Auf Achse mit der Müller-Yamaha XS 400T

Auf Achse mit der Müller-Yamaha XS 400T Eine Mischung aus XS und XT

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Schon die alten Engländer vereinten Stollenreifen und Reihentwins zu aufregenden Geländegeräten. Hätte Yamaha in den 70ern auch gekonnt, beweist ein schlankes XS-XT-Zwitterwesen. Eine Ausfahrt mit der Müller-Yamaha XS 400T.

Eine Mischung aus XS und XT Fred Siemer
16 Bilder

Eigentlich schraubt Meinold Müller ebenso brav wie begnadet an Yamahas klassischen Halbliter-Singles XT und SR 500 herum. Er tut das in einem netten Weiler am Weserufer, der zwar nicht unbedingt weltentlegen genannt werden möchte, aber auf Fremde so wirkt. Weil die B 83 an Blankenau elegant vorbeikurvt, verströmt die Dorfstraße beinahe altmodische Ruhe und kann gemächlich überquert werden, wenn zweimal wöchentlich vor Müllers Motorradladen der Bäckerwagen parkt. Aufgrund dieser zentralen Versorgungsfunktion kriegt natürlich jeder mit, was Meinold da eigentlich treibt. Selbst der Revierförster, und anlässlich eines Broterwerbs folgerte der Grünrock denn auch messerscharf, dass so eine XT 500 bestens tauge, um Mann, Dackel und Gewehr gemütlich an den Hochsitz zu karren.

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Wenn da nicht die Start­prozedur wäre

Dieses Kicken, Kicken, ­Kicken, vor allem in warmem Betriebs­zustand. Und nein, er wollte auch nicht glauben, das sei einfach nur Gewöhnungssache. Darüber konnte Meinold zunächst nur den Kopf schütteln. Dann dachte er nach – und musste wieder schütteln: Irgendwie hatte dieser Waidmann doch recht, der eine Enduro einfach als praktisches und komfortables Arbeitsgerät nutzen wollte. Ohne E-Starter? Auch viele Frauen und andere nicht männer­tümelnde, aber freiheitsliebende Menschen hätten so was garantiert begrüßt. Yamaha hatte mit der Fixierung auf anzukickende Einzylinder echt einige Kunden liegengelassen. Ohne Not. Den sichtbaren Beweis würde er über das Winterhalbjahr 2012/ 2013 bauen. Nur mal so, aus Spaß.

Gegenläufer überzeugt mit ordentlichem Antritt

Als Antrieb einer freundlichen Enduro bot sich der ohc-Twin aus Yamahas 70er-Jahre-Mittelklasse an. Dieser 360, ab 1978 dann 400 cm³ große Gegenläufer überzeugt mit ordentlichem Antritt, dreht tapfer – nicht übermütig – an die 9.000 Touren hoch und besticht mit unerschütterlicher Robustheit. In Deutschland leistete er grundsätzlich 27, andernorts sorgte eine andere Nockenwelle für respektable 38 PS. Auf jeden Fall genug, um ein leichtes Wandermotorrad anzutreiben. Schnell fand sich eine zerlegte, billige XS 400, im eigenen Fundus lag sogar noch eine „scharfe“ Nockenwelle herum. „Im XS 400-Cup ­hatten die Motoren natürlich offene Leistung“, erzählt Meinold, „da kommt das Ding her.“ Na dann: Rund um das Ding baute er den innerlich überraschend gut erhaltenen Motor komplett neu auf und lackierte ihn mattschwarz. Dann kehrte das Triebwerk zurück in die vertraute Schleife des XS 400-Rahmens. Das angeschweißte und leicht modifizierte Rahmenheck jedoch steuerte eine Unfall-XT 500 bei, weshalb dann auch deren Kot­flügel, Sitzbank und Seitendeckel montiert werden konnten.

Look der 78er-XT

Die ebenfalls leicht modifizierte XT-Schwinge stützt sich wie gewohnt mittels zweier Federbeine ab, vorne arbeitet eine originale XT-Gabel, und selbstverständlich stammen Räder nebst Bremsen ebenfalls aus der Enduro. Die Elektrik – 12 Volt, na klar – wurde neu gestrickt, zum Schluss kam ein XS-Tank oben drauf. „Von der 360er, der ist noch etwas schmaler als von der 400er“, verrät Meinold. Lackiert hat er das Teil im Look der 78er-XT, und weil obendrein selbst Instrumente, Spiegel, sogar das Zündschloss jenen der Enduro entsprechen, sieht das Endergebnis irritierend serienmäßig aus. In Meinolds Showroom jedenfalls, umringt von vielen XT 500 aller Jahrgänge, fällt der von ihm XS 400T getaufte Zwitter keinesfalls aus dem Rahmen. „Die meisten merken gar nicht, dass die was Besonderes ist“, grinst der Erbauer. Manche schon, darunter der ­damalige Yamaha-Gebietsvertreter. „Was hast‘de da denn stehen“, wollte er von Meinold wissen. Der lässt ja nichts aus und hat ungerührt geantwortet: „Na, siehst du doch: ‘ne Zweizylinder-Enduro. Die gab‘s nur in Amerika.“ Sein Besucher kratzte sich verdutzt die Stirn, da schob Meinold nach: „Nur‘n paar Jahre, so Ende der 70er.“ Die Erleichterung war dem Yamaha-Profi anzusehen: „Okay, das war vor meiner Zeit.“

