Auf Achse mit der Solo electra

Auf Achse mit der Solo electra Als die Stromer laufen lernten

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Seit Jahrzehnten baut Solo keine Zweiräder mehr. Dabei war die Marke aus Sindelfingen technologisch weit vorn und produzierte das erste Elektrozweirad mit Straßenzulassung - das Solo electra.

Als die Stromer laufen lernten mps-Fotostudio
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Weihnachten 2013, die Geschenke sind verteilt und die Verwandtschaft besucht. Zeit, endlich einmal wieder auf einer bekannten Auktionsplattform den Zweiradmarkt abzugrasen. Ein witziges Gefährt erregt Aufmerksamkeit: Solo electra, 153 Euro, mal mitbieten. Aus Spaß wird Ernst, denn niemand will das Solo wirklich haben, für 223,50 Euro geht es in den Besitz des Autors über.

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Solo? Ja genau! In Sindelfingen-Magstadt bauten fleißige Schwaben in den 70ern bis zu 60.000 Mofas und Mopeds pro Jahr zusammen. Das Solo electra war die Antwort auf die Ölkrise 1973, als autofreie Sonntage und die Weissagungen des Club of Rome das nahe Ende des Erdölzeitalters erwarten ließen. In diese Zeit passte, zumindest nach den Plänen von Solo, ein Elektromofa, was in Zusammenarbeit mit Bosch entwickelt wurde. Der Stuttgarter Weltkonzern spendierte den Motor, einen 24-Volt-Antrieb mit 500 Watt Leistung. Zwei hintereinander geschaltete 12-Volt-Akkus liefern den Strom.

Rudimentäre Verkabelung

Die rudimentäre Verkabelung des Solo electra stellt auch bekennende Strom-Verachter wie den Autor vor keine großen Aufgaben. Die fehlende Ladebuchse inklusive Anschlüsse findet sich genauso wie ein passendes 24-Volt-Ladegerät im Auktionshaus. Sogar das gut 40 Jahre alte Voltmeter im Cockpit zeigt Grün an. Die beiden 35-Ah-Batterien gehen für knapp 100 Euro beim Baumarkt über den Ladentisch. Ein Dreh am Stromgriff, und schon dreht sich nach einem lauten „Klack“ das Hinterrad. Die erste Probefahrt ist ein echtes Erlebnis. Obwohl der Motor nur 500 Watt mobilisiert, schiebt das Solo recht spontan an. Gewöhnungsbedürftig: Es gibt keine Leistungssteuerung, nur null oder eins. Also volle Power oder gar nichts. Das kann in engen Kurven schon mal zu brenzligen Situationen führen.

Die Betriebsanleitung erklärt: „Eine stufenlose Regulierung des Motors wäre nach dem heutigen Stand der Technik zwar möglich, aber sie ist im Augenblick noch nicht so ausgereift. Wir haben uns deshalb für die betriebssichere Ein- und Ausschaltmethode entschieden.“ Naja. Wer also nicht die vollen 25 km/h aus­kosten will, soll gefälligst „periodisch ein- und ausschalten“, so die Empfehlung.

Nach einiger Übung hat man es drauf, lässt den Motor frühzeitig anschieben und ebenso vorrausschauend wieder ausgehen. Erschreckend kurz sind dabei die Rollwege. Der Grund: Die zweistufige Übersetzung des Motors läuft immer mit. Zwar gibt es eine Rutschkupplung mit Freilauf direkt auf der Motorwelle, aber der Keilriemenantrieb muss mitbewegt werden. Dort entsteht eine immense Reibleistung, was nicht nur den Fahrwiderstand hoch hält, sondern so auch die Reichweite arg einschränkt. Von gut 35 Kilometern ist in der Betriebsanleitung die Rede. Unser Solo electra schaffte bestenfalls zehn, auch durch fleißiges Mittreten am Berg, was dank Mofatretkurbeln mit Kettenantrieb geht, kommt man nicht weiter. Nach ein paar Fahrten gab auch der erste Satz Batterien den Geist auf, neue 52-Ah-Akkus sollen es nun richten. Optisch kommt das Solo electra bestens an. Nahezu jedem Passanten zaubert das ulkige Gefährt ein Lächeln ins Gesicht. Oder ist es etwa Mitleid?

Interview mit Geschäftsführer Andreas Emmerich

Wolf
Solo-Geschäftsführer Andreas Emmerich und Michael Pfeiffer vor der Firmenzentrale in Sindelfingen, letztes Solo electra-Mofa mit schicken Gussrädern.

