Was bewegte die Motorradszene vor 25 Jahren? Viele neue Maschinen, die Geschichte schreiben sollten, kamen auf den Markt. MOTORRAD Classic beleuchtet die wichtigsten Entwicklungen vor einem Vierteljahrhundert.
Was bewegte die Motorradszene vor 25 Jahren? Viele neue Maschinen, die Geschichte schreiben sollten, kamen auf den Markt. MOTORRAD Classic beleuchtet die wichtigsten Entwicklungen vor einem Vierteljahrhundert.
Für die Welt war 1986 ein durchwachsenes Jahr. Der alte Menschheitstraum von der vollständigen Beherrschung der Technik erfuhr empfindliche Rückschläge. Amerika verlor mit dem explodierenden Challenger-Space-Shuttle den Glauben an die NASA, in Russland missglückte ein Test im Kernkraftwerk Tschernobyl mit verheerenden Folgen für die ganze Welt.
Für die Motorradszene hingegen blitzte ein kommender Boom auf. Die Industrie war so innovativ wie lange nicht mehr. Mutig wurden neue Motorenkonzepte, neue Kategorien und neue Designs entwickelt. Vor allem die japanischen Hersteller legten sich ins Zeug und stießen mit ihren Maschinen in ganz andere Leistungskategorien vor. 125, 130 PS, nichts schien mehr unmöglich. Dabei galt noch immer, zumindest in Deutschland, die freiwillige Leistungsbegrenzung auf 100 PS.
Einige dieser damals entstandenen Maschinen begründeten Baureihen, die bis heute bestehen. Eine Suzuki GSX-R 750, eine Kawasaki 1000 RX, Honda VFR oder gar Yamaha FJ 1200 leben abgeändert heute noch. Eher schwach ausgeprägt war zu damaliger Zeit die Schaffenskraft von BMW. Immerhin brachte man den Dreizylinder K 75 S. Kompromisslos sportlich und gestalterisch stilbildend hingegen war die Bimota DB1, eine bahnbrechende Rennreplika.
Kaum zu glauben: 1985 wählten die Leser von MOTORRAD diese Maschine mit Abstand auf den ersten Platz der Leserwahl „Motorrad des Jahres“. Und als die schlanke und sehr edel verarbeitete Maschine 1986 auf den Markt kam, waren die Tester voll des Lobes. Yamaha hatte dem Straßeneinzylinder eine neue Form gegeben.
Ein durch und durch pures Motorrad, dank Kickstarter aber reichlich schwer zu starten. Aus der Yamaha XT 600 stammte der Motor, der für den Einsatz auf der Straße nur leicht aufgebohrt wurde. Wer nun einen bulligen Durchzug erwartete, wurde schnell enttäuscht. Mühsam schüttelte sich der Einzylinder die Drehzahlleiter hoch, um gerade mal 42 PS an die Kupplung zu reichen. Bei guten 160 km/h war meist Schluss, vielleicht zu wenig, um die Massen zu begeistern. Vielleicht war aber auch einfach der Preis zu hoch, immerhin 7130 Mark kostete die schlanke Maschine. So wurde aus dem Publikumsliebling schnell ein Mauerblümchen. Schade. Design und Verarbeitung waren spitze.
Die nackte BMW K 75 war ein ziemlicher Wackelpudding. Mit einer Halbverkleidung kurierte BMW die Fahrwerksunruhen nachhaltig. Wie sehr sich BMW mit dem liegenden Motor konstruktiv verrannt hatte, konnte man an der K 75 ablesen. Für die Vierzylindermotoren mussten relativ kleine 67er-Zylinderbohrungen den Motor möglichst kurz halten, damit die Maschine nicht gar zu lang geriet. Der Dreizylinder hätte also ziemlich viel Spielraum gehabt, was das damalige Baukastensystem der Münchner aber nicht zuließ.
So fauchte der Zweiventil-Drilling knapp über 70 PS aus dem Dreiecksauspuff, eine Suzuki GSX-R 750 leistete 100 PS. No chance? Doch. Der Motor war nahezu unkaputtbar, die Verarbeitung der BMW ganz ordentlich. Das schuf eine treue Fangemeinde.
Wow, was für ein Hammer! 125 PS, 1000 cm3, 252 km/h Topspeed gemessen von den MOTORRAD-Testleuten: Kawasaki war 1986 ganz vorn. Und brachte die Mutter aller dicken Speed-Kawasakis vom Schlage einer ZX-10, ZZ-R 1100 bis zur heutigen ZZ-R 1400 auf die Straße.
Der 267-Kilo-Büffel ließ sich sogar ganz angenehm fahren. Und dank gut schützender Vollverkleidung und großem 21-Liter-Tank waren auch lange Etappen kein Problem. Schade, dass in dieser Zeit oft ein 16-Zoll-Vorderrad verbaut wurde. Die meisten Maschinen wirken damit ziemlich kippelig. So lenkte auch die Kawa unsauber ein. Die hydraulischen Anti-Dive-Systeme an den Vorderradgabeln waren ebenfalls eine schlimme Mode, in der Regel wirken sie nicht richtig, da sie nur die Dämpferdruckstufe verhärten und so das Eintauchen verlangsamen, aber nicht verhindern. Egal: Die Kawasaki war eine echte Kawa – stark, schnell und gemein.
Nochmals wow! Suzuki zeigte 1986 der Welt, was man in Hamamatsu drauf hat. Obwohl sie einen mächtigen, offen 130 PS starken Vierzylinder trägt, wiegt sie vollgetankt nur 225 Kilogramm. Konsequenter Leichtbau wie bei einem Rennmotorrad war die Entwickler-Devise, und damit setzte Suzuki 1986 Zeichen. Es sollte sehr lange dauern, bis ein Supersportler dieser Hubraumkategorie wieder ähnlich leicht gebaut wurde.
