Kultbike Yamaha PW 50
Raus aus der Windel, rauf aufs Moped!

Yamaha PW 50! Vergessen Sie das ganze Theater um vermeintliche Motorrad-Ikonen. BMW R 90 S, Honda CB 750 Four, Kawasaki Z 900 - alle nett, aber nicht wirklich von Belang. Das einzige Zweirad, das für unsere Szene (überlebens)wichtig ist, stammt von Yamaha.

Raus aus der Windel, rauf aufs Moped!
Foto: Holzäpfel

Man wird nass, versaut sich die Frisur und kann nicht anständig Musik hören. Vom störungsfreien Handybetrieb mal ganz zu schweigen. Warum also sollte ein 16-Jähriger seine Motorisierungskarriere ausgerechnet mit einem Zweirad starten? Eben. Dann erzählt ihm der leicht übergewichtige, in albernen Textilklamotten steckende und von einem megapeinlichen Klapphelm gekrönte Vater auch noch, dass es nichts Schöneres als Motorradfahren gibt.

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Yamaha PW 50 mit Automatik statt Schaltgetriebe

Damit ist die Sache für den Nachwuchs garantiert komplett uninteressant. Und damit geht wieder frisches Blut für unsere ums Überleben kämpfende Szene verloren. Logische Konsequenz: Wir müssen den Nachwuchs früher fürs Motorrad begeistern. Sehr viel früher. Am besten in einem Alter, in dem die Blagen noch extrem neugierig sind und ihre Eltern noch eine gewisse natürliche Autorität besitzen. Trotz peinlicher Motorradklamotten. Also so im Alter von zirka drei Jahren. Raus aus der Windel, rauf aufs Moped - nur so kann das klappen, und das hatte Yamaha schon vor über 30 Jahren kapiert und die Yamaha PW 50 gebaut.

Natürlich gab es auch schon vor 1980, dem Jahr, in dem ein Prototyp der Yamaha PW 50 auf der Kölner IFMA zu bestaunen war, Motorräder mit kleinen Rädern für Menschen mit kurzen Beinen, man denke nur an die legendäre Honda Monkey. Doch so konsequent wie Yamaha hatte bis dahin noch kein anderer Hersteller das Thema Kindermotorrad angegangen: Automatik statt Schaltgetriebe, damit die Kurzen sofort ihr Erfolgserlebnis haben und sich voll aufs Fahren konzentrieren können; Kardan statt Kette und keine Drahtspeichenräder, damit im Sturzfall keine kleinen Finger oder Füße gefährdet sind und der Wartungsaufwand minimal ausfällt; Kick- statt Seilzugstarter, damit es der Nachwuchs von Anfang an richtig lernt; Getrennt- statt Gemischschmierung, damit es keine Ölpanscherei gibt, wenn der Zwei-Liter-Tank mal wieder leer ist.

Sicher, wartungsarm, robust und kräftig

Der stufenlos einstellbare Gasgriffanschlag erlaubt es Mutti oder Vati, die Höchstgeschwindigkeit kindgerecht zu begrenzen; eine Sicherheitsschaltung verhindert beim Starten, dass sich die 39-Kilo-Fuhre ungewollt in Bewegung setzt; und der Auspuff trägt einen wirksamen Hitzeschild. Doch der anfangs für 1132 Mark verkaufte Winzling war und ist nicht nur besonders bedienungsfreundlich, sicher und wartungsarm. Der kleine Flitzer ist vor allem auch unglaublich robust und überraschend kräftig. Eine Yamaha PW 50 bekommt ein Kind allein praktisch nicht kaputt. Kein Wunder also, dass die Yamaha von Generation zu Generation weitergereicht werden kann, ohne dass größere Reparaturen fällig wären. Das gilt übrigens für alle PW50-Baujahre, die Konstruktion ist seit der Erstauflage nahezu perfekt. Was auch erklärt, dass sich Yamaha Modellpflegemaßnahmen sparen konnte: Ganz leicht modifizierte Kunststoffteile, etwas stärker verschalte Scheibenräder, seit 1998 eine hydraulische Öldämpfung für den rechten Gabelholm - mehr gabs nicht an Änderungen.

Holzäpfel
Die Erstauflage im Jahr 1981 kostete 1132 Mark. Die aktuelle Yamaha PW 50 kostet 1750 Euro.

