Leidenschaft trifft auf modernste Technik. Bei BMW ist das seit 90 Jahren so. Dabei wären die Motorräder ohne eine Meinungsverschiedenheit vielleicht nie entstanden.
Leidenschaft trifft auf modernste Technik. Bei BMW ist das seit 90 Jahren so. Dabei wären die Motorräder ohne eine Meinungsverschiedenheit vielleicht nie entstanden.
Im Grunde genommen beginnt die Geschichte des BMW-Motorrads schon viel früher als vor 90 Jahren, nämlich als ein gewisser Max Friz am 2. Januar 1917 bei BMW in München anheuerte. Der 33-jährige Diplom-Ingenieur hatte zuvor wegen Meinungsverschiedenheiten mit seinem Chef Paul Daimler seinen Job in Stuttgart gekündigt. Für BMW sollte sich das noch als äußerst vorteilhaft herausstellen. Denn als sich nach dem Verbot des Baus von Flugzeugen und Flugmotoren durch den Versailler Vertrag am 28. Juni 1919 die Existenzfrage für die Marke stellte, hatte eben jener Herr Friz die zündende Idee für die Rettung des Werkes.
Er baute ein Motorrad, für das er einen Boxermotor mit zwei quer zur Fahrtrichtung angeordneten Zylindern erfand. Und an Stelle des üblichen Kettenantriebs übernahm bei der ersten BMW bereits eine Kardanwelle die Kraftübertragung zum Hinterrad. Die Besucher auf der Automobilausstellung in Berlin scharten sich am 28. September 1923 begeistert um den ausgestellten Neuling, der nun endlich offiziell das Licht der Welt erblicken durfte und auf den Namen BMW R 32 getauft wurde. Dabei konnte das Baby längst schon laufen. Friz hatte die BMW R 32 ein knappes halbes Jahr zuvor nämlich schon dem ultimativen Test unterzogen und es bei der „Fahrt durch Bayerns Berge“, einer Zuverlässigkeitsprüfung des Automobilclubs München, durch die Gegend gescheucht.
Zwei Jahre später kam die BMW R 37 auf den Markt, die dank ihres Alu-Zylinderkopfs mit hängenden Ventilen schon eine von 8 auf 16 PS verdoppelte Leistung hatte, ebenso wie der erste Einzylinder BMW R 39.
Von Beginn an legte BMW auch auf der Rennstrecke los. Alles, was dort tadellos funktionierte, konnte für den Alltagsgebrauch nur mehr als gut sein. Als Josef Stelzer 1925 auf der BMW R 39 die Deutsche Viertelliter-Klasse für BMW gewann, blieb das wie alle anderen Erfolge nicht ohne Wirkung. Die Verkaufszahlen für BMW-Motorräder schossen in die Höhe und in München klingelte die Kasse. Die Auslieferungen stiegen vom ersten vollen Produktionsjahr 1924 innerhalb von vier Jahren von 1640 auf 5680 Einheiten an.
Für eine Revolution sorgte 1934 der Auftritt der Modelle BMW R 12 und BMW R 17. Den Fachleuten fielen fast die Augen aus dem Kopf. Die 750 ccm-Boxer standen mit einer hydraulisch gedämpften Teleskopgabel als Vorderradführung auf der Bühne. Erstmalig hatte sich ein Hersteller an das Thema herangetraut. Zudem hatten beide Motorräder einen modern gestalteten Pressstahlrahmen statt des bisher gelöteten Rohrrahmens. Der gab ihnen ein wuchtiges Aussehen und zeugte von Stabilität. Man sprach von der „Deutschen Schule des Motorradbaus“.
Vor allem die BMW R17 zehrte davon. Mit 33 PS und Höchsttempo 140 gehörte sie zu den damals stärksten und schnellsten Motorrädern weltweit. Die Produktionszahlen von BMW erreichten neue Bestmarken. Noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kamen die Bayern auf über 100 000 Einheiten.
