Indian Chief und Indian Chieftain
Die Magie des Namens Indian fasziniert bis heute. Amerikas andere Motorrad-Ikone wurde bereits im Jahr 1901 gegründet und stieg zeitweise zum größten Zweiradhersteller der Welt auf. Bis dann 1962 der totale Zusammenbruch erfolgte. Diverse Wiederbelebungsversuche folgten und scheiterten seither. Doch diesmal verheißt die Wiedergeburt von Indian viel mehr.
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Indian Chief und Indian Chieftain im Fahrbericht
Die neuen Häuptlinge unter den Cruisern?
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"Stammesfürst" Chieftain zielt Harley auf Street Glide
Extrem engagiert geht der Polaris-Konzern, zu dem ja bereits seit 1998 die Motorradmarke Victory gehört, die Sache an. 350 Leute arbeiten dort in Forschung und Entwicklung, weitere 300 sollen dazukommen. Unglaublich: Das Team um Entwicklungsleiter Gary Gray brauchte bloß zwei Jahre von ersten Indian-Ideen auf Computer-Bildschirmen bis zu einem serienreifen neuen Motorrad. Respekt.
Nun, Formen von einst, die sich intuitiv erschließen, sind nicht die schlechteste Basis für wirtschaftlichen Erfolg, wie die sehr gefragten Retro-Autos Mini und Fiat 500 millionenfach belegen. Bereits in wenigen Wochen sollen die ersten Indianer aus Fleisch und Blut – pardon: aus Eisen und Aluminium – zu den Händlern rollen. Die Chief („Häuptling“) mit glänzenden Speichenrädern gibt es in zwei Versionen: als Basismodell Chief Classic und mit Scheibe und Lederpacktaschen als Chief Vintage. Ihnen steht als ganz große Überraschung die streng geheim entwickelte Chieftain zur Seite. Dieser „Stammesfürst“ zielt mit ausladender Verkleidung à la Harleys „Batwing“-Front, Gussrädern und Hartschalenkoffern direkt auf Harley-Davidsons Tourer wie etwa die Street Glide.
Harley's Albtraum?
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Die neuen Modelle Chief und Chieftain des ältesten US-Motorradherstellers Indian haben wir uns genauer angeschaut.
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Die Satteltaschen müssen extra hinzu gekauft werden.
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Chrom wo man nur hinsieht.
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Das Design ist sehr traditionell gehalten.
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Der neue V2-Motor der Indian.
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Optisch ist der cleane, chromglänzende Stoßstangen-V2 eine Verneigung vor Indians Kulturgeschichte.
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Hier noch in der Vorderansicht.
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Der Indianerkopf befindet sich auf dem riesigen Frontschutzblech.
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Tribut an bewegte Tradition: der Indianerkopf darf nicht fehlen.
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Moderne Chromlampe und souveräne Zusatzscheinwerfer der Chieftain.
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Es werden elfenbeinfarbene Instrumente im Chrommantel serviert. Bei der Chieftain mit mehr Infos in der Verkleidung.
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Die Chief Classic in sattem Rot.
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Majestätisch, ästhetisch und eigenständig wirkt die Indian Chief Classic.
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Die Fahrt führte von Wyoming über den Mississippi River just nach Wisconsin.
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Ein cleveres Rahmenkonzept – Aluminium bei einem Cruiser! Das obere Vierkant-Rückgrat dient auch als leistungssteigernde Erweiterung des links verlegten Luftfilterkastens: Die Luft strömt durch einen Lufteinlass hinter der Gabel in den Rahmen und von dort in die Airbox.
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Heck und Unterzüge des Rahmens sowie die Schwinge sind ebenfalls aus Alu.
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Innovativ: progressiv wirkender Umlenkhebel zur Ansteuerung des hinteren Zentralfederbeins. Holt mehr aus dem Federweg raus.
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Pflegeleicht: Den Endantrieb übernimmt ein karbonverstärkter Zahnriemen auf der rechten Seite. Ein edel geschraubtes Alu-Rahmenheck haben alle Indians, Weißwandreifen auf Speichenrädern nur die Chiefs.
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MOTORRAD-Mitarbeiter Alan Cathcart durfte die neun US-Ikonen bereits vorab fahren.
