Auf Achse mit der Suzuki GS 550 E und Suzuki GT 550
Alternative Kisten

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Zwei- oder Viertakter? Als einziger Motorradhersteller bot Suzuki 1977 beide Antriebskonzepte in der Mittelklasse an. Gleicher Hubraum, nahezu gleiches Gewicht und Leistung – trennen die Suzuki GS 550 und Suzuki GT 550 dennoch Welten?

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Foto: jkuenstle.de

Suzuki war Mitte der 1970er-Jahre ganz schön spät dran mit der Weichenstellung für die Zukunft. Erst 1976 setzte man in Hamamatsu als letzter der vier großen japanischen Motorrad-Hersteller auf Viertakt-Modelle. Diese neu entwickelte GS-Generation war dafür ein Volltreffer, sowohl die Suzuki GS 750 als auch die zweizylindrige Suzuki GS 400 verkauften sich glänzend.

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Und so schob Suzuki schon im folgenden Jahr die Suzuki GS 550 nach, um die große Lücke zwischen den bestehenden Modellen zu schließen. Ganz schien man dem Viertakt-Braten in der Mittelklasse jedoch nicht zu trauen, im 1977er-Modellprogramm bot Suzuki neben der neuen GS 550 weiterhin die bewährte Zweitakt-550er mit dem Ram-Air-Dreizylinder an. Und auch an den Motorrad-Stammtischen gingen die Diskussionen über das beste Antriebskonzept munter weiter, wobei die gegensätzlichen Weltanschauungen damals mitunter noch sehr heftig aufeinanderprallten.

Von einem Haufen Schrott zu einem originalgetreuem Schmuckstück

Andreas Issel und Frank Lutz sehen das – wie die meisten heute – jedoch völlig entspannt. Die Frage nach Zwei- oder Viertakter beantworten die beiden Suzuki-Liebhaber nämlich schon lange mit einem „sowohl als auch“. Dass Andreas‘ Herz bei den Dreizylinder-Zweitaktern ­jedoch ein wenig schneller schlägt, beweist er hier mit seiner frisch aufgebauten Suzuki GT 550. Er hat sie als Haufen Schrott erstanden und in mühevoller Arbeit in ein originalgetreues Schmuckstück verwandelt.

Ziemlich traurig war auch der Zustand von Franks Suzuki GS 550, als er sie vor rund 20 Jahren für 150 Mark kaufte – mit 170.000 ­Kilometern auf der Uhr. Doch der Vierzylinder lief tadellos, außerdem war der originale Lacksatz in Ordnung. Der glänzt noch immer so makellos, dass man die ausgewiesenen 254.000 Kilometer auf dem Tacho kaum glauben mag. „Den Motor habe ich tatsächlich noch nie komplett geöffnet, nur die Steuerkette und einige verhärtete Simmerringe musste ich bislang austauschen“, macht der Radio- und Fernsehtechniker aus seiner Vorliebe für die zuverlässigen GS-Modelle keinen Hehl. Mittlerweile ist Frank der einstige Vernunftkauf für den Alltag genauso ans Herz gewachsen wie Andreas die Suzuki GT 550.

Bildschön sind beide Modelle

In emotionaler Hinsicht kribbelt es ­also hier wie dort, zumindest bei Frank und Andreas. Was dem Classic-Redakteur natürlich erst einmal Wurst ist. Meine Motorrad-Sozialisation erfolgte nämlich weder auf einem Zweitakter noch auf einer Suzuki, sondern auf einer Kawasaki Z 550 B. Weshalb die beiden Suzuki-Maniacs umso gespannter auf meine Fahreindrücke sind. Doch gemach, erst einmal will ich noch ein wenig mehr über ihre Suzuki GS 550 und Suzuki GT 550 wissen.

Bildschön finde ich auf jeden Fall beide 550er. Speziell die Suzuki GT 550 mit ihrem glänzenden Chrom und dem leuchtenden Candy-Orange-Metallic namens „Mojave Copper“ zieht meine Blicke magisch an. Obwohl die Papiere des US-Modells 1975 als Geburtsjahr ausweisen, entspricht es technisch dem deutschen 1976er-Modell. Was bedeutet, dass auch Andreas’ GT 550- Zylinder vier statt zwei Überströmkanäle und eine Nikasil-ähnliche SCEM-Beschichtung anstelle von eingeschrumpften Gusslaufbuchsen besitzen. Außerdem brachte die Überarbeitung hartverchromte Kolbenringe, eine optimierte Vergaserbetätigung und einen neu gestalteten Luftfilter mit sich, der ab da beidseitig zugänglich war. Die Modellpflege betraf überdies die Krümmer, die keine Verbindungsrohre mehr hatten. Dank beschichteter Zylinder konnte zudem die Ölpumpe ab Werk magerer eingestellt werden.

