Alpen-Masters 2010: Teil 2

Alpen-Masters 2010: Teil 2 Der Alpen-Megatest 2010: Supersportler, Enduros und das Finale

Drei Finalteilnehmer stehen bereits fest, zwei weitere werden nun ermittelt. Zusammen mit dem Sieger des vorjährigen Alpen-Masters, der Honda CB 1300, klärt sich dann in den Kurven und Kehren der Dolomiten die Frage, wem die Krone des Alpen-Masters 2010 gebührt.

Der Alpen-Megatest 2010: Supersportler, Enduros und das Finale Gargolov
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Zehntausende von Motorradfahrern können nicht irren. Einmal im Jahr, mindestens, zieht es sie zum Almauftrieb, der Berg ruft. Menschen aus halb Europa begegnen sich hier, suchen den Gipfel der Faszination. Sie wissen warum. In einem der schönsten Touren-Reviere überhaupt finden sich spektakuläre Alpenpässe für jeden Geschmack, jede Menge Kurven und Höhenstraßen. Wenn sich Spitzkehre an Spitzkehre reiht und kilometerweit Steigungen (oder Gefälle) von bis zu 20 Prozent zu überwinden sind, lässt es sich herrlich Motorrad fahren.

Und perfekt testen. In der Welt aus Fels und Eis, saftigen Wiesen und dunklen Wäldern offenbaren sich auf drastischen Höhenunterschieden die Stärken und Schwächen der jeweiligen Maschinen-Konzepte quasi im Zeitraffer. Aus diesem Grund veranstaltet MOTORRAD den größten Test eines jeden Jahres seit 2005 traditionell in alpinen Gefilden. Ein Mikrokosmos, der das große Ganze schonungslos offenbart. Motorräder die nicht fordern, sondern flüssigen Fahrstil fördern, sind hier klar im Vorteil. Maschinen, die ihren Fahrer ruhig bleiben lassen, wenn es schwierig wird.

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Alpen-Masters 2010: Teil 2 Der Alpen-Megatest 2010: Supersportler, Enduros und das Finale
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Etwa wenn Steine oder Kuhfladen auf der Idealline liegen, die nassen Bergstrecken des Frühsommers 2010 volle Konzentration erfordern. Oder mitten in der Kehre raumgreifend Reisebusse oder Wohnmobile entgegen kommen. Auf der eigenen Spur. Reine Leistung allein bringt hier gar nichts. Dies zeigt sich bei den Ergebnissen aus dem ersten Teil des Alpen-Masters in MOTORRAD 16/2010. Da brilliert bei den (Sport-)Tourern die umgängliche Suzuki GSX 1250 FA als Gipfelstürmer gegenüber der durchweg stärkeren Konkurrenz, hält die verlässlich-brave Honda CBF 600 die versammelte Zwei- und Vierzylinder-Konkurrenz in Schach. Und die große Schwester CBF 1000 F deklassiert am Berg die feurigeren anderen Big Bikes.

August von Kotzebue, deutscher Schriftsteller, karikierte vor rund 200 Jahren menschlichen Größenwahn: "Zwerge bleiben Zwerge, auch wenn sie auf Alpen sitzen." Da sind Motorräder anders gestrickt. Beim Alpenglühen zwischen Gipfel und Tal hat sich schon so manches Mauerblümchen zum kompetenten Bergführer gemausert. Und so mancher Heißsporn, der auf schnellen Landstraßen- oder Autobahnetappen begeistert hat, verliert plötzlich seine Souveränität. Hochspannung sollte da garantiert sein, bis hin zum großen Finale, in dem rein subjektiv der jeweilige "Wohlfühlfaktor" bewertet wird. Auffi geht’s, viel Vergnügen.

Naked Bike

Enduro-/Funbike-Vergleich

jkuenstle.de
Wie Tourer eignen sich Enduros als Reisemotorräder. Hinter hohen Lenkern lässt es sich entspannt thronen und souverän die Berge erklimmern. Im Feld dabei: die BMW R 1200 GS, die Ducati Multistrada 1200 S, die Kawasaki Versys und die Yamaha XTZ 1200 T Super Ténéré.

Breitschultrig reisen, entspannt hinter hohen Lenkern aufrecht thronen und sich lässig-souverän die Berge hochschrauben – dazu laden Reiseenduros ein. Touristischen Hochgenuss versprechen die BMW R 1200 GS, die Ducati Multistrada 1200 S, die Kawasaki Versys und die
Yamaha XTZ 1200 Z Super Ténéré.

Kann das sein? Laut Kalender ist es Frühsommer, die Empfindung sagt Spätherbst, kühl und grau. Und auf den Bergwiesen blühen frühlingshaft Klappertopf, Enzian und Glockenblumen in allen Farben. Ähnlich bunt ist dieses Testfeld, rot, weiß, gelb und blau. Hier treffen vier unverwechselbare, mit ABS bestückte Zweizylinder aufeinander. Traditionell mit Boxer tritt die BMW R 1200 GS an, seit 2010 mit je zwei obenliegenden Nockenwicklern in den beiden ausladenden Zylindern.

Dohc-Köpfe? Nichts Besonderes für die Ducati Multistrada 1200 S. Darüber spricht man nicht, die hat man. Ehrensache, das waschechte V2-Funbike trägt ein auf 148 PS „gezähmtes“ Superbike-Hightech-Triebwerk. Da markiert die Kawasaki Versys das andere Ende des Spektrums. Ein leichter, wendiger Alleskönner mit 64-PS-Reihen­motor. Auf dieses Motorenkonzept setzt auch die Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré. Quasi der rollende Frontalangriff auf die GS. Mit elektronisch gesteuerten Drosselklappen, Traktionskontrolle und Kardan. Ferner verstellbarer Sitzhöhe, Verbundbremse und schlauchlosen Speichenrädern.