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Über die Leistung gibt es momentan noch keine genauen Angaben.
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Auf dem Cruiser sitzt es sich gut.
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Riesige Bohrung, aber nur eine Zündkerze und zwei große Ventile je Zylinder.
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49 statt wie einst 42 Grad misst der Zylinderwinkel des Langhubers (101er-Bohrung bei satten 111 Millimetern Hub). Konstruiert mit Köpfchen: Kipphebel mit wartungsfreien Hydrostößeln sorgen für stets passendes Spiel an den vier Ventilen. Aus Deutschland stammen Pleuel, Kolben und die schwere Kurbelwelle.
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Drei untenliegende Nockenwellen steuern insgesamt vier Ventile. In der Mitte liegt die Einlassnockenwelle für beide Zylinder.
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Die Satteltaschen sind aus qualitativ hochwertigem Leder.
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Einmal mit und einmal ohne Verkleidung.
Alle Indians haben einen 1,8-Liter-V2-Motor im Aluminiumrahmen – ein Novum in der Welt zweirädriger Straßenkreuzer. Bei allen serienmäßig sind auch Zahnriemenantrieb, ABS und Tempomat. Ferner der 20,8-Liter-Stahltank und die nicht einstellbare 46-Millimeter-KYB-Kartuschengabel. Doch das Herzstück bildet der komplett neu entwickelte Motor. Thunder Stroke 111 nennt ihn Polaris-Indian stolz, „Donnerschlag“. Donnergrollen, das man bei Harley-Davidson hören soll? Wächst hier doch ein ernst zu nehmender US-Konkurrent heran. 111 Cubic Inches (Kubikzoll) des mächtigen V2 ergeben im metrischen System volle 1811 cm³. Der links verlegte Luftfilter folgt ebenfalls historischen Vorbildern.
Harleys Albtraum? Ein Gegner, entwickelt von einer Firma mit großem Namen, viel Know-how und prall gefüllter Kriegskasse. Dazu mit mehr Hubraum und Drehmoment als bei jedem von Harleys Standard-Big-Twins. Satte 161,6 Newtonmeter soll der Indian-Motor stemmen. Und dies bereits bei niedrigen 3000 Umdrehungen. Nur über die Spitzenleistung schwieg Indian zur Zeit der Drucklegung noch.
Rechts von den ästhetischen Zylindern führen zwei Auspuffkrümmer steil nach unten. Wie ein Rahmen für die vier dazwischenliegenden, chromglänzenden Stoßstangen. Alles den Ahnen folgend. Das gilt erst recht für die Form der Zylinder. Markante, sanft gerundete Kühlrippen an den charakteristischen Zylinderköpfen mit ihren verchromten Ventildeckeln. „Solche flossenartigen Kühlrippenprofile brauchen länger bei der maschinellen Bearbeitung“, erklärt Gary Gray. „Aber dieser höhere Aufwand macht den historischen Look des Motors erst komplett.“ Wenn schon, denn schon.
Der Zylinderwinkel von 49 Grad weicht zwar leicht von dem der Ur-Indians mit nur 42 Grad ab. Doch die stärker gespreizten Zylinder sind ein klarer Tribut an Erfordernisse der Motorrad-Neuzeit: Schließlich fällt der Einlasstrakt mit elektronisch betätigten 54-Millimeter-Drosselklappen heute wesentlich breiter aus. Auch die Kolben mit reibungsmindernd graphitbeschichteten Hemden sind dicker, als sie es vor 50 Jahren je waren. „Da waren 49 Grad das engste, was hinzukriegen war“, erklärt Gary Gray.
Abgastechnisch "worst Case"
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Majestätisch, ästhetisch und eigenständig wirkt die Indian Chief Classic.
Im Innern sausen deutsche Mahle-Kolben mit 101 Millimetern Durchmesser satte 113 Millimeter in den italienischen Aluminium-Zylindern auf und ab. Ganz klassisch, ist der kompakte V2 ein echter Langhuber. Wie bei den Ur-Indianern sitzen in den Köpfen nur je zwei Ventile – jedoch parallel hängend, nicht wie früher seitlich liegend. Große 51,3 Millimeter messen die Teller der Einlassventile. Zwölf Millimeter Hub haben sie vor sich. Nach der Zündung des 9,5-fach verdichteten Gemischs passieren die verbrannten Restgase ein 42 Millimeter großes Auslassventil. Zu den Kolbenböden stehen die Ventile im Winkel von zwölf Grad gekippt.