Kleine Anpassungsprobleme, leicht zu ändern

Dem Mann sei verziehen, denn selbst der um einen linken Bogen ergänzte ­XT-Krümmer – „Irgendwie die heikelste Übung bei der Sache“ – ist Meinold Müller bravourös gelungen. Neben dem rechten Zylinderfuß vereinen sich die beiden elegant geführten Rohre und münden dann im normalen XT-Endtopf. „Jetzt mach mal an“, drängelt der Chef, und da, endlich, offenbart sich doch ein verräterisches ­Detail. Der Starterknopf ist ein umfunk­tionierter Engine-stop-Schalter aus einem Roller. Trotzdem springt Meinolds Yamaha XS 400T natürlich sofort an – elektrisch! Brav und sonor blubbert sie vor sich hin. Aufsitzen. Die Rasten liegen etwas höher als bei der XT 500, der Schalthebel etwas zu dicht ­davor. Kleine Anpassungsprobleme, leicht zu ändern.

Sechs Gänge bietet das prima Getriebe an

Der Erste rastet sauber ein, leichtgängig heben die beiden Mikunis ihre Schieber. Und dann? Überraschung...!!! Das klingt nämlich nicht langweilig. Und zwar keineswegs nur wegen der montierten K&N-Luftfilter. Nein, dieses kernige und rasch anschwellende, dabei nie lästige Twin-Gestampfe passt prima zu Breit­lenker und Stollenreifen. Nicht so fetzend kämpferisch wie bei den englischen Gleichläufern, dennoch mutig. Aufgeregter jedenfalls als der XT-Single. Schon muss der Zweite rein, Dritter, Vierter. Ausrollen aus Blankenau. Schnell rauf auf die umliegenden Höhen. Sechs Gänge bietet das prima Getriebe an, der letzte taugt bei der hier gewählten Übersetzung nur für die Ebene und für Gefälle, am besten, man lässt die Stollen-XS einfach im Vierten und Fünften laufen. Klar, sie braucht höhere Drehzahlen als eine XT, mehr Schaltvorgänge. Runde zehn Newtonmeter weniger Drehmoment fordern ihren Tribut und verlangen eine andere Art, mit dem Motorrad zu wandern. Etwas zugewandter, wacher. Oder fehlt nur die Übung? Der Single ist direkter, meldet mit unwirschem Ruckeln, wenn er einen tieferen Gang braucht, mit wirkungslosem Hecheln, wenn nach oben nichts mehr geht. So ein kleiner Reihentwin dagegen, der schnurrt immer, im Drehzahlkeller wie im Oberstübchen, schiebt aber unter 4.000/min nicht wirklich den Berg rauf.

Handling und Komfort auf gehobenem Niveau

Dafür muss das Gefühl erst wachsen. Als es sich einstellt, drei, vier Hügel später, herrscht die reine Leichtigkeit. XT-Fahren eben, trotz der zehn, fuffzehn Kilo Mehrgewicht. Nicht mehr, als man braucht, und darum so verdammt viel. Handling und Komfort auf gehobenem Niveau, Bremsen: na ja, Geradeauslauf: dito. Na und? Das flutscht alles und macht Laune, und dann, nach dem Ampelstart,  zack, bleibt der Motor stehen. Na und? Ein Druck auf den Roller-Killschalter, schon geht es weiter. Bald gerät Blankenau wieder ins Visier. „Na? Und?“, will Meinold wissen. Die Antwort fällt nicht schwer: Waidmannsdank für die prima Idee. Aber unten ­etwas mehr Druck, bitte. „Ja“, frohlockt der Meister, „so mit XS 650-Motor, ne? Hab ich auch schon dran gedacht.“ Selten ging eine Versuchsfahrt einvernehmlicher zu Ende. Sogar die Frage, was den Förster aktuell zum Jagen trägt, konnte noch zufriedenstellend beantwortet werden. Eine SR 400. Mit Kickstarter. „Aber auch mit elektronischer Zündung. Die kriegt jeder an.“ Sagt Meinold.

Technische Daten Yamaha XS 400T

Yamaha XS 400T

Motor: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt­motor, je zwei im Kopf hängende Ventile pro Brennraum, über eine obenliegende Nockenwelle und Kipphebel betätigt, zwei 34er-Mikuni-Vergaser, zwei K&N-Luftfilter, Eigenbau-Zwei-in-eins-Krümmer, Yamaha XT 500-Endschalldämpfer, Nasssumpfschmierung,  391 cm³, ca. 38 PS bei 8500/min, ca. 32 Nm bei 7500/min

Antrieb: Primärtrieb über Zahnräder, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Sekundärtrieb über Kette

Fahrwerk: Einschleifenrahmen aus Stahlrohr mit gegabeltem Unterzug, Hauptrahmen von Yamaha XS 400, angepasster Heckrahmen von Yamaha XT 500, vorn XT 500-Telegabel, hinten angepasste XT 500-Zweiarmschwinge aus Stahlrohr mit Federbeinen, Reifen vorn 3.00 x 21, hinten 4.00 x 18 auf Leichtmetall-Flachschulterfelgen, Simplex-Trommelbremsen, vorn Ø 160 mm,  hinten Ø 150 mm

Maße und Gewichte: Tankinhalt 11 l, ­Trockengewicht zirka 165 kg

Kontakt: www.motorrad-mueller.net

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