Gargolov
Die neue Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré ist ein Schmuckstück für Reisen. Hohe Zuladung und reichhaltige Ausstattung sowie ein gehobener Sitzkomfort unterstreichen dies. Der hohe Verbrauch und die trotzdem recht bescheidene Leistungsentfaltung lassen die Super Ténéré allerdings auf den dritten Platz zurückfallen.

Schick, die lang herbei gesehnte Super Ténéré. Die "First Edition" fährt das ganze Wohlfühl-Programm auf: Hauptständer, Handprotektoren, Scheinwerfer-Steinschlagschutz und wenig voluminöse Alu-Koffer ohne Aufpreis. Unauffällig prustet der 1200er-Twin beim Druck aufs Knöpfchen aus dem voluminösen Stahl-Schalldämpfer. Leicht lassen sich die Gänge des Getriebes sortieren, der Kardan ist nicht zu spüren. Ein feiner Antriebsstrang.

Was man vom Motor nur bedingt sagen kann – wenig drehfreudig, behäbig und phlegmatisch. Bergauf aus den Kehren des Pordoijochs heraus verhungert die Super Tätärä mit Pauken und Trompeten. Zu wenig Bums von unten. Für Steigungen im zweiten Gang von Tempo 25 auf 75 braucht die 267 Kilogramm schwere XTZ länger als die Kawasaki Versys mit halbem Hubraum. Wie kann das sein? Offenbar nimmt Yamaha die Klippen der Geräuschmessung bei 50 km/h per gangspezifischer Drosselung.

Im zweiten und dritten Gang verharrt die ohnehin wenig füllige Drehmomentkurve von 3000 bis 4000 Touren flach zwischen 80 und 85 Newtonmetern. Im Zweiten fällt sie danach bis 5500/min in ein kratertiefes Loch von gut 65 Newtonmetern. Im Dritten steigt die Power zwar über der 4000er-Marke kräftig an, erreicht aber nie die Werte der Gänge vier bis sechs: maximal sind es 90 PS im zweiten, 96 im dritten und 100 im sechsten. Leistete das offizielle Test-Motorrad vom Importeur bei vorigen Tests noch 107 PS, lässt diese 1200er vom Yamaha-Händler also höchstens 100 statt versprochener 110 Pferde antraben. Fast zehn Prozent Minderleistung, damit schrappt die XTZ knapp an der Grenze zur Wandlungsfähigkeit entlang. So bleibt ein fader Beigeschmack, muss man für eine 1200er verdammt oft schalten. Und der Benzinverbrauch ist hoch.

Begeistern kann das herrlich gutmütige Fahrwerk: neutral, extrem komfortabel und schluckfreudig. Gute Balance und der 19-Zöller vorn erlauben sogar ambitionierte Abstecher auf Schotter. Und dann dieser erhabene Sitzkomfort: Durch den hohen, ausladenden Lenker und entspannten Kniewinkel hält man es endlos aus im super-bequemen Fahrersitz. Die Alpen aus dem Panorama-Sessel heraus erleben!

Ein elastischer durchzugsstarker Motor verbirgt sich in der Kawasaki Versys, doch mit der BMW oder der Ducati kann die Kawa nicht mithalten. Die zudem geringe Zuladung und karge Ausstattung verbannen die Versys im Enduro-Feld daher auf den 4. Platz.

Mit solchen Logenplätzen kann die Kawasaki Versys nicht dienen. Ihre Sitzbank ist schmaler und niedriger, der nicht ganz so breite Lenker liegt näher vor der Brust. Die 650er fühlt sich beim direkten Umstieg kompakter an. Man sitzt mehr im Motorrad, jedoch ein wenig passiv, unentschlossen. Schön leicht und handlich wuselt der 211-Kilogramm-Zwerg selbst durch vertrackteste Kehren-Kombinationen. Erstaunlich flott, richtig frech fährt die kurz übersetzte Versys. Vorausgesetzt, es liegt der richtige Gang drin, eine oder zwei Stufen niedriger als bei den drei anderen "Enduros". Man muss den deutlich vibrierenden Twin ganz schön zwirbeln. Fünf-, sechstausend Umdrehungen sollten schon anliegen.

Ein wenig blechern klingt es, was Tunnelwände und Galerien da an Sound zurückwerfen. Toll: Der sehr sparsame Parallel-Twin ermöglicht eine Traumreichweite von 459 Kilometern. Das reicht für einige Sella-Runden. Das gewaltige Panorama der 3181 Meter hohen Langkofelgruppe (italienisch: Sassolungo) flößt Respekt ein. Halten die Motorräder solcher Herausforderung stand? Die Kawa ist karger ausgestattet als andere Maschinen, als einzige fährt sie ohne Traktionskontrolle und Bordcomputer. Dafür kostet sie nur die Hälfte. Na also, sie funktioniert doch, auf Landstraßen in alpinen Gefilden ebenso wie im urbanen Getümmel. Nur die Rückmeldung könnte besser sein. Das Versys-Fahrwerk wirkt teigiger, diffuser, weniger souverän als bei den drei anderen. Ein wenig stumpf erscheint die Vorderbremse, erfordert hohe Handkraft.

Für Ducati typisch: Der sinnliche feurige Motor soiwe ein geniales Handling. Einen weiteren Pluspunkt bilden die verschiedenen Fahrmodi, die Fahrwerk und Motor elektronisch justieren. Durch einige Schwächen bei der Fahrwerksabstimmung und beim Getriebe schafft es die Ducati Multistrada 1200 S allerdings nur auf Platz 2.