Erstaunlich wirkt, wie dieser Motor mit seiner traditionellen technischen Basis für die künftige Abgasnorm Euro 4 gerüstet sein soll – als luftgekühlter Zweiventiler mit Einfachzündung und extrem großen Brennräumen, also langen Flammwegen. Abgastechnisch alles „worst Case“ – die schlechteste aller Möglichkeiten. Da wirkt das elektronisch kontrollierte Drehzahllimit des Langhubers bei 5400 Touren fast hoch.
Die mittlere der drei Nockenwellen wird per Kette direkt vom rechten Kurbelwellenstumpf angetrieben. Ihre zwei Nocken betätigen das Einlassventil beider Zylinder – über die beiden inneren Stoßstangen. Ferner treibt die mittlere, größere Einlassnockenwelle auch die beiden davor und dahinter liegenden Auslassnockenwellen an, über Zahnräder. Ein Ölkühler vorm vorderen Zylinder sowie Spritzöldüsen auf die Kolbenböden sollen für einen ausgeglichenen Thermohaushalt sorgen. Das Ölreservoir der Semi-Trockensumpfschmierung liegt unterhalb des Sechsganggetriebes im hinteren Teil des Motors. Dessen Gehäusehälften sind senkrecht geteilt. Eine einteilig geschmiedete Hoeckle-Kurbelwelle aus deutscher Fertigung rotiert in zwei großen, 62 und 65 Millimeter großen Gleitlagern. Dahinter sitzt die 1,68 Kilogramm schwere Ausgleichswelle – gewichtig genug, um derbe Vibrationen zu mildern, leicht genug, um mildes Pulsieren zuzulassen. Es gehört zu einem solchen V-Twin einfach untrennbar dazu.
Modernes digitales Motormanagement
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Es werden elfenbeinfarbene Instrumente im Chrommantel serviert. Bei der Chieftain mit mehr Infos in der Verkleidung.
Direkt nebeneinander sitzen die bewusst gebrochenen (gecrackten) Mahle-Pleuel auf dem 52 mm großen Hubzapfen. Daher weicht der hintere Zylinder etwas nach links von der Mittelachse aus. Per Geradverzahnung treibt der linke Kurbelwellenstumpf die riesige 170-Millimeter-Nasskupplung des japanischen Zulieferers FCC an. Zurück in die Zukunft: Indian war bereits in den 20er-Jahren der erste Massenhersteller, der einen Primärantrieb per Zahnräder in einen Blockmotor (Einheit aus Motor und Getriebe) pflanzte. Den Endantrieb übernimmt ein karbonverstärkter Zahnriemen.
Modern ist das digitale Motormanagement von Bosch mit elektronischem Gasgriff (Ride-by-Wire). Unverzichtbar für aktuelle Abgasvorschriften sind Benzineinspritzung mit je einer Einspritzdüse pro Zylinder und geregelter Katalysator. Er sitzt im zentralen Sammler der Zwei-in-eins-in-zwei-Auspuffanlage mit den langen Schalldämpfern. Wichtig war es den Indianer-Schöpfern, das rechte Bein des Fahrers vor Abwärme des hinteren Krümmers zu schützen. Übermäßige Hitze wäre kein Thema mehr.
Den innovativen Alu-Rahmen fertigt eine Firma in Iowa, in dem US-Bundesstaat, wo Indians und Victorys unter einem Dach von getrennten Montagebändern rollen. Das obere Vierkant-Aluminium-Rückgrat dient auch als leistungssteigernde Erweiterung des links verlegten Luftfilterkastens. An den Oberzug sind das Heck und die runden Alu-Unterzüge geschraubt, der V2 übernimmt mittragende Funktion. Leichtmetall für den Rahmen ist ein Tribut an die ausladenden, massiv-metallischen Schutzbleche vorn und hinten. Die sind Ehrensache. Leichtgewichte sind die Indianer nicht. Vollgetankt bringt bereits die Chief Classic heftige 370 Kilogramm auf die Waage. Bei der Vintage sollen es 379 und bei der Chieftain sogar enorme 385 Kilogramm sein. Uff.