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Die Suzuki GT 550 ziegt die Blicke mit ihrem glänzenden Chrom und dem leuchtenden Candy-Orange-Metallic namens „Mojave Copper“ magisch an.

Was die Suzuki GT 550 allerdings nicht davon abhält, kräftig aus ihrer symmetrisch angebrachten 3-in-4-Auspuffanlage zu rauchen. Verständlich, dass Andreas nach der Restaurierung lieber auf Nummer sicher geht, schließlich ist der Zweitakt-Drilling seit dem Aufbau kaum gelaufen. So gehe ich die ersten Kilometer vorsichtig an und lausche entzückt dem für mich als Viertakt-geprägten Biker fast schon exotischen Zweitakt-Sägen des Triples. Doch dem schmeckt meine Zurückhaltung gar nicht, unter 4000 Touren geht wenig voran. Nicht zuletzt ein Resultat der Modellpflege, bei der die Erhöhung der Drehfreude im Vordergrund stand. Die nominell 48 PS erreicht das 1976er-Modell erst bei 7500/min, das sind deren 1000 mehr als bei den Baujahren zuvor.

Gelitten hat unter dieser sportlicheren Abstimmung auch die Durchzugskraft, das höchste Drehmoment liegt erst bei 6000 Touren an. Lässt man die Nadel des Drehzahlmessers freilich in höhere Regionen tanzen, zieht die GT mit herzhaftem Dreizylinder-Röhren standesgemäß voran. Den von Tester Klacks bei den älteren Modellen beschriebenen Effekt, ab 6500/min „wie gegen Gummi“ zu laufen, zeigt Andreas‘ Suzuki GT 550 jedenfalls nicht.

Seriös und nüchtern gegen klassisch und verspielt

Dennoch brauche ich als eher weniger erfahrener Zweitakt-Pilot immer einige Kilometer mehr, um mich auf die typischen Eigenheiten dieses Arbeitsprinzips einzustellen. Irgendwann kommt dann der Punkt, ab dem die geringe Bremswirkung im Schiebebetrieb keine Rolle mehr spielt, der passende Gang rechtzeitig drin ist und ich den anfangs mitfahrenden Gedanken an einen Klemmer abgelegt habe. Bei Andreas‘ Suzuki GT 550 war das nach dem Tanken der Fall. Vielleicht hatten mich ja auch nur seine Worte über den hohen Verbrauch („die säuft wie ein Loch“) eingeschüchtert. Jetzt, mit vollem Spritbehälter, lasse ich die 550er einfach laufen, drehe bis Siebenfünf, schalte rechtzeitig herunter und genieße den singenden Triple-Sound – na bitte, es geht doch, man muss nur ein bisschen mehr arbeiten.

Auf Franks Suzuki GS 550 brauche ich jedoch keinerlei Eingewöhnungszeit. Hier funktioniert alles so, wie ich es seit meinem 18. Lebensjahr gewohnt bin. Deshalb steuere ich zuerst einmal einen kleinen Parkplatz an, stelle die Suzuki in die Mitte und lasse die schlanke Vierzylinder-Maschine eine Weile auf mich wirken. Während die chromüberladene Suzuki GT 550 Betrachter mit ihren klassisch-verspielten Linien, dem Bonbon-Lack oder den Speichenrädern sofort in ihren Bann zieht, dauert es etwas länger, um sich die zeit­lose Eleganz der Suzuki GS 550 zu vergegenwärtigen. Sie wirkt im Vergleich seriöser, nüchterner, obwohl auch hier Details wie der herrlich verrippte Motor mit seinen runden Nockenwellendeckeln oder die charakteristischen Gussfelgen mit ihren polierten Kanten dem Auge schmeicheln.

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Frank mag es lieber gemütlich, deshalb hat er einen hohen Lenker montiert.

Im Unterschied zur kurzhubigen 750er-GS kennzeichnen den 550er-Vierzylinder ein quadratisches Bohrung-/Hub-Verhältnis (56 x 55,8 mm) und das Sechsganggetriebe. Gemeinsamkeiten mit der großen Schwester sind der rollengelagerte Kurbeltrieb mit nadelgelagerten Pleueln und die zwei obenliegenden Nockenwellen, welche die Ventile über Tassenstößel betätigen. Gut für hohe Drehzahlen, die der 49 PS starke Vierzylinder aber auch braucht, um richtig Ballett zu machen. Energischen Biss entwickelt der Zweiventiler erst ab 7000 Touren, der bis 10.000/min anhält.

