Es weht derzeit ein scharfer Wind bei den Mittelklasse-Reiseenduros. Angefacht vom Erfolg der Honda Africa Twin, setzt BMW mit der F 850 GS (Fahrpräsentation Anfang März), KTM mit der 790 Enduro (Modellvorstellung 2019) und jetzt auch Triumph mit der Tiger 800 die Segel. Insgesamt 200 Teile haben die britischen Techniker an ihrer Raubkatze geändert – auch wenn bei dieser Summe sicherlich jede geänderte Unterlagscheibe mitgezählt sein dürfte.
In zwei Versionen ab 10.700 Euro
Die wichtigsten Änderungen:
Motor: Ansprechverhalten optimiert, erster Gang kürzer übersetzt
Fahrwerk: Gabel in Zug- und Druckstufe einstellbar, Lenker 10 mm weiter hinten montiert, Vorderbremse von Brembo statt Nissin, Windschild in 5 Positionen arretierbar
Sonstiges: TFT-Display, LED-Scheinwerfer, Lenkerschalter hinterleuchtet, Sitzbankform geändert, Schalldämpfer kleiner
Viel Augenmerk verwendeten Techniker und Designer auch auf das neue Bodywork, welches mit hohem Qualitätsanspruch und gefälligerer, dabei immer noch charakteristischer Gestaltung überarbeiten wurde.
Die bedeutendsten Neuerungen sind jedoch technischer Natur: Antiblockiersystem und Traktionskontrolle (beide abschaltbar) sowie ein elektronischer Gasgriff mit Tempomat bilden laut Hersteller ein Gesamtpaket für geschmeidiges und sicheres Fahrerlebenis. Tempomat, Heizgriffe, höhenverstellbare Sitzbank und Bordsteckdosen (USB und 12V) sorgen dabei für den Reisekomfort.
Die Spreizung des Angebots soll alle Kundenansprüche abdecken. Triumph bietet die Tiger 800 in einer XC-Version mit Drahtspeichenrädern (21-Zoll-Vorderrad, Speichenräder und WP Suspension-Federelemente mit 40 mm längeren Federwegen) , also offroadiger Grundhaltung an. Außerdem ist eine auf den Straßenbetrieb optimierte XR-Variante mit Gussrädern (19-Zoll-Vorderrad. Gußfelgen und Showa-Federung) erhältlich.
Die Preise: XR-Modelle: 10.700 – 14.050 Euro; XC-Modelle 13.150 – 14.550 Euro; jeweils plus 450 Euro Nebenkosten
Auf der Straße mit der XR
Der geschmeidige Dreizylinder-Motor, eine komfortabel abgestimmte Federung und ein guter Windschutz – das waren bislang die Stärken der Tiger 800. Und das sind sie auch nach dem Facelift. Nur Kenner werden im direkten Vergleich das spritzigere Ansprechen bemerken. Charakterbestimmend bleibt nach wie vor der seidig vorandrückende Drilling, der selbst im schärfsten der fünf Fahrmodi kinderleicht kontrollierbar bleibt. Nach akzentuierter – aber kaum lauter – faucht der Drilling aus dem neu aufgebauten Schalldämpfer.
Mit viel Druck auf der Front zieht die in Thailand gebaute Britin auf Asphalt eine blitzsaubere Linie. Besser als bislang: die nun in Zug- und Druckstufe justierbare Showa-Gabel, die mit ausreichend breitem Einstellbereich für jeden Geschmack die richtige Abstimmung bereithält. Ebenfalls besser: Das vergrößerte Windschild, das sich mit einer Hand während der Fahrt in fünf Stufen variieren lässt und auch bei Highspeed sehr guten Windschutz bietet. Und die neue Brembo-Bremse? Passt zum sanften Charakter der Tiger. Zart und gut dosierbar zwicken die Beläge in die Scheibe, verlangen aber bei schärferer Gangart etwas kräftigeren Zug am Handhebel. Unterm Strich: Die Zähne des Tigers sind etwas schärfer geworden, charakterlich ist sich die Raubkatze aber treu geblieben. Gut so.
Im Gelände mit der XC
Hatte die Tiger bislang eine Schwäche? Ja. Mit schwerer Front und mäßigem Handling lagen der 800er der Geländeabstecher eher weniger. Und nun? Wurde aus dem Volkswanderer auch kein Freeclimber. Die Front schiebt trotz 21-Zoll-Vorderrad im tiefen Geläuf immer noch zur Kurvenaußenseite, lässt den Piloten respektvoll mit der vollgetankt rund 240 Kilo schweren Maschine umgehen. Immerhin: Auf mittelschwerem Terrain – sicherlich das Spielfeld bei gelegentlichen Offroad-Abstechern – macht die Triumph ihre Sache ordentlich. Erstens, weil der sanfte Motor sich im Geholper erstklassig dosieren lässt. Vor allem aber weil zweitens, Gabel und Federbein von WP Suspension nicht nur fein ansprechen sondern auch harte Kanten ohne Durchzuschlagen wegstecken und viele Reserven bieten. Eine klare Verbesserung. Und drittens, weil die Elektronik dem Dompteur die freie Wahl lässt. Im Offroad-Modus bleibt das ABS im Vorderrad noch aktiviert, im neuen Offroad Pro-Setting haben sämtliche elektronischen Assistenzsysteme Urlaub.
Nebenbei bemerkt: Die Tiger XC schlägt sich auch auf der Straße hervorragend. Mit dem 21-Zoll-Vorderrad wirkt sie weniger frontlastig, mit besagt sensiblem WP-Fahrwerk federt sie komfortabler. Unterm Strich ist sie der wahre Allrounder - und letztlich die bessere Wahl.