Trotz heftiger 18000 Euro Kaufpreis sind bereits etliche Ducati Multistrada 1200 S in freier Wildbahn unterwegs. Darauf haben viele gewartet: Superbike-Gene gekreuzt mit Enduro-Habitus. Eine heiße Mischung, tourentauglich wie temperamentvoll. Rumbummeln mag der lang übersetzte V2 nicht. Im Drehzahlkeller ruckelt und hackt der extrem kurzhubige Heißsporn, braucht mindestens 3000/min. Aber in der Drehzahlmitte heißt es festhalten. Von allen 20 Maschinen des Alpen-Masters 2010 pfeffert die Duc am rasantesten im zweiten Gang von Tempo 25 auf 75. Beim vollen Beschleunigen lupft sie gern mal ihr Vorderrad.

Hart geht der V2 ans Gas, springt aus voller Schräglage auf die kurzen Geraden, schnupft sie in Sekunden auf. Eher Sport als Enduro, mehr Rasen als Reisen - trotz vier während der Fahrt elektronisch einstellbarer Fahrmodi. Sie variieren die Dämpferabstimmung der Öhlins-Federelemente und steuern die Leistungsabgabe: Volle 147 PS gehen allein in den Modi Sport wie Touring aufs Hinterrad los; unter Urban und Enduro bleiben noch 100 PS übrig. Spät greift im Touring-Modus die Traktionskontrolle ein, lässt am Kurvenausgang ein tänzelndes Hinterrad zu.

Auf fetten 17-Zoll-Rädern (190er-Reifen hinten!) wirft sich die Duc mit Wonne in die Kurven, gierig und zielgenau, wedelt leichtfüßig-locker. Doch letztlich bleibt die Fahrwerksabstimmung inhomogen: Upside-down-Gabel weich, Federbein straff. Superb bremsen die Brembo-Monoblocs. Es regnet wieder. Schmal, bei Nässe rutschig, bieten die Multistrada-Fußrasten wenig Halt.

Gargolov
Auch die BMW R 1200 GS brilliert mit einem vorzüglichen Motor und einem super Fahrwerk. Das pfiffige Zubehör und das breite Einsatzspektrum der GS trösten auch über die etwas geringe Zuladung hinweg und befördern die GS aufs Enduro-Siegertreppchen.

Durch ihre Abmessungen schüchtert die BMW R 1200 GS kleinere Piloten ziemlich ein. Doch selbst weniger versierte Fahrer hängen Yamaha und Kawasaki nach Belieben ab, bis einem Hören und Sehen vergeht. Wohlgemerkt, es geht hier nicht ums Heizen. Sondern ums Potenzial des Motorrads. Und davon hat die 2010er-GS schlicht eine Extraportion abbekommen.

Die Dohc-Köpfe machen den Boxer unten herum fülliger, druckvoller. Bei jeder Drehzahl, außer bei gut 3000/min, überflügelt die GS den noch größeren Yamaha-Motor deutlich. Diese Kuh lässt sich richtig melken. Kräftig von unten, spritzig in der Mitte und spontan am Gas, so goutiert man gern Kehre um Kehre, schaltet sehr früh hoch. Der neue Auspuff mit Klappe lässt den Boxer erstmals satt und kernig klingen. Gehaltvoll. Im Schiebebetrieb prustet er vielleicht schon einen Tick zu aggressiv.

Entspannt und beschwingt macht neben dem kräftigen Motor das elektronisch einstellbare Fahrwerk (ESA). Es verwöhnt mit praxisgerechtem Einstellbereich und kinderleichter Bedienung. Kritikpunkte? Trampeliges Ansprechen auf kurze, harte Querfugen und Asphaltaufbrüche. Der extrabreite Lenker ist so breit, dass man die ganze Welt umarmen kann. Selbst bei Nässe vermittelt die GS verdammt viel Vertrauen und Sicherheit, bringt einen überall durch. Die Metzeler Tourance EXP haften wie bei der XTZ gut. Traktionskontrolle und ABS regeln feinfühlig. Freude am Fahren, das löst die durchaus geländegängige GS auf jedem Terrain ein.

Enduro-/Funbike-Messwerte

   BMW  Ducati Kawasaki Yamaha
Schneller Slalom
Zeit (sek)  22  21,9  22,8  22
Vmax am Messpunkt (km/h)  102,6  97,6  97,3  98,8
 
Kreisbahn, Ø 46 m
Zeit sek  11  11,5  11  11,5
Vmax am Messpunkt (km/h)  50,2  48,6  50,4  47,6
 
Verbrauch
Testverbrauch Pässe l/100 km  4,6  5,7  4,1  5,7
Theoretische Reichweite Pässe (km)  436  352  459  397
 
Beschleunigung
0–140 km/h (sek)  6,1  5,2  8,3  6,9
 
Durchzug
Durchzug in 2000 m ü. N. N. 50–100 km/h  7,1  6,8  9,2  9,2
Durchzug im 2. Gang bergauf mit Sozius 25–75 km/h  4,6  4,4  6,3  6,9
 
Bremsmessung bergab
Bremsweg 75–25 km/h mit Sozius (m)  23,1  24,7  27,1  26,8

Fazit

Ein sparsamer Allrounder ist die Kawasaki Versys. Sie kostet nur halb so viel wie die drei anderen, bleibt aber mehr als bloß halb so gut.  Top-Touring- und Alltagsqualitäten vereint die neue Yamaha Super Ténéré. Doch ihr 1200er-Twin ist recht antrittsschwach. Da verkörpert die Ducati Multistrada ohne Enduro-Attribute das genaue Gegenteil: pure Power. Und trotzdem sitzt es sich bequem. Die bullige BMW R 1200 GS trägt das Gütesiegel "gutmütig und souverän". Sie glänzt durch größte Vielseitigkeit und zieht verdient ins Finale.


