Sol Motors Pocket Rocket aus Stuttgart gefahren

Sol Motors Pocket Rocket Elektro-Stadtrakete von Sol Motors

Die Pocket Rocket gibt es für die 50er-Klasse mit 4 kW und als 6 kW starkes Leichkraftrad. Sie räumte sämtliche Designpreise ab – ob sie in der Praxis überzeugt, haben wir auf einer Fahrt mit dem seriennahen Prototyp in der Stuttgarter Innenstadt getestet.

Elektro-Stadtrakete von Sol Motors Sol Motors
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Sie ist um einiges größer, als es die Fotos vermuten lassen. Und bequemer. Das obere Aluminium-Rohr ist nur mit einem puristisch anmutenden Sitzkissen ausgestattet, das seinen Zweck aber gut erfüllt. Die ersten 100 Stück sollen als Einsitzer anrollen, die Komponenten werden aber so gewählt, dass eine Zulassung als Zweisitzer aber auch ohne weiteres möglich sein soll. Die Reichweite beträgt laut des Entwicklers, je nach Fahrmodi, 60 bis 80 Kilometer, wer bremst führt Energie zurück, rekuperiert also.

5 kW Moped-Klasse, 6,5 kW A1-Klasse

Der Fahrer kann per Smartphone einstellen, ob er im Eco-Modus fährt (2 kW), mit 3, 4 oder – bei der Leichtkraftred-Version – mit 6,5 kW. Bis 5 kW reicht der Autoführerschein, der die Klasse AM mit einschließt, dann ist die Pocket Rocket bei 45 km/h abgeregelt. Darüber fällt die Pocket Rocket in die Klasse der 125er, der Fahrer benötigt also mindestens den Führerschein der Klasse A1 oder B 196 und kann dann die Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h ausfahren. Für die 6,5 kW starke Stadtrakete werden 6.980 Euro aufgerufen, die 50er-Klasse (bis 5 kW) ist bei 5.980 Euro eingepreist. Alles andere als günstig. Zum Vergleich: Ein Unu E-Roller mit 3 kW Leistung kostet knapp 3.000 Euro und stellt 50 Kilometer Reichweite bereit. Ist aber auch 17 Kilo schwerer und schaut, wie viele E-Zweiräder auf dem Markt, eben aus wie ein Roller. Ebenfalls ein nicht unwesentlicher Kostenfaktor: Sol Motors produziert nicht in China sondern in Deutschland.

"Optisch hat mich kein Elektro-Zweirad auf dem Markt gereizt. Deshalb habe ich mein eigenes entworfen.", sagt Manuel Messmer, Produktdesigner und Urheber der Pocket Rocket. Er fuhr selbst viel Motorrad, in den Stadtverkehr gehört das klassische Verbrennerkonzept für ihn aber nicht mehr. "Aber selbst wenn jeder Tesla fährt, haben wir trotzdem noch Stau in der Stadt." Ein neues Fahrzeugkonzept musste her. Eines das die Gestaltungsfreiheit der neuen Technik ausnutzt. "Wir wollten nicht einfach dort den Akku platzieren, wo normalerweise der Verbrenner sitzt. Deshalb ist das große V im Rahmen leer geblieben."

55 Kilo, 160 Nm max. Drehmoment

Der Akku sitzt im oberen Rohr. Am Serienfahrzeug wird es im vorderen Bereich des Rohrs ein Zündschloss geben. Wird der Schlüssel überdreht, soll das Rücklicht zur Seite klappen und so der Akku bei Bedarf einerseits entnehmbar, andererseits gegen Diebstahl geschützt sein. Der ist übrigens an einer haushaltsüblichen Steckdose zu laden. Apropos Rücklicht: das ist neben der auffälligen Rahmenkonstruktion ein weiterer Hingucker. Wenn der Pilot die Rakete hochfährt, blinken die LED nach und nach auf, bis der Lichtkranz komplett rot leuchtet (siehe Video oben).

Die Rakete ist nun fahrbereit. Die Autorin noch nicht ganz. Die Fußrasten sind starr? "Ja, das Serienfahrzeug wird aber einklappbare Rasten haben." Und einen kleinen Tacho. Der TÜV akzeptiert Smartphones als alleiniges Instrument nur dann, wenn der Hersteller, also beispielsweise Apple, eine Ausfallgarantie gibt. Das ist natürlich nicht der Fall.

Wir rollen vom Hof. Der Gasgriff hat ein klein wenig Spiel, an der Ampel lassen wir mit der Rakete trotzdem alle stehen. Netter Nebeneffekt: Fußgänger bleiben stehen und schauen uns hinterher, Fahrradfahrer nicken anerkennend, Autofahrer runzeln fragend die Stirn. So lange die noch überlegen, welch schmales Gefährt sich hier in die erste Reihe gedrängelt hat, flitzen wir schon um die nächste Ecke! Das geht richtig gut und macht großen Spaß. Kein Wunder, bei 150 Nm maximalem Drehmoment. Vor allem weil die Pocket Rocket so schön leicht ist: 55 Kilogramm mit Akku! Die Reifen vermitteln satte Straßenlage, die Sitzposition ist angenehm, das Fahrwerk für Gullideckel und andere Fahrbahnunebenheiten in der Stadt absolut tauglich. Die Bremsen verzögern annehmbar, werden aber noch durch hochwertigere Komponenten namhafter Hersteller getauscht. So auch die Akkus.