Nach dem Krieg und der Demontage der Werksanlagen in München, Berlin und Eisenach schien BMW vor dem Aus zu stehen. Nur durch Reparaturarbeiten für die amerikanische Armee und die Herstellung von Kleinigkeiten für den täglichen Bedarf hielt sich der Betrieb über Wasser. Mit vereinten Kräften gelang es dennoch, dass es Ende der 40er-Jahre wieder vorwärts ging. Obwohl alles neu aufgebaut werden musste, Entwicklung wie auch Fertigung, verließ 1948 mit der Einzylinder-BMW R 24 das erste Nachkriegsmodell das Werk in München. Mit dem robusten 12 PS-Motor war der erste Schritt in eine neue Ära gemacht.
Ab 1950 wurden auch wieder Zweizylinder-Boxer produziert. Die BMW R 51/2 basierte auf dem Motor der R 5 von 1936, war aber gründlich mit Neuerungen wie einem gemeinsamen Ölkreislauf für beide Zylinder und schräg montierten Vergasern aufgepeppt. Furore machte die BMW R 68. Mit der Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h galt sie als Topmodell der 50er-Jahre. Sie wurde als „100-Meilen-Renner“ betitelt. BMW meldete sich mit ihr auf der IFMA 1951 zurück und avancierte wieder zur Messlatte im internationalen Motorradbau.
1955 feierte in den Modellen BMW R 50 und BMW R 69 das Vollschwingen-Fahrwerk Premiere. Was bedeutete: Statt Teleskopgabel und Geradwegfederung führten eine geschobene Langschwinge vorn und eine Zweiarmschwinge hinten die Speichenräder. Die Motorradfahrer erlebten damit einen zuvor unbekannten Fahrkomfort. Es war überwältigend. Und bei BMW klingelte es wieder in der Kasse.
In den 60er Jahren wurde mit der BMW R 50 S sowie der BMW R 69 S das sportliche Profil der Marke geschärft. Beide Motorräder verfügten dank deutlich höherer Verdichtungsverhältnisse, angepassten Steuerzeiten und Ventilhüben sowie größerer Schiebevergaser nicht nur über mehr Leistung und Drehmoment, sondern auch über einen hydraulischen Lenkungsdämpfer. Die Sitzbank hielt Einzug und verdrängte den ausgedienten Schwingsattel. Für BMW waren die 60er dank Aufschwung im Automobilbau goldene Jahre. Die Motorräder sind nun nicht mehr nur auf den Straßen in Europa zu sehen, sondern erobern auch die Highways in Amerika.
Das Wirtschaftswachstum hatte aber auch andere Seiten. Autos kamen immer mehr in Mode, Motorradfahren entwickelte sich zurück zum Hobby. Die Zeiten hatten sich grundlegend geändert. Also musste auch BMW handeln. Zuerst wurde 1966 die Produktion der Einzylinder-Modelle eingestellt und 1969 verlagerte BMW seine komplette Motorradfertigung von München nach Berlin-Spandau. Das Werk gehörte BMW schon seit 1939. Früher waren dort Flugzeugmotoren wie die Triebwerke der legendären JU 52 gebaut worden. Dass jetzt der Motorradbau anlief, war ein Meilenstein in der BMW-Geschichte. Nur die Bereiche Entwicklung und Erprobung sind seither in der BMW-Zentrale in München angesiedelt.
Mit dem Umzug nach Berlin ging eine völlig neue Modellreihe an den Start. Noch im Herbst 1969 rückte BMW die ersten Exemplare der Baureihe /5 heraus. Spitzenmodell wurde die BMW R 75/5 mit Gleichdruck-Vergaser und E-Starter. Mit 175 km/h Spitze ging es flott vorwärts, genauso wie im Verkauf. Bis 1973 wurde die 750er-Maschine satte 38 000 Mal vorwiegend an den Mann gebracht. Die Motorrad-Industrie hatte wieder zu Blühen begonnen. Das passte hervorragend ins Konzept und BMW konnte zum 50. Geburtstag der Motorradsparte statistisch glänzen. Zum Jubiläum 1973 wurde die Produktion des 500000sten Zweirads der Marke bejubelt.
