Fahrbericht MonoTracer MTE-150

Fahrbericht: MonoTracer MTE-150 Einspurfahrzeug mit Elektroantrieb

Wer in den MonoTracer MTE-150 steigt, sollte vorbereitet sein. Seine gesammelten Elektro-Vorstellungen über Bord werfen. Und alle anderen am besten auch. Surren die rasenden Kapseln direkt in eine neue, elektrifizierte Welt?

Einspurfahrzeug mit Elektroantrieb Jahn
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Es gibt eine Sache, bei der gerät der sonst so ruhige Roger Riedener richtig in Rage. Er spricht dann schneller und lauter, gestikuliert wild, vergisst beinahe zu lenken. "Ich habe es wirklich satt, Teil der Freak-Show zu sein! Ich komme mir vor wie damals auf dem Rummel. Da gab es immer eine Frau mit drei Brüsten, die alle angegafft haben."
Wer Riedener, dem 57-jährigen Chef von "MonoTracer of Switzerland" und seine rollende Schachtel im öffentlichen Straßenverkehr begleitet, versteht, was er meint. Er versteht aber auch die Gaffer. Was will man machen, wenn so eine fahrende Pilotenkanzel mit leisem Surren angerollt kommt. Wenn - sssssss - blitzschnell die Stützräder ausfahren und die seitliche Einstiegsluke geräuschlos hochfährt? Dann erwartet man im besten Fall E.T., im schlimmsten Fall einen Haufen sabbernden Schleims. Was man nicht erwartet, ist ein kleiner, freundlicher Herr in Turnschuhen, Shorts und Basecap.

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Genau dieser Herr aber hat einen Auftrag. Mag der Rest der Welt in seinen MonoTracern und ihrer Anhängerschaft ein paar überspannte Freizeit-Mobilisten mit dem nötigen Kleingeld und einem Hang zur Exzentrik sehen, für Riedener ist es ein Vehikel mitten ins Herz moderner Zukunftsmobilität. "Da können die anderen bauen, was sie wollen", predigt er mit Verve aus seiner knapp über dem Boden kauernden Kanzel. "Wir werden bei gleichem Tempo immer doppelt so weit kommen. Mindestens!"
Reichweite, Leistungsfähigkeit, Dynamik - das sind die Begriffe, um die sich Riedeners MonoTracer-Welt dreht. Hier glaubt einer an ein Konzept. Ganz fest, obwohl es eigentlich nicht einmal sein eigenes ist, sondern das des Ecomobil-Gründers Arnold Wagner. Der baute schon Ende der 80er den ersten Prototypen (damals mit BMW-K-100-Motor), brachte ihn auf die Straße und hievte ihn über sämtliche Zulassungshürden. Getrieben von der Vision, mit möglichst wenig Energieeinsatz möglichst schnell möglichst weit zu kommen und nicht ahnend, dass genau dieses Thema - nur, rund 25 Jahre später, angesichts der nach wie vor unbefriedigenden Batterie-Speicherkapazitäten in jeder Elektrifizierungsdebatte der zentrale Punkt sein würde.

Woher aber nimmt Riedener das unbegrenzte Vertrauen in die Möglichkeiten seines Gefährts? Zunächst einmal aus den technischen Eckdaten. Der cw x A-Wert von 0,19 (0,19 x 0,99 m²) des MonoTracers toppt ein in dieser Hinsicht hervorragendes Motorrad wie die Suzuki Hayabusa (cw x A gleich 0,30) um Längen und ist zusammen mit dem geringen Rollwiderstand eines Einspurfahrzeugs ein Pfund, mit dem man trefflich wuchern kann. Das zeigt nicht zuletzt der Gewinn des "Automotive X-Prize", eines über drei Monate dauernden US-Wettbewerbs, in dem die energieeffizientesten Fahrzeuge unter reellen Alltagsbedingungen und Zyklen (Stop-and-go-Verkehr, Überland, Highway und vieles mehr) ermittelt werden. Die dortige Maßeinheit: MPGe (Miles per gallon gasoline equivalent), also Reichweite in Meilen pro Gallone. Der MonoTracer lag mit 205,3 MPGe (entspricht 1,14 Litern auf 100 Kilometer) weit vor allen anderen Klassensiegern (Viersitzer 102,5 MPGe, Side-by-Side-Zweisitzer 187,5 MPGe). Riedener nahm 2,5 Millionen Dollar Preisgeld mit in die Schweiz. Und die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein.

