Nicht sauer sein, Mädels, aber das hier ist nix für uns: Die XVZ 13 A ist Männer-Spielzeug - showinistische Hardware, die Frauen ziemlich unmißverständlich ablehnt. Nicht, daß unsereins grundsätzlich zu klein, zu schwächlich oder gar zu ungeschickt sei, dieses Trumm von Motorrad durchs Verkehrsgetümmel zu kutschieren - mit derlei Komplexen haben wir schon vor längerer Zeit aufgeräumt -, nein, die meisten von uns sind ganz einfach zu wenig macho. Und irgendwie macho muß man für die Royal Star schon sein, will man vom Publikum ernst genommen werden.
Tatsächlich steht seine Majestät, der Star, immer auf der Bühne. Immer und überall. Während die Welt eine Harley heutzutage kaum mehr mit dem Hintern anschaut - die Masse macht«s -, renkt sich alles, was da kreucht und fleucht, den Hals aus, wenn die neue, in Rot, Creme und Chrom gehüllte Yamaha vorbeistolziert. Sie ist eben nicht zu übersehen, diese Wuchtbrumme.
Ausladender, größer, länger und fetter kann ein Motorrad kaum mehr sein: Gewicht 351 Kilogramm, Radstand knapp 1,70 Meter, Lenkerbreite 840 Millimeter, Gesamtlänge fast zweieinhalb Meter - das sind Zahlen, die eine Vmax zum Kümmerling degradieren. Das Imposanteste an der Royal Star sind aber weder ihre gigantischen Ausmaße noch der hubraumträchtige Vau-Vierzylinder, auch nicht die ehernen Schutzbleche oder der mächtige 150er Vorderreifen - was an dieser Eisenwarenfabrik am allermeisten beeindruckt, ist die Tatsache, daß sie fährt. Und gar nicht mal so schlecht.
Begriffe wie Agilität, Leichtigkeit und Temperament sind hier zwar vollkommen fehl am Platz, doch so schwerfällig, wie sie aussieht, benimmt sich die 1300er nicht. Freilich weist ihre Lieblingsrichtung geradeaus, und im Gewirr putziger, kleiner, deutschländischer Verkehrswege wird einem schnell gewahr, daß dieses Riesenrad für weitaus amerikanischere Straßenverhältnisse konzipiert wurde.
Trotzdem zieht sich die Royal Star einigermaßen souverän aus der Affaire: Sie geht die Sache besonnen an, legt vor jeder Kurve zwei, drei Bedenksekunden ein, um dann - uuuwoap - den gewünschten Kurs aufzunehmen. Das fühlt sich in etwa so an, als schiebe man auf einem Sattelschlepper durch die Gegend: Einlenken, auf drei zählen, dann erst kommt die Fuhre rum. Wer sich keine Zeit nimmt, wer das verzögerte Reaktionsvermögen der XVZ nicht berücksichtigt, wird keinen sauberen Strich auf den Asphalt legen.
Doch Zeit und Muse gibt«s im Königreich en masse. Hier hetzt einen nichts. Nicht mal die 74 Pferdestärken, die den Palast auf Trab halten, denn sie sind von zahmer Natur, animieren allenfalls zum Spiel mit der Elastizität, keinesfalls zum Heizen.
Der Aufenthalt in den unteren Gängen des Triebwerks lohnt sich nicht. Interessant sind die oberen Stockwerke, Gang vier und fünf. Für den Stadtbummel empfiehlt sich der Vierte, der quasi ab Standgas einwandfrei übersetzt und dem Vierzylinder-Ensemble dabei den besten Klang entlockt. Im Fünften, der als Overdrive ausgelegt ist, spielt zwar auch gute Musik, doch fällt die Tachonadel unter 50 km/h, mischt sich das Klackern des Kardans drunter - hört sich uncool an.
Wer turbinenartigen Schub, erdbebende Temperamentsausbrüche, brachiale Durchzugsorgien und ähnliche Obszönitäten von der wassergekühlten Antriebseinheit erwartet, sieht sich enttäuscht. Dieser Motor entfaltet seine Kraft ohne Spektakel, zieht mit steter Gleichmäßigkeit durch sein Drehzahlrepertoire, welches in Ermangelung eines Tourenzählers allerdings unsichtbar bleibt.
