»I like to be in America, I like to be in America...«Und dann wurde dieser Traum Realität:MOTORRAD war im Westen zum Testen. Impressionen einer CrUSA-Tour.
»I like to be in America, I like to be in America...«Und dann wurde dieser Traum Realität:MOTORRAD war im Westen zum Testen. Impressionen einer CrUSA-Tour.
»Ost, wir müssen 91 Ost. Fahr weiter. Das ist West. Da vorn geht´s rauf. Rechts. Da. Ja. Jetzt weiter bis zum 605. Dort Richtung Süden. Bis zum 22er. Den wieder Ost. Dann auf den 405, den San-Diego-Freeway.« Wir sind seit Stunden unterwegs. Motorräder einsammeln. In L.A.: Honda in Torrance, Yamaha in Cypress, Kawasaki draußen in Irvine und Harley oben in San Diamas. Vier Stadtpläne sind das, jeder so groß wie die Schweiz, und rund 100 Meilen Herumgegurke, in diesem Neun-Millionen-Moloch, der kurz vor dem Verkehrsinfarkt steht.Die Foto-Arie, Abendstimmung in den San Gabriel Mountains, gleich hinter Los Angeles, können wir knicken. Für heute. Das zeichnete sich bereits in Cypress ab, als uns diese volltönende Royal Star vor die Füße rollte. Kein original Sound: Highend-Klänge aus dem Zubehör-Handel. Vance & Hines, extra für die Leute aus Germany. Wie wir uns gefreut haben. Den abgefahrenen Hinterreifen entdeckten wir quasi in letzter Minute.Inzwischen ist es 14 Uhr. Wir sind auf dem Weg nach Irvine - bislang gerade mal die F 6 im Schlepptau. Uli, engagierter Nichtraucher, kann sich glücklich schätzen, seinen Platz im Van gegen den auf der Honda getauscht zu haben. Ziemlich dicke Luft im Ford. Erst der Stau, dann die Camels, jetzt diese verdammte Jeronimo Road: Wir haben an der falschen Ecke angefangen. Einstellige Hausnummer. Kawasaki sitzt bei 9950. Gegen 16 Uhr reiht sich Sibylle mit der VN 1500 hinterm Ford ein. Nix wie zurück zu Yamaha. Und - nicht vergessen: Bruce anrufen. Harley-Bruce, der bis spätestens 17 Uhr mit uns rechnet. Das schaffen wir nie. Bruce bleibt locker. Als wir, sichtlich abgekämpft, um 18.30 Uhr in San Diamas aufkreuzen, sagt er nur: »Ziemlich große Stadt, was?«Ufff. Der Druck ist raus. Wir haben sie. Haben tatsächlich alle vier beisammen. Zum ersten Mal seit heute früh erscheint uns L.A. in einem freundlichen Licht. Und das hat nichts mit den Milliarden von Straßenlaternen und Leuchtreklamen zu tun, die eben angeknipst wurden. Stefan, auf der frisch bereiften, triumphal röhrenden Yamaha, vorneweg, bahnen wir uns einen Weg durchs abendliche Straßengewimmel. Fühlt sich verflucht gut an. Fast feierlich. Ein Bollwerk aus Stahl und Chrom. Jetzt kann uns nichts mehr was anhaben. Uli wird sogar schon ein bißchen cool. Nur schade, daß er nichts mehr sieht, durch seine verspiegelte Sonnenbrille.Noch vor dem Aufwachen verlassen wir anderntags dieses fragwürdige Motel am Foothill-Freeway. 29 Dollar fürs Doppelzimmer. Okay, da kann man vielleicht nicht unbedingt erwarten, daß die Strümpfe und Unterhosen der Vormieter weggeschafft werden.In den San Gabriel Mountains fällt es schwer, an Los Angeles zu glauben: Natur pur hier, Smog-Alarm dort - ein nahtloser Übergang. Wir genießen die fast europäischen Züge dieser Bergwelt, ebenso die - wahrscheinlich - letzten Kurven vor der einen da, im Death Valley. Wie heißt sie noch? Achim zückt die Kamera. Es wird ernst. Vor allem für die Royal Star: Kaum in Schräglage, schraddelt sie mit ihren Trittbrettern über den Asphalt. Selbst für einen Cruiser viel zu früh, zumal, wenn da nicht mehr viel kommt, was nachgeben kann. Mit der Linientreue hält es die Yamaha auch nicht unbedingt, und einen Anspruch auf Handlichkeit erhob sie ohnehin noch nie. Stefan hat bei dieser Foto-Session alle Hände