Aber auch die Optik mit der schlanken Rennverkleidung und den aus dem Langstreckensport entlehnten Doppelscheinwerfern war eine Wucht. Zusammengehalten wurde die Maschine von einem ziemlich filigranen Aluminiumrahmen, der konstruktiv eher einem Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen nachempfunden wurde. Eine ziemlich weiche Nummer, ein Vergleich mit den heutigen Fahrwerken zeigt, wie labbrig Suzuki damals das Chassis auslegte.
Wer heute eine Bimota DB1 besitzt, ist ein glücklicher Mensch. Nicht nur, weil er ein inzwischen sehr wertvolles Motorrad sein Eigen nennen darf, sondern auch, weil er ein Stück Motorrad-Zeitgeschichte in seiner Garage stehen hat. Erstmals wurde ein Motorrad komplett verschalt, weder der schöne Ducati-V2 noch das phänomenale Gitterrohrfahrwerk durften ans Licht der Welt treten. Alles wurde unter einer hübsch lackierten und sauber verarbeiteten Plastikschale versteckt.
Ebenso abgefahren: Die aus zwei Hälften geklebten und vernieteten 16-Zoll-Räder. Heute wirkt die Bimota geradezu winzig, höchstens einen 250er-Motor vermutet man unter der Schale. Wenn der 750er-Ducati-V2 aber gestartet wird, hallt Donner durch die Stadt. Einzigartig ist die handwerkliche Präzision und Liebe, mit der die Bimotas in dieser Zeit gebaut wurden. Wäre Bimota diesen Weg weiter gegangen, wäre die Firma nicht später mehrmals nahe an der Pleite gestanden. Heute baut man im italienischen Badeort Rimini nur noch Ducati-Bimotas. Besser so.
Kaum zu glauben, mit welchem Mut damals Suzuki Motorradfahrer umwarb. Neben den brillanten Supersportlern brachte die Marke auch noch einen liebevoll gemachten Einzylinder-Chopper auf den Markt. Neben der großen Intruder, die ebenfalls 25 Jahre alt wird, war die kleine LS der erste echte Japan-Chopper.
Mit 94 Millimetern Hub stampfte der Single schon ganz schön Drehmoment aufs Hinterrad. Wobei sich bei der Suzuki gleich zwei Ausgleichswellen um die Tilgung von störenden Vibrationen kümmern. Radikal tiefe Sitzposition, weit vorverlegte Fußrasten, Tacho im winzigen 11-Liter-Tank, so muss ein Chopper aussehen. Dazu noch erstmals Zahnriemenantrieb. Heute ist die LS ein Sammlerstück.
Diese Geschichte muss hier nochmals erzählt werden: Um die supersportliche 750er richtig zu testen, nannten die Motorrad-Redakteure Horst Vieselmann und Axel Westphal bei den 1000-Kilometer-Hockenheim, jener inzwischen legendären Rallye-Veranstaltung an Ostern. Die Maschine absolvierte die Dauerprüfung absolut klaglos und in der Sprintprüfung ließen sich die beiden Profitester von nichts und niemanden mehr die Butter vom Brot nehmen: Sieg nach 1000 gefahrenen Kilometern und ein Top-Zeugnis für die neue 750er.
Suzuki brachte für solche Einsätze das richtige Motorrad. Werkstuning: Die eh schon ultraleichte und starke Standard-GSX-R wurde mit Trockenkupplung, Flachschiebervergasern und Einmannsitzbank noch weiter verbessert und für die Rennstrecke richtig fitgemacht. Leicht zu fahren war sie aber nicht.
Ja, schon 1986 gab es die Honda VFR! Und bis heute steht sie in ähnlicher Form bei den Honda-Händlern. Und in der Crossrunner, einer federwegfreudigen Reiseversion, soll sie sogar wieder neuen Ruhm ernten. Vor 25 Jahren war sie eine echte Kampfansage von Honda. 100-PS-V4-Motor mit vier zahnradgetriebenen, obenliegenden Nockenwellen, wer konnte das bieten? Dazu einen Aluminiumrahmen, der brillantes Handling und hohe Fahrstabilität bot. Ein gediegener Sportler, unterstrichen von einer dezenten Lackierung, der bis heute seine Freunde hat.
Besonders klasse klang der V4 mit seiner 180-Grad-Kurbelwelle. Vor allem, wenn die immensen Drehzahlreserven bis 11 500/min ausgeschöpft wurden. Mit 237 km/h Topspeed war die Honda auch die schnellste 750er ihrer Zeit. Bis heute ist die VFR eine der charaktervollsten Sportmaschinen aus Japan.
Franz-Josef wurde sie liebevoll genannt, die dicke Yamaha. Mit ihrem druckvollen 1200er-Reihenvierer gewann sie auf Anhieb viele Freunde. Schon das Vorgängermodell, die FJ 1100, begeisterte mit tollen Reisequalitäten. Zu dieser Zeit war die Yamaha die hubraumstärkste Vierzylinder-Maschine aus Japan. In Sachen Durchzug und Beschleunigung setzte Franz-Josef den Maßstab.
Neben einem superbequem abgestimmten Fahrwerk mit verhältnismäßig langen Federwegen begeisterte auch der große 24,5-Liter Tank. So konnten auch große Etappen angegangen werden. Der beruhigend brummelnde Motor tat ein Übriges, um Besatzung und Reisegepäck stressfrei zu transportieren.
Noch heute dient der schön verrippte Motor in der Yamaha XJR 1300 als Antrieb. Dort ist er fast ganz der Alte und bringt immer noch satte 106 PS an die Kupplung.