Die Firmengeschichte von Solo weist Höhen und Tiefen auf. Anfang der 80er-Jahre verabschiedeten Sie sich von der Zweiradfertigung. Woran lag es?
Emmerich: Wir haben es eigentlich verpasst uns auf eine Sache zu konzentrieren. Wenn man sich mal überlegt, wir waren einmal auf dem gleichen Stand wie Stihl. Wobei der Herr Stihl immer gesagt hat: „Wir bauen nur Motorsägen!“ Wir haben bei uns im Haus Stromgeneratoren, Außenbordmotoren, Mofas und Mopeds gemacht. Man hat sich immer von dem wegbewegt, was man gut konnte und dadurch den Kern vernachlässigt. Eine gute Zeit war es dennoch, als wir damals an diesem Standort Mofas und Mopeds gebaut haben. Aber dann kamen Führerschein und Helmpflicht, der Markt brach innerhalb von zwei, drei Jahren zusammen. Wir standen plötzlich mit einem Haufen Leute da, die nichts mehr zu tun hatten. Dann mussten wir erst einmal wieder in unsere Kernkompetenz investieren.

Wann begann für Solo eigentlich die Zweiradphase?
Emmerich: Ende der 60er-Jahre wurde das Zweirad als neuer Zielmarkt definiert. Wir waren Zweitaktspezialisten, und in den Mofas und Mopeds waren Zweitaktmotoren drin. Also waren wir eigentlich dafür prädestiniert, in diesem Markt erfolgreich zu sein. Die ersten Prototypen wurden dann noch mit einem Fremdmotor, einem Anker-Laura-Motor gebaut. Relativ schnell entwickelten wir einen eigenen Zweitaktmotor, bald auch mit Automatik-Kupplung. Unser Motor war dabei mit einem Flüssigkeitsmantel versehen. Damit hatte er eine bessere Wärmeableitung. Das Thema Mofa war für uns sehr vielseitig und wir drei Brüder waren genau im richtigen Alter, um damit herumzufahren. Der Roland war auch dabei, der berühmte Regisseur.

Wie kam es dann zu einem Elektromofa, dem Solo electra?
Emmerich: Wir dachten damals, ein Elektrofahrzeug wäre die Zukunft. Wir waren tatsächlich der erste Hersteller, der so ein Fahrzeug produziert hat. Mit der damaligen Batterietechnik war das allerdings ein absolutes No-go. Wir waren einfach viel zu früh dran. Mein Vater erzählte mir einmal, er hätte einen Solo electra-Kunden in der Schweiz gehabt. Der wäre zwar sehr zufrieden gewesen mit dem Fahrzeug, allerdings hätte er so viele Batterien gebraucht, dass er dieselbe Strecke auch mit dem Taxi hätte fahren können, das wäre kostenmäßig aufs gleiche rausgekommen (lacht).

Was waren denn die größten Schwachpunkte des electra?
Emmerich: Da gab es viele. Die kleinen 10-Zoll-Räder hatten einen immensen Rollwiderstand, die Steuerung, es gab ja nur null oder eins. Oder der Keilriemenantrieb, da fehlte ein Freilauf. Aber der größte Schwachpunkt waren eigentlich die Batterien. Die waren, wie heute auch noch, nicht haltbar und leistungsstark genug. Außerdem war es einfach zu teuer.

Warum eigentlich?
Emmerich: Wir haben nur etwa 1200 Stück gebaut. Ursprünglich war es auch gar nicht für den Straßenverkehr gedacht, sondern für die Nutzung in großen Fabriken. Wir hatten bis vor einiger Zeit noch eines hier im Betrieb. Die Antriebstechnik ist ziemlich robust. Aber unser großes Problem war auch der Vertrieb. Wir hatten ja gar kein Händlernetz. Deswegen haben wir zunächst über den Versandhandel verkauft. Bei Quelle. Aber das electra war auch am Markt vorbei entwickelt. Damals wurde einfach drauflos entwickelt, weil man das eben so machte.

Bosch war Motorenzulieferer, die Batterien kamen von Berga. Der Rest wurde bei Ihnen gebaut?
Emmerich: Ja, wir haben die Rahmen hier geschweißt und auch kunststoffbeschichtet. In der Spitze arbeiteten 1200 Leute hier am Standort Sindelfingen-Magstadt, und wir haben 60.000 Fahrzeuge im Jahr produziert.

Was macht Solo heute?
Emmerich: Wir sind einer der letzten Kleinmotorenhersteller in Deutschland. Wir sind da Spezialisten. Wir bauen beispielsweise rückentragbare Spritzen, da sind wir Marktführer. Oder auch bei den Benzinmotor-getriebenen Trennscheiben sind wir Technologieführer. Dazu haben wir noch eine kleine, aber feine Flugmotorenherstellung. Das sind Zweizylinder-Zweitakter in Leichtbauweise für Segelflugzeuge. Der Stärkste hat über 60 PS, wiegt aber nur 23 Kilogramm.

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