weitestgehend im Originalzustand befindet, durch eben jene im Winkelwerk deutlich mehr Luft nach unten hat als die Honda CMX 1100 Rebel. Wenngleich enge Wendemanöver durch die wegen des flachen Lenkkopfwinkels stark einklappende Gabel stets für erhöhten Puls sorgen. Diese Einklappneigung muss dann auch noch aufgrund des ungünstig geformten Serienlenkers mit merklichem Gegenhalten pariert werden.
Trotzdem fällt der Wendekreis der Suzuki VS 1400 Intruder, die auch den längeren Radstand hat (1.625 zu 1.520 Millimeter), mit 5,4 Metern um 0,33 Meter kleiner aus als die 180-Grad-Wende mit der Honda CMX 1100 Rebel. Die Bedienkräfte, Wirkung und Präzision der Suzuki-Hand- und Fußbremse, Kupplung und Getriebe sind, wie sie sind – und erst mal akzeptabel, obschon sich bei der Schaltung einiges an Weg und Präzision in den Weiten des Schaltgestänges verliert. So lernt man bald, ab 50 geht der Dritte, ab 70 der Vierte, ab 90 der fünfte und Letzte. Früher hochschalten geht grundsätzlich auch, aber vor allem zulasten der Souveränität. Die wegen des Kardanantriebs nicht zu ändernde Gesamtübersetzung ist halt doch arg lang. Was die Suzi aber nicht davon abhält, sich auf der ebenso gemächlich wie gemeinsam zurückgelegten Verbrauchsrunde mit 6,1 gegenüber 4,4 Litern gut 25 Prozent mehr Sprit zu genehmigen.
Honda CMX 1100 Rebel sehr viel agiler
Nicht nur hier zeigt sich die technische Entwicklung der letzten 30 Jahre gnadenlos. Beim entspannt fröhlichen Kurvenswingen, per Definition keine Kernkompetenz des Langgablers an sich, zeigt sich die Honda CMX 1100 Rebel trotz breiteren Vorderreifens so viel agiler, dass dem Trude-Treiber ziemlich schnell die Spucke wegbleibt. Dreht sich dann das Rad weiter in Richtung "richtig Motorradfahren" (also mit Fahrdynamik und so!), ist aus Sicht der Trude ganz schnell Schluss mit lustig.
Kein Fahrwerk, keine Bremse!
Diagnose im direkten Vergleich: kein Fahrwerk, keine Bremse! Was übrigens bereits in zeitgenössischen Tests bemängelt wurde. Im direkten Vergleich ist die Trude deutlich unterdämpft, wenngleich sie auch auf schlechten Strecken ihre Contenance bewahrt. Beim Verzögern kommt sie trotz des vorne wie hinten gefühlten Griffs und Tritts in einen Teigbatzen ohne nennenswerte Auswirkung irgendwie dennoch rechtzeitig zum Stehen.
Das hat insgesamt Konsequenzen für das gesellige Miteinander der beiden Japan-Chopper. Der Trudist hat immer sein eigenes Tempo, genießt die stets gegenwärtigen, aber nie lästigen, besonders unter Last spürbaren Vibrationen des luft-ölgekühlten 45-Grad-V2 mit drei Ventilen pro Zylinder sowie dessen ebenso tiefbassigen wie wohl gedämpften Eruptionen (Standgeräusch: 80 dB). Der Zylinderwinkel ist derselbe wie bei den Milwaukee-Twins, doch deren typischen "Potatoe-Sound" bläst die Trude nicht. Warum? Bei den Harleys sitzen beide Pleuel auf demselben Hubzapfen. Bei der Suzuki haben beide Pleuel einen eigenen Hubzapfen, die dank entsprechendem Versatz akustisch auf 90-Grad-V2 machen. Dieses Imitat kann auch der Honda-Twin. Und um die Honda geht es ja eigentlich. Also satteln wir um.
Auf der Suzuki fläzt man, auf der Honda sitzt man
Der Unterschied beim Umstieg könnte größer kaum sein. Auf der Suzuki fläzt man, auf der Honda sitzt man deutlich aufrechter, wenn auch nicht wirklich aktiver. In Zahlen: Bei der Honda ist das Kuschelkissen mit 715 Millimeter nur deren fünf tiefer, dafür liegt der Lenker 130 Millimeter tiefer und ist noch mal 130 Millimeter breiter, zudem deutlich weniger gekröpft. Die Fußrasten der Honda liegen beinahe gleich hoch, aber bezogen auf Sitzfläche satte 250 Millimeter weiter hinten.
