Die Moto Guzzi California V7 war vor Urzeiten der Traum vieler Motorradfahrer, denen der Horizont nicht weit genug weg sein konnte. Nun soll das Modell California Stone diese ewige Sehnsucht stillen.
Die Moto Guzzi California V7 war vor Urzeiten der Traum vieler Motorradfahrer, denen der Horizont nicht weit genug weg sein konnte. Nun soll das Modell California Stone diese ewige Sehnsucht stillen.
Laut Moto Guzzi ist der neue Name bei ihrer Stone Programm. Schließlich stehe ein Stein unmissverständlich für das wahre Wesen des Cruisens: rau, solide und stark. So verkörpert das offizielle Nachfolgermodell der California Jakal noch immer den Charakter ihrer Urahnin V7. Die erste California ist Legende und ging aus dem nach Individualismus und Freiheit trachtenden Geist der frühen 70er Jahre hervor.
Ein wahrhaft ehrenvolles Erbe, das die Traditionsschmiede ihrer neuen Kreation mit auf den Weg gibt. Wenngleich sich an der California Stone nicht allzu viele Neuerungen finden, die einen Entwicklungssprung von der Jakal hin zur Stone erkennen lassen. Leider. Denn aus einer eher durchschnittlichen Vergangenheit wird allein durch Namensänderung keine verheißungsvolle Gegenwart. Die ursprüngliche Form des Motorradfahrens mit all ihren minimalistischen und schnörkellosen Ansätzen in Ehren zu halten muss sinnvolle Weiterentwicklungen nicht außen vor lassen. Fortschritt ist auch in Cruiserkreisen kein Synonym für den Verlust wahrer Werte, sondern steht hier ebenfalls für mehr Spaß durch zeitgemäße Sicherheit.
Und die könnte die neue Stone alias alte Jakal an einigen Stellen gut gebrauchen. Der vordere Handbremshebel lässt sich zwar mit heroischer Kraft bis zum Gasgriff durchziehen, doch liefert der Vierkolbensattel der Brembo-Einscheibenanlage während der ganzen Prozedur weder einen exakten Druckpunkt, noch verzögert er in einem Maß, wie es eine Bremse heute können sollte. Außerdem neigt die Anlage nach einigen harten Bremsmanövern hintereinander zu Fading. Die Bremskraft lässt mehr und mehr nach. Die Gabel taucht beim Verzögern schnell ein, Reserven sind da keine. Sie ist schwach gedämpft, und ihre Federn sind sehr weich, was dem Fahrer kein sicheres Gefühl für den vorderen Pneu vermittelt. Besonders auf welligem Asphalt zerren die Bremsmanöver selbst bei abgebrüten Fahrern an den Nerven. Auch der altehrwürdige Metzeler ME 33 Laser bietet natürlich nicht die Führungs- und Haftqualitäten, die modernere Reifen auf den Asphalt übertragen.
Hinten federt das Urgestein dagegen hart. Kommen unter Leistungseinsatz noch die Kardanreaktionen dazu, versteift sich die Hinterrradfederung. Wer so was wie wohliges Fahrgefühl sucht, muss unbedingt ebenen und griffigen Belag ansteuern. Denn auf schlechten Straßen und Bodenwellen werden Lendenwirbeln und Steißbein des Fahrers gnadenlos malträtiert. Auf letzterem nämlich muss der Fahrer durch die eigenwillige Sitzposition förmlich sein Dasein fristen. Egal, ob groß oder normal gewachsen. Da hilft auch die neu gepolsterte Sitzbank wenig. Der Abstand von Fußrasten zu Sitzbank ist außer für kleine Menschen zu gering. Durch die ungünstige Stellung der Oberschenkel geraten alle anderen in Rücklage und müssen sich am Lenker festklammern.
Kurven scheut die Stone indes nicht, da ist sie ganz California, und diese Baureihe war unter den Cruisern schon immer für Schräglagen zuständig. Nicht für die ganz Wilden zwar. In schnellen Kurven fängt auch die Stone zu rühren an, auf buckeligem Asphalt verlangt sie nach Korrekturen. Aber immerhin. Touren waren auf Calis ebenfalls immer drin, und das hier getestete Sondermodell Stone/Tour trägt für 9817 ((???)) Euro Aufpreis stabile Hepco-Koffer, eine Windschutzscheibe, verchromte Sturzbügel und einen Hauptständer legt es aufs Reisen sogar richtig an und ist dabei recht geschickt. Die große Scheibe macht sich bis hin zu moderatem Autobahntempo vor allem in kalter Jahreszeit sehr beliebt, die Koffer schlucken jede Menge Gepäck und stören auch bei schneller Fahrt nicht die Linienführung.
Bemerkenswert an der Stone ist ihr Kaltstartverhalten. Sinken die Außentemperaturen auch noch so tief, Choke ziehen, Starterknopf drücken, und schon bollert der kultige 90-Grad-V-Twin los. So, wie es sich für ein Motorrad dieser Kategorie gehört. Gas geben im Drehzahlkeller sorgt für breites Grinsen unterm Helm. Sympathisch vibriert der Zweizylinder vor sich hin, verarbeitet spontan das eingespritzte Benzin und bietet für cruisergerechtes Fahren satten Punch, wenngleich der Schub nicht so infernalisch ist, wie es die Geräuschkulisse erwarten lässt. Im mittleren Drehzahlbereich, zwischen 4000 und 5500/min, arbeitet der 1064-cm3-Block aber schön gleichmäßig und druckvoll, das macht Spaß. Drunter ist es okay, drüber dagegen richtig zäh. Was nicht sonderlich stört, ein Sportler wollte die Stone schließlich noch nie sein. Aber gemein ist sie hin und wieder. Denn nicht immer ist »Neutral« drin, wenn es im spartanischen Cockpit grün leuchtet oder umgekehrt. Und für den Fall dieses Irrtums wirds peinlich. Trotz eingelegter Gangstufe hämmern die Kolben beim Druck auf den Starterknopf frohen Mutes los und die Guzzi samt einem wild nach Haltung ringendem Fahrer nach vorn.
Auch auf der Landstraße kann das Getriebe überraschen. Mit Leerläufen zwischen drittem, viertem und fünftem Gang nämlich. Aber das ist für den Guzzi-Treiber verzeihlich. Erstens merkts über Land keiner, zweitens lindert die Gewöhnung an die langen Schaltwege und die Schaltwippe dieses Leiden. Und spätestens dann könnte die Beziehung Mensch-Stone am Anfang eines langen Glücks stehen. Wenn der Mensch versucht, die Guzzi zu begreifen und ihre Eigenheiten zu genießen.