Details:

BMW R 1200 GS
Positiv

  • Motor bulliger Drehmomentverlauf von ganz unten bis oben
  • Fahrwerk stabil, schluckfreudig
  • Zubehör pfiffig, clever konstruiert
  • Einsatzspektrum Universalgenie

Negativ

  • Abmessungen ein Gebirge von einem Motorrad
  • Zuladung dürfte größer sein


Ducati Multistrada 1200 S
Positiv

  • Motor stark, sinnlich und feurig
  • Handling lenkt leicht ein
  • Fahrmodi Fahrwerk und Motor vierstufig elektronisch justierbar

Negativ

  • Benzinverbrauch hoch
  • Getriebe schaltet sich hart
  • Fahrwerksabstimmung vorn weich, hinten straff


Kawasaki Versys
Positiv

  • Motor elastisch und recht durchzugsstark
  • Verbrauch gering
  • Reichweite sensationell

Negativ

  • Ausstattung eher karg
  • Zuladung nicht sehr groß
  • Vorderradbremse wirkt stumpf, hohe Handkraft


Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré
Positiv

  • Ausstattung reichhaltig
  • Fahrwerk prima ausbalanciert, komfortabel
  • Sitzkomfort gehoben

Negativ

  • Leistungsentfaltung bescheiden, vor allem in den unteren Gängen
  • Verbrauch recht hoch

   Max. Punktzahl  BMW  Ducati  Kawasaki  Yamaha
Gesamtwertung  500  401  374  362  319
Platzierung  1.  2.  4.  3.

Supersportler-Vergleich

Gargolov
Eigentlich für andere Strecken gebaut, doch bei der Fahrt in den Alpen ein Erlebnis: Supersportler. Dabei sind dieses Mal die Aprilia RSV4 R, die BMW S 1000 RR, die KTM 1190 RC8 R und die Suzuki GSX-R 750.

Gebaut wurden sie für ein ganz anderes Terrain, und als mobile Aussichtplattformen taugen sie wegen ihrer Ergonomie schon gar nicht. Auch in anderer Hinsicht ist die Kombination Supersportler und Hochgebirge etwas sehr Spezielles. Auf die Berge klettern Aprilia RSV4 R, BMW S 1000 RR, KTM 1190 RC8 R und Suzuki GSX-R 750.

Supersportler fahren auf der Landstraße sei wie Kampfjet fliegen im Wohnzimmer. Das behauptet ein leicht übertriebener Vergleich. Träfe er zu, entspräche dem Fahren von Supersportlern auf Dolomitenpässen das Fliegen von Jets in der Besenkammer. Denn zwischen den schroffen Gipfeln winden sich die Straßen nicht selten in Dutzen­den von Kehren bergauf oder zu Tal, die im Scheitelpunkt keine 20 km/h erlauben; da drehen die Motoren des Testquartetts im ersten Gang nicht einmal 2000/min und bleiben unter Last fast stehen. Der Vergleich wird verständlich, wenn der Fahrer mit schleifender Kupplung die Drehzahl hochtreibt. Sofort setzen die spitzen Hochleistungstriebwerke zu viel Leistung frei, die Hinterräder drehen durch oder die Vorderräder schnappen nach oben, oder beides geschieht in schneller Abfolge. Im besten Fall regelt die Traktionskontrolle der BMW den Overkill wieder zurück. Alles spektakulär und irgendwie heroisch, nur leider furchtbar anstrengend.

Gargolov
Die KTM 1190 RC8 R besticht durch ihre erstaunlich bequeme Sitzposition und eine reichhaltige und hochwertige Ausstattung. Leider verliert die KTM deutlich an Boden durch fehlendes ABS und ein unausgeglichenes Fahrwerk. Sie landet daher nur auf Platz 3.

Dass es selbst routinierten Fahrern nicht immer leicht fällt, das richtige Maß an Leis­tung zu finden, demonstriert eindringlich die KTM RC8 R. Eigentlich besteht sie in bravouröser Weise eine schwierige, doch keinesfalls praxisfremde Durchzugsprüfung. Mit zwei Personen müssen die Kandidaten im zweiten Gang ab 25 km/h einen 15 Prozent steilen Anstieg hinaufziehen. Dergleichen wird Hunderten von Motorrädern auf der Sella Ronda jeden Tag tausendfach abverlangt, und auch die Supersportler schaffen diese Prüfung mit achtbaren Zeiten. Die KTM absolviert sie gar als Viertbeste von allen 20 Teilnehmern am Alpen-Masters. Das zeigt, wie viel Dampf sie im unteren Drehzahlbereich entwickelt. Das Problem ist bloß, dass sie einfach stehen bleibt, wenn die Messung statt mit 24 mit nur 22 km/h begonnen wird. Der Bereich ist also recht schmal und es hat sich als hilfreich erwiesen, in besonders engen und rutschigen Passagen die Drehzahl konstant bei etwa 3500/min zu halten und die Geschwindigkeit nur mit Bremse und Kupplung zu regeln. So wird das Hacken des Motors vermieden und fein dosierter Einsatz der Leistung möglich. Auch bei der Aprilia RSV4 bewährt sich diese Strategie. Besser noch sind ein tadelloser Rundlauf und eine lineare Charakteristik, wie sie BMW und trotz Hubraum- und Drehmomentnachteil auch die Suzuki GSX-R 750 bieten.