Auskunft über den Aggregatzustand erteilt allein der Tachometer. Von der Größe einer Bahnhofsuhr, breitet er sich flächendeckend über dem Tank aus. Seelenruhig wogt sein Zeiger auf und ab - ein Schauspiel, das die Aufmerksamkeit magisch anzieht, in dem der digitale Wegstreckenzähler jedoch wie ein eiskalter Sabotageakt wirkt.
Zwischen knapp 50 und 90 km/h verbreitet der Motor allerbeste Laune. Da ist Leben in der Bude: Es poltert und holpert und rüttelt und schüttelt, blubbert und rattert und flattert - da passiert einfach alles, was man von so einem Hubraumriesen erwartet.
Die Gebärden und Vibrationen der XVZ sind von edelster Güte: Das gesamte Bauwerk oszilliert vor sich hin, ohne seine Besitzer zu erschüttern. Den absoluten Kick vermittelt die Royal Star aber erst im Schiebebetrieb, wenn die Geschwindigkeit langsam und gemächlich von 100 km/h auf Schneckentempo abflacht, wenn die gigantische Masse von hinten her drängelt - und schiebt und schiebt und schiebt.
Es gehört zu den schöneren Dingen des Lebens, dabei den voluminösen Tank zu beobachten, wie er sich in seinen Gummilagerungen hin und her wirft, dem Auf und Ab des Lenkers zuzuschauen, das Pulsieren unter der Sitzbank zu genießen - selbst mittendrin zu sein in der Dünung und doch, dank diverser Entkopplungsorgane, sorgsam vor negativen Auswirkungen geschützt: Das ist es.
Die Leistung des Vau-Vierers taugt zwar auch für Tempi jenseits der 150, genau gesagt sind sie für 173 km/h gut, wer jedoch in diese Sphären vordringen will, sollte sich bei Zeiten nach einem Stützkorsett umsehen: Wie der Gekreuzigte hängt man am hohen, breiten Lenker, dem Sturm hoffnungslos ausgesetzt. Sich klein machen - unmöglich. Die Linke vom Lenker nehmen - auch nicht drin, da man alle Hände voll zu tun hat, den Dampfer auf Kurs zu halten. Also pendelt sich die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit bei 130 Knoten ein.
Bis dahin ist man auf der Royal Star wirklich König, und bis dahin zieht sie wie auf Schienen über die Bahn. Absolut gelassen, unbeeindruckt von jeglichen Bodenunebenheiten. Eine Tugend, die sich bei schnellerer Fahrt allerdings verabschiedet: Im Eiltempo unterwegs, tanzt das Schwermetall aus der Spur, rührt um die Hochachse und gerät beim Kurvenfahren ins Schlingern. Trifft die königliche Eisenbahn während solch hitziger Fahrt auf rohe Fahrbahnverwerfungen, durchzuckt es sie, als hätte der Blitz eingeschlagen.
Ne, ne, ne: Hektische Unternehmungen stehen seiner Majestät nicht sonderlich gut zu Gesicht. Auch die Bremsen sind nicht unbedingt darauf konditioniert. Mit den sieben Zentnern Erz und Pomp haben sie so ihren Schaff. Zwar funktioniert die mächtige vordere Doppelscheibengruppe bei brutaler Betätigung ganz ordentlich, trotzdem aber wird man das Gefühl nicht los, daß die Maschine im Notfall stärker sein könnte. Ein Tritt auf das tellergroße Pedal der Hinterradbremse hilft zwar, doch blockiert die Einkolbenanlage enorm früh - und wie wenig das ein Motorrad vom Schlage der Royal Star irritiert: Sie rutscht weiter, als sei alles in bester Ordnung.»Nur keine Schwäche zeigen«: Nach diesem Motto lebt die XVZ, und ihre Besitzer sollten sich diesen Satz ebenfalls auf die Stirn schreiben, denn Weicheier wirken auf der neuen Yamaha bestenfalls albern.