In den 70er-Jahren verfolgte BMW eine sportliche Modellpolitik. Die Motorräder wurden größer, stärker und schneller. Der Motorrad-Boom schwappte bis auf die Geländeabteilung über. Lange war es still um sie gewesen, doch als Rolf Witthöft 1980 mit BMW Europameister wurde und damit an frühere Sporterfolge anknüpfte, tickten die Uhren wieder anders. Witthöfts Wettbewerbsmaschine kam in modifizierter Form als Reise-Enduro auf den Markt: die BMW R 80 G/S war geboren. G steht für Gelände, S für Straße. Die Monolever-Einarmschwinge für das Hinterrad war der Hit. Die G/S war kein Kompromiss, sondern tatsächlich eine harmonische Mischung aus Gelände- und Tourenbike und gründete eine neue Motorradgattung, die Reiseenduros.
Nur drei Jahre später sorgte BMW für den nächsten Aufschlag. Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte rollte ein Vierzylinder aus der Produktionshalle. Und nicht nur das: der 987 ccm-Motor mit 90 PS wurde ungewöhnlich in Längsrichtung liegend und als mittragendes Element in den nach unten offenen Gitterrohr-Stahlrahmen in der neuen BMW K 100 eingesetzt. Die ganze Konstruktion samt oben liegender Nockenwellen und Benzineinspritzung war ein Volltreffer und BMW machte eine ganze Baureihe daraus. Ende der 80iger-Jahren wurde die Vierventil-Technik eingeführt, der Dreiwege-Katalysator und die Paralever-Schwinge – und BMW überraschte die Welt 1988 mit dem elektronisch-hydraulischen ABS für Motorräder.
Am 18. März 1991 kam der nächste Grund zum feiern. Das 1 000 000ste Motorrad lief vom Band. Es war eine BMW
K 75 RT, die feierlich an den Berliner Senator für Wirtschaft und Technologie übergeben wurde, um anschließend dem Roten Kreuz gute Dienste zu leisten.
Danach ging es Schlag auf Schlag. 70 Jahre nach der ersten BMW, der R 23 von 1923, stellte BMW 1993 seine neue Boxergeneration mit Vierventiltechnik vor und gleichzeitig eine neue Vorderradführung. Sie nennt sich Telelever und ist eine Kombination aus Teleskopgabel und Dreieckslenker. Radführung und Dämpfung arbeiten dabei getrennt.
1997 erfüllte sich für Cruiser-Fans ein BMW-Traum, als die BMW R 1200 C das Licht der Welt erblickte. Sie war kein billiger Chopper-Abklatsch, sondern reines BMW-Styling mit speziell abgestimmtem 61-PS-Boxer, dennoch glücklos. Die BMW K 1200 RS richtete sich dagegen an die sportliche Fraktion. Sie durchbrach die damalige freiwillige 100 PS-Grenze, ihre 130 PS an der Kupplung eröffneten völlig neue Welten für die Fahrer der Marke.
BMW bot mittlerweile Motorräder für nahezu alle Einsatzbereiche an. Im Windkanal geformte Verkleidungen trafen auf sachlich-nützliche Fahrwerkstechnik und Bedienelemente. Das 20. Jahrhundert endete für BMW – wir ahnen es längst – mit einem neuen Produktionsrekord von 65 186 Einheiten.
Im neuen Jahrtausend startete BMW eine Technologie-Offensive. Bei der 2004 vorgestellten BMW K 1200 S war der Motor nicht mehr längs, sondern quer zur Fahrtrichtung angeordnet. Ein neue Konstruktion, die Duolever getauft wurde, übernahm mit zwei drehbar im Rahmen gelagerten Längslenkern die Vorderradführung. Als Option war ein elektronisch einstellbares Fahrwerk zu haben – Hightech pur. Genauso ging es weiter, als die Tourer BMW K 1600 GT und BMW K 1600 GTL mit Sechszylinder-Reihenmotor und adaptivem Kurvenlicht um die Ecke bogen.
Den vorerst letzten großen Meilenstein in der Firmengeschichte setzte BMW 2009, als das Unternehmen ins von japanischen und italienischen Herstellern besetzte Revier der Supersportler drängte. Die starke BMW S 1000 RR mit einem Trockengewicht von nur 183 Kilogramm, Race-ABS und Traktionskontrolle fuhr 2012 in der Superbike-Weltmeisterschaft aufs Siegerpodest. „BMW – Freude am Fahren.“ Da ist was dran.