voll zu tun, während wir anderen weiterhin die Easy Rider mimen.Auf dem Interstate, Richtung Barstow, ändert sich die Situation. Stolze 75 Meilen pro Stunde darf man hier fahren, das ist relativ neu und schlecht für mich. Mit der Fat Boy fühlt sich das ganz schrecklich an: Vibrationen in allen erdenklichen Variationen. Beängstigende mechanische Geräusche. Obendrein dieser brutale Gegenwind, der den leistungsschwachen V2-Motor fast zu Höchstdrehzahlen zwingt. Überhaupt - der Wind: Er ist anders hier. Allgegenwärtig. Weil man sich immer auf ihn konzentrieren kann, weil´s immer geradeaus geht, weil die Umgebung so selten das Gesicht wechselt. Wenig Ablenkung. Man fühlt nur noch. Vor allem auf der Harley.Langsam beginne ich zu begreifen: Riesige Verkleidungen, Tempomaten, Cupholder, Zigarettenanzünder, Stereo-Anlagen, CB-Funk - die Amis wissen schon, warum sie all dieses Zeug an ihre Bikes montieren. Nach weiteren 20 Meilen geht mir auf, warum amerikanische Motorräder so groß sind: Große Landschaften brauchen große Maschinen. Und der kleine Mensch braucht etwas zum Festhalten, braucht das Gefühl, daß er es schaffen wird - bis ans Ende dieser Geraden. Daß er diesen Berg, seit Stunden in Sichtweite, irgendwann im Rücken hat. Dann fällt mir die Sache mit dem Chemie-Clo ein, das beim Topspeed-Race auf dem El Mirage Dry Lake explodierte, weil ein Dragster mit ungefähr 200 Sachen reingedonnert ist. War Gott sei Dank nicht besetzt. Und kurz vor Baker, wo wir diesen ätzenden Highway endlich verlassen können, wird mir gewahr, daß ich den Wind nicht mehr spüre. Hurra, ich hab´s geschafft. Habe mir ein physisch-psychisches Schnippchen geschlagen. Von wegen: Die Tachonadel zeigt gerade noch 55 MPH an. Langsam beginnen wir alle zu begreifen.Tanken. Trinken. Jacken verstauen. Es wird heiß. Nicht mehr weit bis zum Death Valley. Stefan erzählt, er habe sich mit der Yamaha versöhnt. Sei doch ziemlich wurscht, die Sache mit den Kurven. Wenn mal eine käme, könne man schließlich bremsen. Und der Motor: »Klar ist der zäh. Aber was macht´s? Wann beschleunigt man hier denn? Einmal, nach dem Tanken, dann fünfter Gang rein und Feierabend.« Wenigstens habe der V-Vierzylinder einen gewissen Kolbenschlag. Genau den vermißt Uli bei der F 6, mit der er grundsätzlich aber hochzufrieden ist: »Was bringt dir der turbomäßige, seidenweich laufende Power-Sixpack, wenn du doch nicht Gas geben kannst?« Sibylle fühlt sich mit der VN 1500 nach wie vor wohl. Schon weil sie ziemlich erkältet ist und noch gar keinen Bock auf die Auseinandersetzung mit einem anderen Bike hat.Kurven! Jubilee Paß. Südportal des Death Valley. Wir stürzen uns hinunter ins Tal des Todes. Tauchen ein in diese bizarre Halbwüste. Lassen uns überwältigen von dieser unnahbaren, ehrfurchtgebietenden Natur, die wie das Werk eines Bildhauers aussieht: Herausgemeißelt aus irgendeinem größeren Ganzen, von dem wir nichts verstehen. Schroffe Berge, scharfkantige Sanddünen, grelle, salzverkrustete Flächen, stahlblauer Himmel, schwarze, grüne, rote Felsen - ein berauschendes Fest der Farben.Selbstverständlich legen wir in Badwater an. Das machen alle. Denn Badwater markiert, 282 Fuß unterhalb des Meeresspiegels gelegen, den tiefsten Punkt Nordamerikas.Unsere Reisegeschwindigkeit fällt immer weiter ab. Jetzt wissen wir, wie´s geht: Man muß sich einlassen. Muß sich einlassen auf den Rhythmus der landschaftlichen Umgebung. So einfach ist das. Cruising ist der harmonische Dreiklang zwischen Mensch, Maschine und Mutter Natur. Cruising ist Musik: Allegro am Jubilee Paß, lentando in Badwater, adagio, jetzt, da die untergehende