Nach ebenso freundlichen wie zahlreichen Versuchen mit Reihenmotoren gaben die Söhne Nippons Mitte der 80er-Jahre auf. Wenn cooles Gleiten nur mit V-Motor funktionieren durfte, dann sollten sie ihn kriegen, die Amis. Nach anfänglichen Fehlversuchen mit über 100 PS aus vier im 90-Grad-Winkel angeordneten Zylindern (Suzuki GV 1200 Madura oder Honda VF 1100 C) wies dann Yamaha mit der XV 1000 auch für große Hubräume einen erfolgversprechenden Weg: Weniger (Zylinder, Winkel, Leistung) bringt mehr (Stückzahl, Image, Kohle).
Entsprechende Ansätze hatte 1985 Suzukis VS 750 ebenfalls gezeigt, allerdings bei der Kühlung geschwächelt. Wasser? Geht nicht! Deshalb griffen die Ingenieure bei ihrem 1986 auf der IFMA präsentierten Top-Chopper zu einem Trick. Wie bei den Fours der GSX-R-Supersportler versorgten sie die hintere und im Windschatten der vorderen stehende Verbrennungseinheit mit Unmengen erfrischenden Öls. Ein kleiner Ölkühler fällt kaum auf, die hübschen Zylinderrippen und obendrauf die blinkenden Kopfdeckel umso mehr. Unter Letzteren rotiert je eine Nockenwelle und betätigt über Kipphebel und Hydrostößel je zwei Einlassventile sowie ein 40 Millimeter fettes Auslassventil. Mehr Minimalismus war vor 30 Jahren in Japan nicht drin. Und eigentlich galt es dort als ausgeschlossen, einen V-2 mit vibrationsträchtigem 45-Grad-Zylinderwinkel à la Harley zu bauen. Aber wenn man die Pleuel nicht an einem Hubzapfen angreifen lässt, sondern deren zwei im Versatz von 45 Grad installiert, dann benimmt sich das Ganze wie ein 90-Grad-Twin. Akzeptabel also.

Bis hierhin konnte Milwaukee damals gelassen mitlesen, aber dann kam es: Besagte Pleuel tragen 94 mm dicke Kolben, und die machen 98 mm Hub. Ergibt 1360 cm³. 20 mehr als beim Allerheiligsten. Verdammt, die Japaner meinten das ernst mit Intruder, zu Deutsch: Eindringling. Darum hatte Projektleiter Sadao Shirasagi amerikanische Suzuki-Mitarbeiter im Boot, und die diktierten ihm eine Linie, wie sie damals nur Low Rider und Wide Glide besaßen.
Gestreckt, kraftvoll, clean und cool. An strategischen Punkten stachen liebevolle Details ins Auge: poliertes Gehäuse des Kardan-Winkeltriebs, Drahtspeichenräder (hinten mit der damals mächtigsten Serienbereifung), hochwertige Armaturen, gewaltige Auspuffanlage, Entenbürzel. Doch ihr Machwerk blieb nicht bei Äußerlichkeiten stehen. Unter frühindustriellem Schnaufen, Zischen und Ballern kommt der von zwei Vergasern gefütterte V2 aus den Puschen. Schon vor 3000 Touren packt er die Keule aus, bei gut 4000 schalten Genussmenschen hoch, um diesen herrlichen Schlag noch einmal zu spüren. Im Vierten ist Schluss. Mehr Gangstufen hat und braucht die erste Suzuki VS 1400 Intruder nicht, später erzwangen veränderte Geräuschbestimmungen eine Zugabe. An Fahrwerk und Bremsen änderte sich über 25 Jahre wenig. Sie – nun ja – genügen eben. Auf jeden Fall standen sie kultischer Verehrung nicht im Weg, und da kann die dicke Suzie vom Spitznamen Trude über eigene Treffen und Clubs bis hin zum noblen Revell-Modell eigentlich alles bieten. Übrigens sieht sie im Maßstab 1:12 richtig niedlich aus.
Daten und Infos

Daten (Modelljahr 1987)
luft-/ölgekühlter Zweiylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, je eine obenliegende Nockenwelle, drei Ventile pro Zylinder, 1360 cm³, 49 kW (67 PS) bei 5000/min, 108 Nm bei 3400/min, Vierganggetriebe, Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Gewicht vollgetankt 260 kg, Reifen vorn 110/90 H 19, hinten 170/80 H 15, Tankinhalt 13 Liter, Höchstgeschwindigkeit 167 km/h,
0– 100 km/h in 5,2 sek.
Literatur
Große literarische Ergüsse zu Suzukis epochalem Langgabler stehen noch aus. In deutscher wie englischer Sprache sind derzeit nur Reparaturanleitungen erhältlich. Jene aus dem Bucheli-Verlag kostet 39,90 Euro, die bei Clymer in
Kalifornien erschienene sollte für einen ähnlichen Betrag zu beschaffen sein.
Szene
Es ist in den letzten Jahren etwas stiller geworden um die VS 1400, die Zahl spektakulärer Umbauten geht deutlich zurück. Kein Wunder, die ersten Neuverkäufe liegen fast 30, die letzten gut zehn Jahre zurück. Dennoch zählt die Suzuki noch immer zum harten Kern der Custom-Szene, ein Blick in die einschlägigen Kataloge beweist es. Besonders lohnend: www.thunderbike.de. Wer sich heute für eine gebrauchte Intruder interessiert, wird ab gut 3000 Euro fündig. Aufwendige und gepflegte Umbauten kosten aber auch schon mal das Dreifache. Exemplare in vollkommenem Originalzustand sind eher selten.
Internet
www.vl1500.de. Hier sind auch Links zu regionalen IGs aufgeführt.