INTERMOT und Crowdfunding-Kampagne

In Serie wird die Pocket Rocket auch mit zwei Rückspiegeln kommen. Dafür werden die beiden Blinkerschalter zusammengefasst. Die symmetrische Verteilung der Knöpfe macht optisch zwar mehr her – pro Seite je einen für den Blinker plus Hupe links sowie Fernlicht rechts. Aber mit der Gashand noch zusätzlich Knöpfe drücken fühlt sich nicht optimal an.

Die Stadtrakete jedoch durch die Autokolonne zu zirkeln, ist so einfach wie Fahrradfahren. Sie ist schön schmal, super wendig und die Power einfach zu dosieren. Noch dazu sieht die Mattschwarze Lackierung richtig schick aus. Und wer an der Ampel abgezogen wird (alle!), bekommt zum Trost einen Blick auf das schöne Hinterteil der Pocket Rocket.

Die Crowdfunding-Kampagne läuft. Wer 500 Euro anzahlt, kommt auf die Warteliste für die erste Auflage von 100 Stück.

Daten: Sol Motors Pocket Rocket Prototyp

  • Leistung: 5 oder 6,5 kW – per Smartphone drosselbar
  • Reichweite: 60 – 80 km
  • Ladezeit: 120 Minuten
  • Max. Drehmoment: 160 Nm
  • Max. Geschwindigkeit: 80 km/h
  • Gewicht mit Batterie: 55 Kilogramm
  • Maße: 172 x 73 x 118 cm
  • Sitzhöhe: 82 Zentimeter
  • Führerscheinklasse: AM für bis zu 4 kW; A1/B196 für 6,5 kW
  • Preis: 5.980 Euro für die 4 kW-Version, 6.980 für die 6,5 kW-Version

Interview mit Manuel Messmer von Sol Motors

Sol Motors, das ist hauptsächlich Manuel Messmer, seines Zeichens Produktdesigner. Er arbeitet seit fünf Jahren an dem Konzept Pocket Rocket.

In welche Kategorie packst du die Pocket Rocket?

Eigentlich ist’s ein Noped. Wegen no peds, also keine Pedale. Bis 4 kW gehört es ja in die Klasse der Mopeds, die kennzeichnen sich aber dadurch aus, dass sie Pedale zum Ankicken und Bremsen haben.

Und wenn wir schon bei Begrifflichkeiten sind, für was steht das "Sol" im Firmennamen?

Für Speed of light. Die meisten assoziieren damit aber Sonne, so daneben ist das ja auch nicht.

Wie finanzierst du das Projekt?

Indem ich an anderen Projekten arbeite, die Geld bringen (lacht). Vom Land Baden-Württemberg gab es außerdem eine 50-prozentige Anteilsfinanzierung. Das waren einmalig 12.500 Euro.

Baust und entwickelst du alleine?

Ich mache und erdenke vieles selbst, aber ganz alleine geht es nicht. Ein Freund von mir ist Schlosser, der hat den Alurahmen umgesetzt. Um die Motorsteuerung kümmern sich zwei ehemalige Porsche-Ingenieure, die sich selbstständig gemacht haben. Die Abdeckung für das Rücklicht wiederum kommt aus dem 3-D-Drucker. Generell möchten wir aber mit vielen bestehenden Komponenten arbeiten, wie beispielsweise bei der Batterie, dem Bremssystem, der Federung und den Hebeleien.

Ihr wart mit der Pocket Rocket auf dem Glemseck 101 und seit auch auf der INTERMOT am Start. Wie kam es dazu?

Hier in unserem Kollektiv (Anm. der Red.: Ein Hinterhaus mit Ateliers, Gemeinschaftsbüros, Werkstätten und Shop) ergibt sich oft ein Miteinander. Mit Ciao Ragazzi (Anm. d. Red.: Der Klamottenladen im Erdgeschoss) waren wir beispielsweise auf dem Glemseck 101, die hatten dort einen Stand. Dort kamen wir ins Gespräch mit Ingo Riedeberger, dem Direktor der Koelnmesse. Der hat uns auf die INTERMOT nach Köln eingeladen, was uns natürlich maßlos freut!

Am 25. September startet eure Crowdfunding-Kampagne. Welches Ziel visiert ihr an?

Es wäre toll, wenn wir die Produktion für 100 Exemplare finanziert bekommen. Ernst wird’s dann im Frühjahr 2019, da wollen wir die ersten Fahrzeuge ausliefern.

Wie weit seid ihr mit der Entwicklung am Prototyp?

Wir haben derzeit drei Prototypen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Der, den du gefahren bist ist der am weitesten entwickelte. Er hat mittlerweile über 10.000 Kilometer drauf. Wir sind an den letzten zehn Prozent, jetzt geht es nur noch um Details. Das ist allerdings die aufwendigste Phase. Wir wollen zum Beispiel noch den Kabelbaum im Lenkerrohr unterbringen, aber das ist keine Kleinigkeit.

German Design Award, European Product Design Award, Focus Open – ihr habt mit der Pocket Rocket in diesem Jahr schon ganz schöne Preise abgeräumt. Macht dich das stolz?

Klar, ein bisschen schon. Wir treten da ja teilweise gegen Projekte von Mercedes, VW etc. an. Das freut mich schon, dass man da eine Chance hat, zu bestehen.

Ist die Pocket Rocket in erster Linie für Fahrer konzipiert, die zwar Elektro wollen, aber weder von E-Bikes noch von Rollern so richtig angetan sind?

Die Pocket Rocket ist für jeden, der sie ansprechend findet und Spaß am elektrischen "Durch-die-Stadt-flitzen" hat. Sie wird aber auch über eine SIM-Karte komplett vernetzbar sein und somit auch als Flotten-Fahrzeug taugen.

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