Sonne eine Farbkomposition aus den sanftesten Tönen an den Himmel schreibt. Und der kleine Mond guckt auch schon ganz komisch. Tagesendstation ist die Furnace Creek Ranch, wo es alles gibt, was dem Kalifornier lieb ist: sogar einen Golfplatz.Sanddünen bei Sonnenaufgang, davon träumt Achim am nächsten Morgen allein. Der Rest der Crew pennt weiter. Hat sich zu sehr eingelassen - auf Budwiser & Co. Die Dünen sehen uns um zehn, und das Licht ist zu diesem Zeitpunkt immer noch sehr, sehr schön - finden wir. »Außerdem stehen doch heute die Nachtaufnahmen in Las Vegas an, und irgendwann müssen selbst die härtesten Easy Rider mal schlafen.« Sibylle versucht´s mit diplomatischem Geschick. Gegen Mittag kann der Canon-Man wieder lachen. Und wir wissen jetzt auch, wie sich Cruiser im Gelände schlagen. F 6: ausgezeichnet. Fat Boy: zu wenig Federwegreserven. VN 1500: unterdämpft. Royal Star: überdämpft. Vier Aussagen, die sich auf Teer übertragen lassen.140 Meilen Landstraße liegen vor uns, während der wir die Motorräder munter durchtauschen. Mit folgenden Ergebnissen: Uli kann die Harley und die Kawasaki nicht leiden. Sibylle kann die Harley und die Yamaha nicht leiden. Stefan kann außer der Harley keine mehr leiden. Und ich - kann natürlich alle leiden. Finde mittlerweile sogar die Bremsen der Fat Boy okay, weil man hier sowieso nur zweimal am Tag bremsen muß.Eine F 6 kann alles, darüber sind wir uns einig. Sie ist zweifellos das beste Motorrad in diesem Feld: bester Motor, bestes Fahrwerk, beste Bremsen, beste Sitzposition, bester Soziusplatz, beste Verdrängung. Schiebt so dick und fett und selbstverständlich durch die Gegend, daß alle Welt nur Augen für sie hat. Die Harley bildet das technische Schlußlicht, weiß auch Stefan, doch andererseits bietet sie den höchsten Unterhaltungswert. Außerdem sieht die Fat Boy richtig gut aus, auch darüber sind wir uns einig.Uneinigkeit herrscht im Fall Kawasaki: Sibylle liebt sie immer noch, alle anderen finden die VN 1500 furchtbar. »Das liege allein an der Optik«, sagt Sibylle, »nur weil die Kawasaki nach Arme-Leut-Cruiser aussieht.« Und Sibylle hat recht. Tatsächlich ist die VN ein ziemlich gutes Motorrad. Abgesehen vom Schaltapparat: Beim Wechsel vom ersten in den zweiten Gang mischt sich fast jedesmal der Leerlauf dazwischen. Gut aber langweilig, darauf können wir uns verständigen. Und die Royal Star? Nicht zu verachten. Stolziert ähnlich souverän durch die Gegend wie die Honda.Mittlerweile hat sich das Straßenbild stark verändert. Die kalifornischen Nobelschlitten sind alten, verrotteten Blechbüchsen gewichen. An einer Tankstelle verkaufen Kinder junge Katzen. In einem offenen Sunbeam, der mittels Flex zum Cabrio wurde, sitzt eine bekiffte Woodstock-Oma in vollem Hippie-Ornat. Alle an der Tanke fragen woher und wohin, bewundern die Bikes. Ob 70 oder sieben, die Leute sind aufgeschlossen. Interessiert. Das ist es wohl, was gemeinhin unter amerikanischer Oberflächlichkeit abgehandelt wird. Mir ist sie allemal lieber als die teutonische Verbissenheit.Wie gewohnt wollen wir die Zigaretten ausdrücken, bevor wir die angrenzende Kneipe betreten. Rauchen gehört hier schließlich zu den 17 Todsünden. Doch dort drinnen wird gepafft, was das Zeug hält. Welcome to Nevada. Hier dürfe man alles, klärt uns eine hochbetagte Dame auf. Hier sei man nicht so stupid wie in Kalifornien. Nur in Kirchen, sagt sie, »da, glaube ich, darf man selbst in Nevada nicht rauchen«.Bei Einbruch der Dunkelheit, das leuchtende Rot des Red Rock Canyon in den Rückspiegeln, liegt es vor uns: Las Vegas. Eine riesige Glühbirne. Mitten in der Wüste. Nahezu unglaublich. Da unten tanzt der Bär. So viel ist klar. Als wir dort ankommen, erschlägt es uns: laut, bunt, alles elektrisch. Tausende von Menschen auf der Suche nach Zerstreuung, auf der Suche nach dem großen Glück. Man muß sich einlassen. Aber das ist zu verrückt. Oder? Betty denkt anders. Betty, die mit ihrer Bierflasche daherkommt, uns ungläubig beobachtet und schließlich fragt, was wir da machen würden: »Mitten in der Nacht Motorräder putzen, mitten auf der Straße, vor diesem Nobelschuppen Golden Nugget.