Angesichts der Eckdaten des MTE-150 müssen ihm selbst Verbrennungsmotor-Junkies zustimmen. 204 PS liefert der vom US-Spezialisten AC Propulsion entwickelte luftgekühlte Vierpol-Induktionsmotor, dazu beeindruckende 220 Newtonmeter Drehmoment von null bis 5000/min. Damit beschleunigt der 530 Kilogramm schwere MonoTracer laut Riedener in 4,5 Sekunden auf 100 km/h, in zehn Sekunden auf 200 km/h und regelt bei 240 km/h ab. Noch beeindruckender jedoch sind die fulminanten Durchzugswerte. Von 60 auf 100 km/h in weniger als zwei Sekunden, von 100 bis 140 unter 2,5 Sekunden (Herstellerangaben): Das toppt jedes je bei MOTORRAD gemessene Big Bike (dem allerdings im Gegensatz zum MonoTracer immer die Option der Gangwahl bleibt) um Längen. Ebenfalls rekordverdächtig: Bei konstant 120 km/h soll das rasende Ei nur sieben Kilowattstunden verbrauchen. Das macht bei einer Batteriekapazität von nutzbaren 21 kWh eine theoretische Reichweite von 360 Kilometern, bevor es für rund sechs Stunden an einer Haushaltssteckdose (16 Ampere) nachgeladen werden muss.

Angesichts der gebotenen Dynamik verwundert es nicht, dass es Riedener zur Präsentation seiner MonoTracer sowie der Schulung von Kunden nicht auf den nächsten Supermarktparkplatz, sondern zur Rennstrecke in Brünn zog. Wo sonst als in den flüssigen langen Bögen ließe sich die gewaltige Schräglagenfreiheit (bis 52 Grad) besser genießen, die beinahe lautlose Schubkraft der Elektro-Varianten eindrucksvoller demonstrieren. Vor allem Riedeners jüngster und stärkster Prototyp beeindruckt in dieser Hinsicht. 200 kW (272 PS) liefert der ab. Das reicht theoretisch für rund 370 km/h Endgeschwindigkeit (angesichts der Batteriekapazität allerdings nur für sechs Minuten) und ist auch auf einem Grand-Prix-Kurs eine Hausnummer, zumal diese gänzlich unspektakuläre Art der Leistungsentfaltung nicht in die üblichen Erfahrungsschemata passt.

Lautlos, aber vom ersten Moment an mit ungeheurem Nachdruck schiebt der Motor an, nur das Heulen der Getrieberäder und die Wucht, mit der man in die Schalensitze gepresst wird, signalisieren den brachialen Vortrieb. Mit welcher Gewalt es wirklich vorwärtsgeht, spürt man aber erst beim nächsten Bremspunkt. Wo vorher - nämlich auf den ersten Proberunden mit der Verbrennungsmotor-Variante MTI mit BMW-K-1200-LT-Motor - noch der übliche Drehzahlanstieg, vor allem aber die Schaltvorgänge die gerade anliegende Geschwindigkeit signalisierten, ist es beim Elektro-Tracer einzig das irrwitzige Tempo, mit dem die Kurve angeflogen kommt. Dann hilft es nur, kräftig mit dem rechten Fuß ins Verbundbremssystem zu treten (der Motor bremst kräftig mit - und rekuperiert) und die dank der hecklastigen Gewichtsverteilung bremsstabile Fuhre noch rechtzeitig einzufangen, bevor es mit möglichst sauberem Strich und ohne Korrekturen durch die Ecken geht.
Aber das ist schon die letzte Stufe, die hohe Schule des MonoTracer-Pilotierens. Davor ist auch für erfahrene Zweiradpiloten ein intensiver Lehrgang nötig, der vor allem den bauartbedingten Eigenheiten des Konzepts geschuldet ist. Einfach einsteigen und losfahren ist nicht, auch wenn der MonoTracer zulassungsmäßig als Motorrad gilt und daher lediglich der Motorradführerschein notwendig ist. Aber selbst, wenn es so wäre, würde eine andere Hürde so manchen Kandidaten scheitern lassen. Gut 94 000 Euro verlangt Roger Riedener für seinen Elektro-MonoTracer (Auslieferung ab Frühjahr 2012, auch eine Version mit BMW-K-1600-Sechszylinder ist in Arbeit). Dafür ist dann mit ABS, Traktionskontrolle, Klimaanlage, Heizung und Kofferraum (160 Liter) alles an Bord. Und die Zukunft fährt irgendwie auch immer mit.

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