Indians in Deutschland teurer als vergleichbare Harleys
Wegen des progressiv angelenkten hinteren Zentralfederbeins sind die 94 Millimeter Federweg der Chief komfortabler, als man es erwarten könnte. Gar 114 Millimeter Federweg offeriert die Chieftain – mehr als jede Harley. Ihr Federbein lässt sich per Luftunterstützung mit integrierter Pumpe an die Beladung anpassen. Bei der Chief ist die Dämpfung nicht verstellbar. Einen steileren Lenkkopfwinkel trägt die Chieftain: 65 statt 61 Grad bei den Chiefs. Daraus resultiert für den Tourer ein kürzerer Radstand: 1668 statt 1730 Millimeter. Auch der Nachlauf ist bei der Chieftain minimal kleiner, 150 statt 155 Millimeter. Bei beiden Indianern bietet die 46er-Gabel 119 Millimeter Federweg, doch die Dämpfungsrate an der Chieftain ist an das Mehrgewicht der Verkleidung angepasst.
Vorn und hinten rotieren jeweils 16-Zöller. Bei der Chief als Speichenräder, während die Chieftain auf Gussrädern rollt. Beiden Modellen ist auf die vordere 3,5-Zoll-Felge ein Dunlop Elite im Format 130/90 B 16 aus amerikanischer Produktion aufgezogen. Die Fünf-Zoll-Felge hinten trägt moderat breite 180er-Reifen, bei der Chieftain mit flachem 60er-Querschnitt. Dagegen tragen die Chiefs 180/65er-Weißwandreifen.
Viel Vertrauen setzt das Entwicklungsteam von Indian, also letztlich Polaris und Victory, in die neue Konstruktion. Im Zuge der Dauererprobung spulten Testmaschinen bereits zwei Millionen Meilen ab, volle 3,2 Millionen Straßenkilometer. Hinzu kommen 2000 Stunden Laufzeit auf Prüfständen – mit zusammen 1,5 Milliarden Kurbelwellen-Umdrehungen.
Bliebe bei allem Enthusiasmus noch das Wichtigste: Der Preis. In Deutschland sind die neuen Indians teurer als vergleichbare Harleys. Die Chief Classic kostet ab 23.675 Euro, die Chief Vintage ab 25.299 Euro. Und die opulente Chieftain ist ab 26.099 Euro zu haben. Technik trifft Tradition – zu recht happigen Preisen. Hoffentlich werden die unverwechselbaren Indianer ein Erfolg. Als „1901 Edition“ erinnern weltweit die ersten 1901 numerierten Exemplare an Indians Gründungsjahr. Bei den deutschen Händlern ab Oktober. Donner und Gloria.
Daten und Fakten Chief Classic
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Ein cleveres Rahmenkonzept – Aluminium bei einem Cruiser! Das obere Vierkant-Rückgrat dient auch als leistungssteigernde Erweiterung des links verlegten Luftfilterkastens: Die Luft strömt durch einen Lufteinlass hinter der Gabel in den Rahmen und von dort in die Airbox.
Motor
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-49-Grad-V-Motor, drei untenliegende, zahnrad-/kettengetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 54 mm, geregelter Katalysator, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Zahnriemen.
Bohrung x Hub: 101,0 x 113,0 mm
Hubraum: 1811 cm³
Verdichtungsverhältnis: 9,5:1
Nennleistung: k. A.
Max. Drehmoment: 162 Nm bei 3000/min
Fahrwerk
Rückgratrahmen aus Aluminiumguss, Motor mittragend, geschraubte Unterzüge aus Aluminium, Telegabel, Ø 46 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 300 mm, Zweikolben-Festsattel, Antiblockiersystem.
Speichenräder mit Alu-Felgen: 3.50 x 16; 5.00 x 16
Reifen: 130/90 B 16; 180/65 B 16
Maße und Gewichte
Radstand 1730 mm, Lenkkopfwinkel 61,0 Grad, Nachlauf 155 mm, Federweg v/h 119/94 mm, Gewicht vollgetankt 370 kg, zulässiges Gesamtgewicht 573 kg, Sitzhöhe 660 mm, Tankinhalt 20,8 Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Schwarz, Rot, Blau
Preis: ab 23675 Euro
Erste Fahreindrücke
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Die Fahrt führte von Wyoming über den Mississippi River just nach Wisconsin.