In den flüssig zu fahrenden Passagen empfiehlt sich bei allen rasches Hochschalten, um das Überangebot an Leistung zu moderieren. Erst recht, wenn es regnet und alle außer der Suzuki mit rennstrecken-, aber nicht unbedingt nässetauglicher Erstbereifung übers Wasser wandeln müssen. Die Mühe, vor den Kehren wieder drei oder vier Gänge herunterzusteppen, lohnt sich allemal. Und wer mit seiner Supersportmaschine auf Alpentour gehen will, tut gut daran, vorher auf normale Straßen- oder Tourenreifen umzurüsten. Sie bieten bei Nässe und kühlem Wetter einfach mehr Grip als ein Metzeler Racetec K3 oder Pirelli Supercorsa Pro, die auf Alpenstraßen selbst bei sommerlichen Außentemperaturen kaum je auf ihre optimale Temperatur zu bringen sind.

Gargolov
Ein spitzen Handling und ein komfortabel abgestimmtes Fahrwerk sprechen für die Suzuki GSX-R 750, doch durch den Hubraumnachteil zeigt sich die Suzuki durchzugsschwach. Außerdem bildet das fehlende ABS einen weiteren Makel. Die Suzuki schafft es daher nicht an der BMW vorbeizuziehen und endet auf Platz 2.

Auch wenn es nach den vorangegangenen Zeilen niemand mehr glaubt: Es macht eine Menge Spaß, mit den zweirädrigen Jets durchs Gebirge zu gleiten. Man sollte nur keine falschen Erwartungen hegen und eine gute Fitness sowie sportliches Engagement mitbringen. Damit ist nicht der Drang zu schnellem Fahren gemeint, sondern die Bereitschaft, ständig zu arbeiten, liegestützartige Übungen auszuführen, das Körpergewicht im Wechsel der Kurven nach vorn und innen zu verlagern. Auch und gerade, wenn es mit zweistelligen Prozentzahlen bergab geht, wobei man nicht stocksteif mit durchgedrückten Armen auf dem Motorrad sitzen sollte. Denn dann würde man ja selbst die Lenkung blockieren und jeglichen Überblick aufgeben, der in geduckter Haltung ohnehin schwer zu gewinnen ist. Am besten geeignet für das Fahren in den Bergen ist die Fahrerposition auf der KTM, die zudem durch den höhenverstellbaren Sitz sowie die variablen Fußrasten und Lenkerhälften individuell angepasst werden kann. Deutlich anstrengender wird die Aprilia, BMW und Suzuki machen es ihren Fahrern nur wenig leichter als die Italienerin.

Leider verspielt die KTM den Vorteil der kommoden Position sogleich wieder durch ihre sehr straff abgestimmten Federelemente. Auch die Aprilia und die BMW geben sich wenig nachgiebig. Relativ harte Federn und satte Dämpfung sind in ihrem eigentlichen Revier, der Rennstrecke, ein echtes Plus, auf den meist holprigen Dolomitenpässen verkehrt es sich ins Gegenteil. Hier kommt die vergleichsweise weich abgestimmte Suzuki zu Ehren, die beim verschärften Rennstreckenfahren häufig als labberig kritisiert wird. Dank ihres 180er-Hinterreifens lenkt sie trotz ähnlicher Fahrwerksgeometrie und Gewichtsverteilung auch leichter ein als ihre Konkurrentinnen.

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Die BMW zeigt sich in den Alpen wenig reisetauglich, da eine Gepäckunterbringung nicht erwünscht ist und die Sitzposition für längere Strecken nichts taugt. Doch mit dem stärksten Motor, einer Menge technischer und elektronischer Helferlein schafft es die BMW S 1000 RR die Konkurrenz in Grund und Boden zu fahren und kann den ersten Platz erringen.

Weil alle vier Testmotorräder kompromisslos auf ihren eigentlichen Einsatzzweck abseits des Hochgebirges ausgelegt sind, registrieren die Fahrer jedes Zugeständnis an die Bedienerfreundlichkeit sehr genau und mit Dankbarkeit. Die Leichtigkeit der Kupplungsbetätigung sowieso, aber auch die geringen Hebelkräfte, mit denen die durchweg imposanten Bremsanlagen vehement verzögern. Dass die Sportler bergab trotzdem längere Bremswege benötigen als die dicken, hecklastigen Tourer, liegt an ihrem strukturell geringeren Gewicht, dem kürzeren Radstand und der dadurch stärker ausgeprägten Überschlagsneigung. Ein ABS, das wie bei der BMW S 1000 RR eventuelle Fehler ausbügelt, wirkt da sehr entspannend. Es regelt zwar etwas harsch, arbeitet aber effizient und zuverlässig. Im Sport-Modus verhindert es selbst bei einer Vollbremsung in steilem Gefälle das Überschlagen nach vorn. Die Modi Race und Slick, in denen nicht nur das ABS höhere Stoppies, sondern die Traktionskontrolle auch stärkere Slides erlaubt, haben in den Alpen nichts verloren. Die Traktionskontrolle stieß selbst im Sport-Modus hin und wieder an ihre physikalischen Grenzen. So geschehen in einer weiten Bergab-Rechtskurve mit rutschigem weißem Kalksplitt-Asphalt. Dort begann die BMW mit kaum angelegtem Gas bei wenig über Leerlaufdrehzahl übers Hinterrad zu rutschen und die DTC konnte keine Leistung zurück­nehmen, weil es eigentlich nichts zurückzunehmen gab. Jedenfalls nicht genug, um den Reifen wieder in den Haftreibungsbereich zu bringen. Fahrer mit wachen Sinnen bleiben gefragt.

