Test Suzuki M 1500 Intruder
Power-Cruiser

Suzukis neue 1500er-Intruder weckt Begehrlichkeiten: Ihr individueller Stil, angelehnt an die ältere, größere 1800erSchwester, kommt auf der Show-Meile gut an. Ist der Power-Cruiser ein Blender oder ein ernst zu nehmender, eigenständiger Charakter?

Power-Cruiser
Foto: fact

Es ist die ewige Geschichte von jüngeren Geschwistern, die von den Freiräumen profitieren, welche die älteren sich noch erkämpfen mussten. Heißt übertragen auf Suzukis Intruder-Familie: Die M 1800 R hat vor drei Jahren den Weg geebnet, auf dem nun die nagelneue 1500er wandeln darf. Okay, auf den Zusatz „R“ im Taufschein muss sie verzichten, dafür sieht sie der Großen wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Der gleiche Stil, Power-Look, dezent böse. Bewundernde Blicke bleiben da nicht lange aus.

Flüchtig betrachtet ist die Neue der 1800er zum Verwechseln ähnlich. Erst bei genauem Hinsehen offenbaren sich feine Unterschiede. Um bei der stilbildenden stromlinienförmigen Lampenmaske zu beginnen: Unter derem verchromten Plastik-Schirmchen sitzt cruiser-untypisch der analog anzeigende Tacho mitten im Blickfeld. Nichts zu sehen dagegen von einem Drehzahlmesser. So setzt sich die Suche nach Unterschieden bis zum modifizierten Heck mit seinem wuchtigen Schutz "blech" (ja, hier glänzt reichlich Kunststoff metallisch funkelnd) samt herzförmigen Rücklicht aus Leuchtdioden fort: Änderungen fallen eher zurückhaltend aus.

Unsere Highlights
Künstle
Die "kleinere" Intruder: Weniger Hubraum heißt nicht weniger Show.

Heißt vor allem: alles eine Nummer kleiner. Also "nur" noch XXL-Format statt Triple-XL. Das gilt besonders für das Herzstück, den mächtigen V2. Der teilt mit der 1800er unkonventionelle 54 Grad Zy-linderwinkel und Vierventilköpfe. Allerdings rotiert darin nur jeweils eine oben liegen-de Nockenwelle, wie in der seligen VL 1500. Von dieser stammen auch Bohrung und Hub ab, die neueste Trude ist somit nach Altväter Sitte langhubig ausgelegt. Ganz im Gegensatz zur kurzhubigen, drehfreudigen, nominell 125 PS starken großen Schwester. Satte 10,1 Zentimeter Hub der 96er-Kolben versprechen viel Punch von unten. Und ganz viel Lässigkeit. Dafür reichen 80 PS Nennleistung völlig aus. Also das Riesen-Baby vom Ständer gehievt. Um 330 Kilogramm in die Senkrechte zu wuchten, darf es dem linken Bein nicht an Kraft, dem Willen nicht an Entschlossenheit mangeln.

Charakterstärke

Tipp: Vorher das Lenkschloss rechts am Steuerkopf öffnen und den Zündschlüssel links hinterm hinteren Zylinder noch vorm Aufsitzen aktivieren. Wirkt einfach cooler. Den Druck aufs Knöpfchen beantwortet der Vau-Zwo mit einem tiefen Sound aus den beiden ultralangen Ofenrohren von Schalldämpfern. Sonor brabbelt die Trude vor sich hin, dumpf und bassig. Da ist‘s wurscht, dass die 1800er im Vergleich noch mehr nach einer Kreuzung aus Schiffsdiesel und Schaufelraddampfer klingt. Der Fahrer fläzt in einem Sattel, auf dessen Breite und Bequemlichkeit jeder Cowboy neidisch wäre. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, die auf hohen Risern thronende, fast gerade Lenkstange zu fassen. Weit spreizt der 18-Liter-Tank die Beine, er sieht aus, als fasse er ein ganzes Barrel Sprit. Weit vorn stellt man die Füße auf die Rasten. Na, dann kann‘s ja losgehen.