Zur Riesen-Motorradsause in Sturgis/South Dakota präsentierte Indian stolz die aktuellen Modelle. Doch MOTORRAD-Mitarbeiter Alan Cathcart durfte die neuen US-Ikonen bereits exklusiv vorab fahren.
Probefahrt in die Heimat von Harley-Davidson
Dafür stand ein Trio von Vorserienmodellen aller aktuellen Indians bereit – Chief Classic, Chief Vintage und Chieftain. Pikant: Die Fahrt führte vom Entwicklungszentrum in Wyoming über den Mississippi River just nach Wisconsin – in die Heimat von Harley-Davidson. Ein Signal: Die Indianer sind auf dem Kriegspfad! Wenn sie als Metall gewordene Vision vor einem stehen, spürt man intuitiv, dass die Indians zur rechten Zeit zurückgekommen sind. Diese Motorräder haben eigene Identitäten!
Zusätzlich zum Design glänzen die Indianer mit großem Fahrvergnügen. Der Hintern ruht behaglich im plüschigen Ledersattel, nur 66 Zentimeter überm Asphalt. Den großen Fransensitz mit separatem, breitem Soziuskissen fertigt Milsco in Milwaukee – derselbe Lederschneider belieferte Indian bereits 1937. Lässige Trittbretter, die recht spät übern Asphalt schleifen, tragen alle Indians. Eine große Scheibe kennzeichnet die Chief Vintage. Sie funktioniert bei 1,80-Meter-Fahrern bis 160 km/h ohne große Turbulenzen. Noch besser schirmt die Chieftain ab, ihre Scheibe ist während der Fahrt um vier Zoll (etwa zehn Zentimeter) elektrisch höhenverstellbar. Voll ausgefahren kommen Luftlöcher zum Vorschein, um per Hinterströmung Sog und Wirbel zu mindern.
Schaltbox arbeitet weicher als bei jeder Victory
Mit Leerlaufdrehzahl 800 pröttelt der 1,8-Liter-V2 vor sich hin. Die Kupplung zu ziehen geht einfach, smooth. Ersten Gang einlegen (Schaltwippen sind optional), und los! Die Schaltbox arbeitet weicher als bei jeder Victory. Ab 1200 Touren reißt der Langhuber mächtig am Zahnriemen. Begleitet von angenehm blubberndem Sound. Echt drehmomentstark, dieser fleischige V2.
Ideale Schaltdrehzahl? 3200/min. Gefühlt kräftig! Vermutlich hätte ein Dreiganggetriebe gereicht. Die Beschleunigung ist für solch ein massives Eisen richtig flott. Vibrationen? Eher sanftes, massierendes Pulsieren. Gerade so, um zu spüren, dass dieser Motor lebt. Erst ab der 4000er-Marke kitzelt es etwas im Sitz. Bei 130 km/h stehen im als Overdrive wirkenden sechsten Gang erst rund 3000 Touren an. Die gute Straßenlage der Chief ermöglicht freches Fahren: Gemessen an Cruiser-Maßstäben, fallen leichtes Handling und präzise Zielgenauigkeit richtig gut aus. Trotz hohen Gewichts und langen Radstands. Und die etwas schwerere Chieftain kann’s noch besser – dank kürzeren Radstands und steileren Lenkkopfs. Der neue Klassenstandard? Progressiv wirkende Umlenkhebel am Federbein und recht lange Federwege fischen Unebenheiten feinfühlig heraus. Gilt beides besonders für die Chieftain.
Klasse funktioniert der Tempomat. Ein wenig zahnlos, ohne guten Druckpunkt, beißen die Vierkolben-Frontstopper auf die 300-Millimeter-Doppelscheiben. Da ist die Unterstützung vom hinteren Doppelkolben-Sattel mit der ebenfalls 30 Zentimeter großen Bremsscheibe dringend angeraten. Und ganz relaxed die Motorbremskraft dieses 1811-cm3-Bullen mitnutzen, eines feinen, guten Motor(rad)s. Ein großer Fahrbericht der Serien-Indians folgt in der kommenden MOTORRAD-Ausgabe 19/2013.