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Die Aprilia RSV4 R ist ein Bike, dass eigentlich für die Rennstrecke konzipiert wurde, und zeigt daher erstaunliche Fahrwerks- und Bremseigenschaften. Doch für Reisen in den Alpen ist die Aprilia einfach nicht geschaffen - viel zu unkomfortabel und ein zu unkultivierter Motor lassen die Aprilia nur auf Platz 4 kommen.

Potenziellen Beifahrern gegenüber ringen sich die vier Sportler nur zu einem Minimum an Höflichkeit durch: Sie sagen ihnen nicht direkt ins Gesicht, dass sie unerwünscht sind. Alibi-Soziussitze eröffnen zumindest die theoretische Möglichkeit, jemanden mitzunehmen. Doch wer mehrmals oder länger mitfährt, muss schon schwer in den Fahrer verliebt sein. Nun könnte man die Soziusplätze wenigstens zur Unterbringung eines Minimums an Gepäck nutzen, wenn es irgendwo eine Möglichkeit gäbe, Spanngurte einzuhängen. Die sind – spärlich – nur bei der Suzuki vorhanden, welche in dieser Disziplin wenigstens der Einpunkter unter lauter Nullern wird. Wahrscheinlich reisen die meisten Sportler sowieso per Transporter oder auf dem Hänger ins Gebirge.

Das wäre in Sachen Spritverbrauch mit der Aprilia wahrscheinlich günstiger als die Anreise per Achse. Denn trotz diszipliniert-sparsamer Fahrweise auf der Verbrauchsrunde – die MOTORRAD-Tester waren schließlich zum Arbeiten in den Dolomiten – zog sich die RSV4 glatte sieben Liter auf 100 Kilometer durch die Einspritzdüsen. Wäre es möglich, einen Tank bis auf den letzten Tropfen leerzufahren, käme sie 244 Kilometer weit, in der Praxis bedeutet dies, dass spätestens alle 200 Kilometer ein Tankstopp fällig ist. Rund ein Drittel weniger verbraucht die alltagstaugliche Suzuki, und selbst die BMW, die sonst ebenfalls ein Motorrad von eher robusten Trinksitten ist, bleibt mit 5,3 Litern maßvoll.

Supersportler-Messwerte

   Aprilia
 BMW  KTM Suzuki
Schneller Slalom
Zeit (sek)  21,6  21,1  21,5  21,9
Vmax am Messpunkt (km/h)  107  107  106,8  105,9
 
Kreisbahn, Ø 46 m
Zeit sek  10,6  10,4  10,5  10,6
Vmax am Messpunkt (km/h)  53,4  52,1  53,7  53,3
 
Verbrauch
Testverbrauch Pässe l/100 km  7  5,3  5,9  4,7
Theoretische Reichweite Pässe (km)  244  333  281  361
 
Beschleunigung
0–140 km/h (sek)  4,8  4,4  4,8  4,8
 
Durchzug
Durchzug in 2000 m ü. N. N. 50–100 km/h  7,8  6,8  6,9  8,8
Durchzug im 2. Gang bergauf mit Sozius 25–75 km/h  7,1  6,1  4,9  8
 
Bremsmessung bergab
Bremsweg 75–25 km/h mit Sozius (m )  27,8  25,8  30,5  27,6

Fazit

Es ist nicht nur der starke Motor, der die BMW S 1000 RR zum Sieger dieser Vorrunde macht, sondern auch ihre Ausgewogenheit und ihre elektronischen Helfer. Ebenso verdient erreicht die Suzuki GSX-R 750 Platz zwei. Ihre Alltagsqualitäten sind in den Alpen viel wert. Mit gefälligerer Motorcharakteristik, komfortablerer Federungsabstimmung und einem weniger rustikalen Getriebe würde sich die KTM beim Alpenmasters besser platzieren, die Aprilia bräuchte dafür neben einer besseren Motorabstimmung eine zünftige Rennstrecke.


Details:

Aprilia RSV4 R
Positiv

  • Fahrwerk handlich, spurstabil
  • Bremsen kräftig, gut dosierbar

Negativ

  • Sitzposition extrem, unkomfortabel
  • ABS nicht erhältlich
  • Motor unkultiviert, verbraucht zu viel


BMW S 1000 RR
Positiv

  • Motor der stärkste
  • Sonderausstattungen ABS und Traktionskontrolle im Angebot
  • Schaltung geschmeidig

Negativ

  • Gepäckunterbringung nicht erwünscht
  • Sitzposition wenig alpentauglich


KTM 1190 RC8 R
Positiv

  • Sitzposition bequem, variabel
  • Bremsen kräftig, gut dosierbar
  • Ausstattung reichhaltig, hochwertig

Negativ

  • Motor zu wenig Schwungmasse
  • ABS nicht erhältlich
  • Schaltung krachend, schwergängig


Suzuki GSX-R 750
Positiv

  • Fahrwerk komfortabel abgestimmt
  • Motor kultiviert
  • Verbrauch moderat
  • Handling sehr gefällig

Negativ

  • Motor wegen Hubraumnachteil durchzugsschwach
  • ABS nicht erhältlich

   Max. Punktzahl  Aprilia  BMW  KTM  Suzuki
Gesamtwertung  500  274  318  283  291
Platzierung  4.  1.

 3.

 2.

Die Finalrunde

Gargolov
In den Bergen versammeln sich zum Finale die Sieger aller Kategorien, sowie der Vorjahressieger: BMW S 1000 RR, BMW R 1200 GS, Honda CBF 600, Honda CBF 1000 F, Honda CB 1300 und Suzuki GSX 1250 FA.