Das Chassis bietet wie schon angeklungen für aktive Piloten durchaus Unterhaltungswert. Wie auch das LC-Display mit seiner Fülle an Informationen, das bei Sonnenschein mangels Kontrast und kleiner Schrift allerdings dem Betrachter mitunter Mühe macht. Im Gegensatz zum übrigens kinderleicht bedienbaren, serienmäßigen Tempomat. Drei Motormappings sind ebenfalls mit an Bord. Rain, Standard und Sport. Wobei Standard für praktisch alle Situationen eine gute Wahl darstellt. In Rain sind Gasannahme, Leistungsabgabe und Drehfreude gefühlt auf dem Niveau der CM 400 T, im Sportprogramm wird’s dafür unnötig hektisch.
Allein, es fehlt an Emotionen
Leider haben die Mappings keinen Einfluss auf die Schräglagenfreiheit. Womit wir beim Motor angekommen wären. Und damit, wenn man so will, bei der technischen Stärke der Honda CMX 1100 Rebel und der optisch offenen Flanke im Vergleich zur Suzuki VS 1400 Intruder. Denn dieser Twin stammt im Prinzip bis auf die Abstimmung unverändert aus Hondas Bestseller Africa Twin. Wo er zwar effizient und zuverlässig, aber eben auch einigermaßen getarnt seinen Dienst tut.
Dieser Motor ist von innen nach außen konstruiert, optische Gefälligkeit stand bestenfalls ganz weit hinten im Lastenheft. Er funktioniert ganz ausgezeichnet. Läuft ohne große Vibrationen durchs breite Drehzahlband, Kupplung und Getriebe arbeiten geschmeidig und ohne großen Kraftaufwand. Sein Durst ist gering. Wie im Spenderbike Africa Twin sorgt er souverän, effizient und zuverlässig für Vortrieb. Allein, es fehlt an Emotionen. Schade. Auch der Blick auf den mattschwarz lackierten Auspufftopf zeigt, dass die Honda mehr auf Effizienz und kostengünstige Produktion getrimmt wurde als auf Show-Werte und Topnoten am Motorradtreff.
Honda wiegt 45 Kilogramm weniger!
In diesem Kapitel ist die Suzuki VS 1400 Intruder klar vorn. Auch heute noch begeistert, in welcher Hülle und Fülle und Detailliebe sich hier hochwertige Materialien und aufwendige Oberflächenbehandlungen angesammelt haben. So sind die Hydraulikarmaturen von Bremse und Kupplung aus gebürstetem Aluminiumguss. Das Gehäuse des übrigens reaktionsarmen Kardanendantriebs ist poliert. Etliche Kleinteile wirken wie aus dem Vollen geschnitzt und dann verchromt, poliert oder sonst wie schöngemacht. Dass am Ende dabei ein Gewicht von satten 269 Kilogramm herauskommt, ist der Preis, den man eben zahlen muss. Die Honda wiegt mal eben 45 Kilogramm weniger! Und so hilft es dem wunderschönen V2 leider kein bisschen, dass er zwischen 2.000 und 4.000 Touren die Honda in Sachen Drehmoment um bis zu 25 Nm überflügelt. Gesamtgewicht plus lange Übersetzung geben da eine ungünstige Paarung ab.
Honda dreht sogar im 6. Gang höher
Die Honda dreht sogar im sechsten Gang höher (3.900/min bei 100 km/h) als die Suzuki im fünften (3.000/min bei 100 km/h). So ist es dann auch wahrlich kein Wunder, dass die Trude von der Rebel in Sachen Fahrleistungen gnadenlos eingedost wird. Die Werte stehen im Datenkasten, wobei die der Suzuki aus einem zeitgenössischen Test stammen. Die in diesen Kreisen ziemlich unbedeutende Höchstgeschwindigkeit liegt bei beiden mit 160 km/h gleichauf, wobei die Honda elektronisch eingebremst wird. Langsam neigen sich sowohl der Tag als auch die Tour dem Ende zu. Das Bedauern hält sich in Grenzen, denn besonders auf der Suzuki VS 1400 Intruder geht die passive Sitzposition auf Dauer doch arg ins Kreuz und man freut sich auf die heimische Couch.
Auf der Honda CMX 1100 Rebel ist die Sitzposition, besonders für Leute ab etwa 1,74 Metern Größe, unverrückbar und auf Dauer auch nicht wirklich bequem. Für kleinere Zeitgenossen hingegen wird es wunderbar passen. Und so endet dieses Generationentreffen mit einer wenig überraschenden Erkenntnis: Die Suzuki VS 1400 Intruder mit ihrer verschwenderischen Opulenz an schönen Details transportiert den Charme einer vergangenen Ära, in der die Haare und die Fransenjacke im Wind wehten. Die Honda ist ganz Kind der Moderne, kann mit den optischen Reizen der Suzuki nicht konkurrieren, besticht dafür mit tadelloser Funktion und ausgezeichneten Manieren auf der ganz entspannten Runde.