Die typische PW 50-Nutzungszeit ist die Kindergartenphase, also das Alter von drei bis sechs Jahren. Genauso typisch ist aber auch, dass es die Väter meist nicht lassen können, selbst einmal mit dem Minicrosser durchs Gelände zu toben. Übers eingezäunte Privatgelände natürlich, denn Yamahas Kleinste ist nicht für den Straßenverkehr zugelassen. Zumindest innerstädtisch hätte sie dabei aber durchaus Überlebenschancen, denn der membrangesteuerte Zweitakter ermöglicht mokickmäßige Fahrleistungen, echte 40 km/h sind locker drin. Vorausgesetzt, die im Auspuff steckende Reduzierblende geht schnellstmöglich den Weg alles Weltlichen, und der Gasgriffanschlag erlaubt das volle Programm. Am meisten Spaß macht das höhenmäßig irgendwo zwischen Dackel und Bernhardiner angesiedelte Gefährt aber im Gelände. Zugegeben: Die Bodenfreiheit  ist nicht gerade üppig, aber dafür gehen die Federelemente auch nicht sofort in die Knie, wenn ausnahmsweise mal 70 statt 30 Kilo Fahrergewicht in 485 Millimeter Höhe sitzen. Was eine PW 50 so alles wegschleppen kann, konnte man ab 1983 ganz besonders deutlich sehen, denn zu dieser Zeit tauchten einige Yamaha PW 50 als Gespanne auf.

Yamaha PW 50 macht aus Kindern Motorradverrückte

Die Yamaha PW 50 hat durchaus sportliches Potenzial. Und das wurde besonders in den 90er-Jahren auch kräftig genutzt. Im Yamaha PW 50-Cup zeigten sich die zukünftigen Motocross-Stars die Milchzähne. Das ging sogar so weit, dass es die rasenden Zwerge im Rahmenprogramm von Supercross-Veranstaltungen fliegen ließen. Doch nicht nur Offroader lernten auf der Yamaha das Fahren. So mancher heute sehr erfolgreiche Straßenrennfahrer war ganz am Anfang seiner Karriere Yamaha-Fahrer.

Aber das Fernziel muss gar nicht mal Motorradweltmeister lauten, um einen Grund zum PW 50-Kauf zu haben. Es genügt eigentlich schon, dem Nachwuchs so früh wie irgend möglich zu zeigen, was im Leben wirklich Spaß macht. Und das ganz ohne Druck, denn bislang hat es eigentlich noch jede Yamaha PW 50 von allein geschafft, aus Kindern Motorradverrückte zu machen. Ein Erfolg, den man gar nicht hoch genug bewerten kann. Danke, Yamaha!

Details

Yamaha
Automatikgetriebe und Kardanwelle- eine perfekte Kombination, weil bedienungsfreundlich, sicher und wartungsarm.

Daten: Luftgekühlter Einzylinder-Zweitaktmotor, 49 cm³, 2 kW (2,7 PS) bei 5500/min, 3,83 Nm bei 4500/min, Automatikgetriebe, Pressstahlrahmen, Gewicht vollgetankt 39 kg, Sitzhöhe 485 mm, Reifen vorne 2.50-10, hinten 2.50-10, Tankinhalt 2 Liter, Höchstgeschw. zirka 40 km/h (drosselbar über Gasanschlag)

Literatur: Der erste und einzige Test in MOTORRAD steht in der Ausgabe 3/1981; im sehr empfehlenswerten Standardwerk „Yamaha“ von Koenigsbeck/Schneider/Abelmann (Schneider Text Editions, 2004, um 40 Euro) ist ein eigenes Kapitel den Minirennern gewidmet.

Spezialisten: Die Yamaha PW 50 wird immer noch neu und technisch nahezu unverändert von Yamaha verkauft, die Ersatzteilbeschaffung ist entsprechend einfach. Tuningteile und Zubehör sind z. B. beim US-amerikanischen Anbieter www.peewee cycle.com zu finden. Stützräder ab 89 US-Dollar gibt es unter www.e-z-ride.com

Marktsituation: Die meisten Yamaha PW 50 wechseln - wenn überhaupt - im Freundes- und Bekanntenkreis den Besitzer, sie ist ein typisches „Erbstück“. Auf dem freien Markt werden selbst für 15 Jahre alte Exemplare noch mindestens 500 Euro verlangt - und gern gezahlt. Das Gros des übersichtlichen Gebrauchtangebots bewegt sich zwischen 750 und 1000 Euro.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023