Das Finale versprach eine ganz enge Kiste zu werden. Enorm dicht und stark das Feld. Da wollten die Dolomiten nicht nachstehen und spendierten eine dramatische, großartige Kulisse zum Showdown.

Halb sieben morgens. Der erste, verschlafene Blick geht gen Himmel. Und schlagartig verpufft die Müdigkeit. Wo sich tagelang und auch noch am Abend vorher unablässig nieselnd fette Regenwolken drängten, prangt nun blauer Himmel. Der Startschuss für das Finale des Alpenmasters. Schnell die anderen wecken. Eine knappe halbe Stunde später steht die Mannschaft abmarschbereit bei den sechs Maschinen - den fünf Siegern der einzelnen Kategorien und der Titelverteidigerin CB 1300. Das Frühstück muss warten. Der Plan: Zusammen mit den Kollegen aus Spanien, Kroatien und Schweden geht es über fünf Pässe um die Sella-Gruppe herum. Jede Passhöhe wird zur Endstation für ein Bike, dort stimmen die Tester ab, wer aus dem Titelkampf ausscheidet - bis am Ende der Alpen-Master 2010 fest steht.

Gargolov
Nachdem sich am Sellajoch die Honda CBF 600 verabschieden musste, muss nun am Grödner Joch die BMW lebe wohl sagen.

Los geht es, das Sellajoch hinauf, das sich zwischen Langkofel und Sella Gruppe auf über 2200 Meter hinauf schraubt. Erfrischend kühl von der Nacht steht noch die Luft in den Wäldern. Und noch ist Vorsicht geboten. Ständig wechselt der Belag, mal griffig rötlich, mal in den Kurven hell, blankpoliert und, weil noch teils feucht, tückisch rutschig. Was der CB 1300 in einer Biegung beinahe zum Verhängnis wird.

Der sehenswerte Quersteher auf der Anfahrt zum Passo di Sella endet jedoch nicht in zerknittertem Blech. Dafür aber in der Erkenntnis, dass sie wirklich bessere Reifen als den veralteten Dunlop D 220 verdient hätte. Je höher es hinauf geht, desto trockener werden die Straßen, Tempo und Laune steigen.

Das Sechserpack schraubt sich, dicht gedrängt, die Kehren hinauf zur Passhöhe, über die Baumgrenze hinaus. Selbstbewusst mischt die CBF 600 unter den dicken Pötten mit, macht fehlenden Dampf mit kinderleichtem Handling wett. Wedelt unbeschwert und munter mit den Großen um die Wette. Und Sergio Romero hat sichtlich Spaß, in den derben, verwinkelten Passagen die Großen zu jagen. Allein, der Motor muss mächtig gezwiebelt werden, um den Anschluss zu halten, wo die anderen das Drehmoment nur so locker aus den Zylindern schütteln.

So kommt, was kommen muss. Auf der Passhöhe fällt das Votum der Tester eindeutig aus: Als erste muss die kleine Honda die Segel streichen. Jerker Axelsson bringt es auf den Punkt. "Sie ist beim Dreh am Gasgriff wie eine Katze, die du am Schwanz packst: Sie schreit auf, aber nix passiert." "Das Fahrwerk ist superb ausbalanciert, aber nicht nur bei sportlicher Fahrweise muss bergauf oft der erste Gang weit ausgedreht werden", bestätigt Top-Tester Karsten Schwers. "Highsider fast unmöglich, selbst im Nassen gibt es fast nur Vollgas um überhaupt an den anderen dran bleiben zu können. Kann aber auch Spaß machen", grinst Sven. So bekommt sie zwar von allen Bestnoten für das Fahrwerk, die feinen Bremsen und die unbedingte Einsteiger-Tauglichkeit. Mit 4,1 Litern Verbrauch ist sie die sparsamste obendrein. Aber es hilft nix. Mit zwei zu vier Stimmen ist sie als erste draußen. Das Leben ist manchmal hart. Weiter geht es, bergab, in schnellen Bögen Richtung Kreuzboden und dann hinauf zum Grödner Joch. Vorbei an schroffen Felswänden, die wie riesige Festungsmauern aufragen.

Gargolov
Nachdem nun auch die Suzuki GSX 1250 FA und hier die Honda CB 1300 zurückbleiben mussten, bleiben nur noch die Honda CBF 1000 F und die BMW R 1200 GS übrig.

Dass Power aber auch nicht alles ist, zeigt sich auf dem Grödner Joch. "Zwar jede Menge Leistung, aber für die Berge zu spitze Leistungscharakteristik. Und die Sitzposition ist hier zu sportlich", senkt Karsten den Daumen über der S 1000 RR. ABS und DTC sind zwar - besonders wenn der Asphalt mal wieder ansatzlos von griffig auf schmierig wechselt - eine echte Hilfe, aber selbst Ex-Racer Jerker Axelsson gibt kleinlaut zu: "Na ja, für die Berge einfach zu aggressiv." Das straffe Fahrwerk verlangt auf den buckeligen Passagen Nehmerqualitäten. Vor allem bergab. Man fühlt sich wie ein Zehnkämpfer auf Stöckelschuhen. Und mit Sozius-Komfort oder gar Gepäckunterbringung braucht man der BMW gar nicht erst zu kommen. Ist eben ein Vollblut-Racer.

Vier der sechs Tester stimmen gegen die BMW. Damit hat das stärkste Motorrad bereits an der zweiten Station Feierabend. Weiter geht es durch ein Talbecken Richtung Corvara, am Fuß des Sassongher-Massivs, dann weiter über St. Kassian, das direkt vor der imposanten Felswand der Cunturines-Spitze liegt. So der Plan. Aber noch einmal fallen die düsteren Regenwolken über uns her und öffnen nach allen Regeln der Kunst ihre Schleusen.