Ungeduldig kommt die Intruder von der Seilzugkupplung. Logisch, stemmt sie bereits knapp über Leerlaufdrehzahl fast 100 Newtonmeter auf die Kurbellwelle. Die Dreh­momentkurve ist füllig wie ein Büffelrücken. Der V2 erreicht bei 2900 Touren seinen Gipfel von gemessenen 122 Newtonmetern. Doch die Überraschung folgt auf dem Fuß. Trotz des niedrigen Drehzahlniveaus mag der Zweizylinder keine untertou­rige Fahrweise. Tempo 30 im dritten Gang oder 50 im fünften und dann das Gas aufziehen? Da rumpelt‘s furchterregend aus dem Maschinenraum, als wolle der Motor die unterarmdicke Kardanwelle in Stücke reißen. Die Endübersetzung ist schlicht zu lang, bei Tempo 100 liegen im Fünften nur 2300 Touren an. Daher muss man ganz schnöde oft runterschalten; jeder 600er-Vierzylinder ist elastischer. Nur nicht so souverän. Zwar will das knorpelige Getriebe mit Nachdruck betätigt werden und akustisch teilt es die häufig notwendigen Gangwechsel jederzeit gut hörbar mit. Doch in der Drehzahlmitte surft man auf einer gewaltigen Drehmomentwelle. Bis Tempo 140 zieht die1800er kaum besser durch, erst darüber trennen sich die Wege der beiden charakterlich so ungleichen Schwestern unaufhaltsam. Nur – wer cruist in solchen Sphären?

Was die "Kleine" beim Beschleunigen verliert, das holt sie in Kurven wieder raus. Ihre relativ moderaten Reifenbreiten, 120 und 200 Millimeter, erfordern fürs gleiche Tempo weniger Schräglage als die fetten Walzen der 1800er (130 und 240). Außerdem bleibt die 1500er-Suzi dadurch viel neutraler und stabiler, läuft nicht jeder klitzekleinen Fahrbahnunebenheit übermotiviert nach. Und will sich in Schräglage nicht so nachdrücklich aufrichten.

Die Unterschiede zur 1800er-Intruder - Suzuki M 1500 Intruder

- 1462 statt 1783 cm3 Hubraum.
- Nur eine statt zwei Nockenwellen in beiden Zylinderköpfen
Lang- statt kurzhubig (96 mm Bohrung bei 101 mm Hub statt 112
mm und 90,5 mm)

- Nennleistung 80 statt 125 PS, Verdichtung 9,5 statt 10,5:1
- Dreiecksschwinge aus Stahl statt Zweiarmschwinge aus Aluminium
- Sechszoll-Felge mit 200er-Hinterreifen statt 8,5-Zoll-Felge mit
240er-Heckwalze

- 330 gegenüber 348 Kilogramm Gewicht; kein Drehzahlmesser
- Tankinhalt 18,0 statt 19,5 Liter

- Upside-down-Gabel nicht einstellbar, Tauchrohre mit 43 statt 46
Millimeter Durchmesser
- Größere Sitzhöhe: 730 statt 700 Millimeter

- Keine radial verschraubten Vierkolbenbremsen vorn, sondern
Doppelkolben-Schwimmsättel
- Radstand und Gesamtlänge etwas kürzer, Nachlauf länger

Technische Daten Suzuki M 1500 Intruder

Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-54-Grad-V-Motor, je eine oben liegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Kipphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 42 mm, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 425 W, Batterie 12 V/18 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 3,14.

Bohrung x Hub 96,0 x 101,0 mm
Hubraum1462 cm³
Verdichtungsverhältnis 9,5:1
Nennleistung 59,0 kW (80 PS) bei 4800/min
Max. Drehmoment126 Nm bei 2700/min

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 290 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Schei-
benbremse hinten, Ø 275 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder3.50 x 18; 6.00 x 17
Reifen120/70 ZR 18; 200/50 ZR 17
Bereifung im Test
Bridgestone G 852/853 „G“ Exedra

Maße und Gewichte
Radstand 1690 mm, Lenkkopfwinkel 58,0 Grad, Nachlauf 129 mm, Federweg v/h 130/108 mm, Gewicht vollgetankt* 330 kg, Zuladung* 220 kg, Tankinhalt 18 Liter.

Garantie: zwei Jahre
Service-Intervalle: alle 6000 km
Farben:Schwarz, Rot, Blau
Preis:11260 Euro
Nebenkosten: zirka 230 Euro

Messwerte
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h

Beschleunigung
0–100 km/h 4,6 sek
0–140 km/h 9,2 sek
Durchzug
60–100 km/h 4,4 sek
100–140 km/h 5,4 sek
140–180 km/h 17,0 sek

Tachometerabweichung
Effektiv (Anzeige 50/100)
47/93 km/h

Verbrauch
Landstraße 5,5 l/100 km
Theor. Reichweite 327 km
Kraftstoffart Normal

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023