Typenkundler tun sich schwer. Einerseits gibt sich die bassa lunga - nicht nur wegen des Adlers auf dem Tank - ohne Umschweife als Moto Guzzi zu erkennen, anderseits hat sie in dieser Form nie die oberitalienische Produktionsstätte verlassen. Des Rätsels Lösung findet sich auf der Schwäbischen Alb, genauer: in Gomadingen, noch genauer: bei Guzzi-Veredler Moto-Spezial.
Dicke Drähte nach Italien, eine große Portion Kreativität und die Möglichkeiten eines gut bestückten Maschinenparks bieten dort die Voraussetzungen, ein Projekt à la bassa lunga erfolgreich durchzuziehen. Und das sogar einigermaßen wirtschaftlich: Wurde das Erstexemplar (MOTORRAD 1/1995) noch nach dem Prinzip der Schlachtplatte aus Guzzi-Teilen unterschiedlichen Ursprungs gemixt, so bezieht Moto-Spezial mittlerweile die (leicht modifizierten California II-) Rahmen direkt vom Zulieferer, während Moto Guzzi die nackten Motoren beisteuert. Weitere Teile aus dem Guzzi-Regal, eine Upside-down-Gabel mit Linearkugellager-Technik aus eigener Fertigung und ein Satz Fournales-Luftfederbeine runden die Technik des italienisch-schwäbischen Cruisers ab.
Vordergründig zumindest. Denn da ist noch - als optisch unspektakuläres I-Tüpfelchen - die hausgemachte Einspritzanlage, deren Elektronik es ermöglicht, die Abgase über G-Kats zu säubern (siehe Kasten).
Einen Chokehebel hat diese spezielle bassa lunga nicht zu bieten, statt dessen ein Knöpfchen am Gasgriff, mit dem die Leerlaufdrehzahl bei kaltem Motor erhöht werden kann. Startprobleme kennt der V2 im Moto-Spezial-Trimm ebensowenig wie Unreinheiten in der Leistungsentfaltung: Mit Guzzi-typischer Lautmalerei tritt der 1100er ins Leben, um fortan spontan und ohne Fehltritte auf Änderungen der Drosselklappenstellung zu reagieren - nicht besser als ein serienmäßiger Einspritzmotor, aber auch nicht schlechter. Doch dafür sauberer.
Sauberer schaltet sich im Vergleich zur Serien-California auch das Getriebe - was nur ein Verdienst der geschickt ausgelegten Betätigunshebelei und deren hochkarätiger technischer Ausführung sein kann. Einen sauberen Strich zu fahren gestaltet dagegen sich zunächst etwas schwierig für den bassa lunga-Novizen. Bei niedriger Geschwindigkeit wirkt die Maschine unhandlich, obendrein zeigt sie in engen Kehren ein ausgeprägtes Eigenlenkverhalten, will zur Kurveninnenseite kippen.
Die Verhältnisse bessern sich jedoch mit größer werdenden Kurvenradien und bei verschärftem Tempo. Da fühlt sich die bassa lunga zunehmend in ihrem Element, erlaubt rasche Schräglagenwechsel und vermittelt dabei ein - nach Cruiser-Maßstäben - überdurchschnittliches Maß an Lenkpräzision.
In Sachen Komfort vereinigt die bassa lunga die Charaktere von Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Zunächst wiegt sie den Fahrer mit fein ansprechender Telegabel in Sicherheit, um ihn Sekundenbruchteile später mit knochenhartem Heck ins Kreuz zu treten. Zum Trost: Die Luftfederbeine bieten - wenn auch mit einigem schrauberischem Aufwand - die Möglichkeit, eine idividuelle Wunschabstimmung zu finden.
Individualität ist auch bei der Ausgestaltung einer bassa lunga Trumpf: Für einen Kaufpreis von zirka 31000 Mark ist der Kunde König, die gefahrene Version also nicht detailverbindlich. Dazu ein Tip: Die wie Espenlaub zitternden Miniaturrückspiegel und der Anlasserschalter am Rahmenheck sind im Interesse einer aufgeräumten Lenkerpartie was fürs Auge, unter dem Aspekt der Praxistauglichkeit aber eindeutig für die Katz.
Motormanagement mit geregeltem Katalysator
Hans Peter Länge, Chef der Firma Moto Spezial, ist für seine Ambitionen bekannt, serienmäßige Moto Guzzis nicht nur im Detail verbessern zu wollen, sondern durch den Ersatz ganzer Baugruppen wesentliche Funktionen zu optimieren. So entwickelte er für die großvolumigen V2-Modelle aus Mandello del Lario ein komplettes Motormanagement mit Kennfeldzündung und Einspritzung mit der zusätzlichen Option eines geregelten Katalysators. Das digitale Steuergerät ist platzsparend in einem selbstentwickelten Kombi-Instrument mit Tachometer und Drehzahlmesser untergebracht. Dem Kunden stehen dabei sämtliche Möglichkeiten offen. Eine Guzzi mit Vergasern läßt sich auf Einspritzung umrüsten. Ein Modell mit serienmäßiger Einspritzung versieht Moto Spezial auf Wunsch mit geregelten Katalysatoren. Und der bassa lunga spendiert Hans Peter Länge nicht nur sein pgp/ms genannte Motormanagement mit geregeltem Katalysator, sondern auch gleich noch selbstentwickelte mechanische Bauteile, wie die aufwendig hergestellten Drosselklappengehäuse. Die Drosselklappen drehen sich in Kugellagern und ermöglichen so eine exakte Synchronisation und Funktion speziell im Teillastbereich. Dadurch soll das bei Zweizylindern oft beanstandete Schieberuckeln verhindert werden. Außerdem verbessert die günstigere Position der Einspritzdüsen die Gemischaufbereitung. Diese sind näher an die Einlaßventile gerückt und reduzieren so die Schadstoffe bereits bei der Entstehung. Für die anschließende drastische Abgas-Reinigung sollen die geregelten Katalysatoren in den speziell entwickelten Schalldämpfern sorgen. Zwei Lambdasonden, eine für jeden Zylinder, signalisieren dem digitalen Steuergerät die Abgaszusammensetzung und helfen somit, die optimale Gemischzusammensetzung zu erreichen.Den Funktionstest haben Länges Entwicklungen bereits erfolgreich bestanden: Der Abgasprüfstand attestierte einer mit Motormanagement und geregeltem Kat nachgerüsteten Moto Guzzi mit 1,43 gr/km Kohlenwasserstoff und 0,02 gr/km Stickoxid ein hohes Maß an Umweltverträglichkeit. Der Wert für Kohlenmonoxid liegt mit zehn gr/km zwar ebenfalls klar innerhalb der Euro I-Norm, könnte aber für einen geregelten Kat besser sein - für Hans Peter Länge sicher ein Anreiz für eine weitere Optimierung.