Jetzt sind Grip, lockere Sitzposition, fein und kontrolliert abrufbare Leistung gefragt. Und Rückmeldung von der Fahrbahn. R 1200 GS und CBF 1000 F rauschen selbstbewusst vorneweg. Sven auf der CB 1300 und Kristijan mit der GSX 1250 drosseln merklich das Tempo. Vor allem die Dunlop D 220 auf der CB 1300 und die Bridgestone BT 21 der Suzuki erweisen sich nicht gerade als begnadete Regentänzer. "Mensch, das ist doch die Gelegenheit, mal ne anständige Pause zu machen", knurrt Karsten. Spitzen-Idee. Zumal nicht nur die Mägen, sondern auch die Tanks leer sind. Und die Tankstellen haben ohnehin Mittagspause. Einige Portionen Pasta, Insalata und Espressi später sieht es draußen noch immer nach Weltuntergang aus. Der Versuch, die Maschinen mit Regenschirmen zu bestücken, wird erfolglos abgebrochen. Dann also im Regen weiter, hinauf zum Passo di Valparola. Auf der Passhöhe erinnert das alte österreichische Sperrfort Tre Sassi, jetzt ein Museum, daran, dass der Pass im ersten Weltkrieg Teil der Dolomitenfront war. Den Regen beeindruckt das wenig. Hier verabschiedet sich die Suzuki GSX 1250 F aus dem Wettstreit. Einstimmig. Die Fahrt hinauf zum 2192 Meter hohen Pass hat die Tester überzeugt: Der drehmomentstarke Motor ist zwar eine Wucht. Doch in Sachen Fahrwerk markiert die GSX das Schlusslicht der verbliebenen Vier.

"Sie will einfach nicht neutral einlenken, ständig stört ein Aufstellmoment", fasst Karsten zusammen. "Für das Vorderrad bekomme ich hier einfach kein Gefühl, und die Bremse ist echt stumpf", mault Jerker. Sergio und Kristijan nicken. "Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Suzuki von Jahr zu Jahr schwerer wird, Honda zeigt, dass es viel einfacher geht", legt Kristijan nach. Damit ist es beschlossen: Zweimal Honda - CB 1300 und CBF 1000 F - sowie die BMW R 1200 GS bleiben übrig.

Gargolov
Im letzten Zweikampf BMW R 1200 GS gegen Honda CBF 1000 F konnte sich die BMW klar durchsetzen und den Sieg der Alpen-Masters 2010 erringen.

Auf dem Weg hinab Richtung Cortina d‘Ampezzo versiegen die Wolken. Endlich. Gerade rechtzeitig, um die weit geschwungenen wie die engen, trickreichen Biegungen hinauf zum Passo di Giau zu genießen. Weshalb die CB 1300 Titelverteidiger und noch immer im Rennen ist, wird spätestens hier klar. "Der kultivierte,extrem durchzugsstarke Motor, der macht‘s. Auch die Sitzposition, überdurchschnittlich gut", schwärmt Karsten. "Klasse Balance", "eine absolut positive Überraschung, jetzt verstehe ich, warum sie voriges Jahr gewonnen hat", sind auch Sergio und Jerker beeindruckt. "Ja, aber die größte Konkurrenz kommt aus dem eigenen Haus", gibt Kristijan zu bedenken. Eben. Die CBF 1000 F kommt zwar nicht an die fulminanten Durchzugswerte der CB 1300 heran, aber mit 160er-Hinterreifen, ausgesprochen überzeugenden Bridgestone BT 56, fein abgestimmten Federelementen und niedrigerem Gewicht fährt sie noch souveräner, geschmeidiger. Und die BMW ist der CB 1300 in puncto Handling und Fahrleistungen gar gewachsen. So muss sich der Titelverteidiger der R 1200 GS und der 1000er-CBF beugen, die auf dem Weg über Arabba und das Pordoijoch das Rennen unter sich ausmachen.

Das Pordoijoch, 33 Kehren innerhalb von acht Kilometern hinauf, auf der anderen Seite 27 Tornanti wieder hinab. Kurven, bis einem schwindelig wird. Und es bahnt sich eine ganz knappe Entscheidung an. Die Honda macht einfach eine klasse Figur, ist fast so kinderleicht zu fahren wie die CBF 600, hat aber genug Druck und ein feinfühliges ABS. "Die BMW ist für meinen Geschmack mit ihren langen Federwegen zu viel Enduro, zu viel Bewegung im Fahrwerk", gibt Sven aus der Sicht des Sportlers zu bedenken. Aber auch er muss anerkennen: "Beängstigend, wie schnell man damit fahren kann, vor allem im Regen." Die Metzeler Tourance sind eine Bank. Und alle, die es geruhsamer lieben, besonders Freunde mächtiger Motoren, freuen sich an dem ungemein durchzugsstarken, dennoch drehfreudigen Boxer. Dem komfortablen, gleichwohl stabilen Fahrwerk, das im Schulterschluss mit ABS, ESA und Traktionskontrolle enormes Vertrauen einflößt. Ob allein oder zu zweit, Asphalt oder Schotter, sie legt in der aktuellen Ausbaustufe überall die Messlatte ein Stückchen höher als die anderen. Dennoch wird es beim Abstimmen knapp.

Die Vorstellung der CBF war eben richtig stark. Doch letztlich geht aus dem Kopf-an-Kopf-Rennen die BMW mit vier zu zwei Stimmen als Sieger hervor. Die CB 1300 hat im Endspurt mit der GS einen würdigen Thronfolger gefunden.

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