« So etwas Verrücktes habe sie ja noch nie gesehen. Und ihr sei, weiß Gott, schon so einiges unter die Augen gekommen. »Ah, ja, Zeitung. Gut. Really.« Ob sie da auch anfangen könne, im Putzen sei sie große klasse.Betty ist auf dem Weg zu ihrem Freund. »Der sitzt im Gefängnis, gleich neben dem Golden Nugget.« Ob wir das nicht auch lustig fänden: »Hier eines der vornehmsten Hotel-Casinos, direkt daneben das Kittchen.« Sie könne sich totlachen. Nein, mit dem Glücksspiel habe sie nichts mehr am Hut. Alles verzockt. »Europa? Verdammt weit weg. Ich bin vor Jahren aus Montana hierher gekommen, seitdem sitze ich hier fest.« Take care. Und so. Vielleicht noch eine Camel? Las Vegas: Opferaltar des Gottes Mamon. Wie grotesk, daß diese Stadt einst von frommen Mormonen gegründet wurde. Mit äußerst gemischten Gefühlen brechen wir auf zum Grand Canyon - und denken an Betty.Es ist kalt geworden. Langsam wird´s Zeit, die mitgebrachten Thermoklamotten und Integralhelme aus den Tiefen des Vans zu graben. Bei rund zehn Grad fühlt sich auch das Cruisen wieder ganz anders an. F 6 und Royal Star liegen schwer im Trend - bieten eben mehr Geborgenheit als die beiden Zweizylinder. Trotzdem: Sibylle will´s noch mal wissen. Irgend was muß ja schließlich dran sein an der Harley. Doch sie kommt nicht drauf. »Am liebsten würde ich das Teil anzünden«, gesteht sie anläßlich eines harmlosen Tankstopps.Dann: der Grand Canyon. Wir stehen fassungslos davor. Denken an Fototapeten. Begreifen nichts. Wie war das? Man muß sich einlassen. Muß sich einlassen auf den Rhythmus der Natur. Grand Canyon: lento, largo. Und ausgerechnet jetzt geht uns die Zeit flöten. Übermorgen geht unser Flieger. Allegro. Die Cruiser müssen auch noch abgegeben werden: »Ost, wir müssen 91 Ost ...« Das ist über 100 Jahre her.
This is where I live: Kein Cruiser wirkt in den USA so selbstverständlich wie die Harley. Man sieht ihr an, daß sie hier ihre Wurzeln hat, daß ihre klare Linienführung von dieser weiten, unverspielten Landschaft inspiriert wurde. Technisch betrachtet ist die Fat Boy kein Highlight, doch vor Ort stört das nicht die Bohne.
Ein rundum gelungener Beitrag zum Thema Cruising. Die Honda F 6 vermittelt absolute Souveränität. Außerdem besitzt sie das beste Fahrwerk, den besten Motor, die besten Bremsen und - ganz wichtig - ein völlig eigenständiges Design. Der Sechszylinder kopiert die Harley in keinem Punkt. Was der F 6 in den USA fehlt: freie Fahrt.
In good old Germany geht die VN 1500 als brauchbares Motorrad durch. Der V-Zweizylinder beweist Durchzugsstärke und Laufkultur, das Fahrwerk rangiert unter dem Oberbegriff unproblematisch. In den USA gibt die VN allerdings kein so überzeugendes Bild ab. Denn im Harley-Ursprungsland, wirkt sie gewollt und nicht gekonnt.
Sie hat das Temperament einer Dampflok, schiebt absolut schwerfällig durch die Gegend, diese Royal Star. Aber zweifellos: Das hat was. Vor allem im Westen, wo es ohnehin kaum Kurven gibt. Zu Hause hatten wir immer das Gefühl, dem Yamaha-V4 würden etwa 20 PS fehlen, doch da hatten wir auch noch keine Ahnung vom Cruisen.