Dennoch lässt sich der von den Papierwerten (40 Nm bei 7500/min) nicht besonders durchzugskräftige Viertakter ohne Schluckauf im sechsten Gang mit Tempo 50 durch die Stadt bewegen. Bemerkenswert ist für mich dabei die mechanische Laufruhe von Franks Marathon-Maschine, und auch die feinen, hochfrequenten Vibrationen sind nach über sechs Erdumrundungen absolut tolerierbar, zumal sie mir weniger kribbelig erscheinen als bei der Suzuki GT 550. Andreas weiß, nicht zuletzt von seinem Wasserbüffel und Franks Suzuki GT 380, dass er bei dem 550er-Dreizylinder das Perfektions-Potenzial mittels einer peniblen Feineinstellung noch nicht vollständig ausgeschöpft hat.

Suzuki GT 550 wirkt belebender

Trotzdem ist es im direkten Vergleich die Suzuki GT 550, die auf mich irgendwie belebender wirkt. Sie macht nicht nur mehr Radau als die sanfte Suzuki GS 550, sondern fordert auch mehr von mir, dem weniger geübten Zweitakt-Treiber – und belohnt mich wohl deshalb mit dem intensiveren Fahrerlebnis als die in jeder Situation wie selbstverständlich dahinschnurrende Vierzylinder-GS 550. Was ich der Viertakt-Suzi jedoch keinesfalls negativ auslegen möchte.

Im Gegenteil, als Motorrad für alle Fälle würde ich – wie Frank – ebenfalls den genügsamen und sanften Viertakter wählen, selbst wenn der etwas langweiliger erscheint. Als ich bei der Rückkehr in Andreas’ und Franks gespannte Gesichter schaue, wird mir schlagartig bewusst, dass sich meine Gedanken bislang nur um die Motoren und das beste Antriebskonzept drehten. Doch das gibt es nicht, wie ich mir eingestehen muss, jedenfalls nicht im Vergleich der Suzuki GS 550 und Suzuki GT 550.

Fahrverhalten der beiden Suzukis ähnlich

Was dem rauchenden und trinkfreu­digen Zweitakter an Alltagstauglichkeit fehlt, macht er mit seinem ganz speziellen, heute nicht mehr alltäglichen Charakter wieder wett. Der Viertakter dagegen hat eher etwas von einem dienst­beflissenen Butler, was auf viele im täglichen Umgang sympathischer wirkt als ein Typ mit nervenden Allüren. Welcher Charakterzug einem eher liegt, muss somit jeder für sich selbst entscheiden. Schön, wenn man, wie Frank und Andreas, die Wahl zwischen Zwei- und Viertaktern hat. Denn auch das Fahrverhalten der beiden Suzukis ist nicht unbedingt ausschlaggebend für ein Pro oder Contra, dafür sind sich die fast gleich schweren Suzuki GT 550 und Suzuki GS 550 zu ähnlich.

Beide lassen sich locker in Kurven schwenken, die Suzuki GT 550 mit ihrem tieferen Schwerpunkt vielleicht ­einen Tick spontaner als die Suzuki GS 550. Hier wie dort sitzt man betont aufrecht, wobei die Viertakt-Suzi mit dem flauschigeren Sitzkomfort verwöhnt, während ihre Zweitakt-Schwester den bequemeren Kniewinkel ermöglicht. Nahezu Gleichstand auch bei den Bremsen: Mit der nachgerüsteten zweiten Scheibe vorn bremst Andreas’ GT ähnlich bissig und gut dosierbar wie die erstaunlich vehement zupackende Doppelscheibe der GS 550. Am Ende eines wunderbaren Tages im Steigerwald sind Andreas, Frank und ich uns einig, dass Mittelklasse-Bikes wie die 550er-Suzukis zu Unrecht im Schatten der großvolumigen Modelle stehen. Und die Frage nach dem besten Antriebskonzept wohl von keinem Stammtisch der Welt beantwortet werden kann. Sondern, wie beim Bier, vom eigenen Geschmack.

Technische Daten Suzuki GS 550 E

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Sie wirkt im Vergleich seriöser, nüchterner, obwohl auch hier Details wie der herrlich verrippte Motor mit seinen runden Nockenwellendeckeln oder die charakteristischen Gussfelgen mit ihren polierten Kanten dem Auge schmeicheln.

Motor
Luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, Verdichtung 8,6:1, vier Mikuni-Vergaser, Ø 22 mm.

Drehmoment
40,2 Nm bei 7500/min.

Hubraum: 549 cm³

Leistung: 49 PS bei 9000/min

Kraftübertragung
Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb.

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel vorn, Ø 35 mm, Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen, Alu-Gussräder, Reifen 3.25 H 19 vorn, 3.75 H 18 hinten, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 275 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 275 mm.

Gewicht vollgetankt: 218 kg

Höchstgeschwindigkeit: 184 km/h

Bauzeit: 1977 bis 1980

Neupreis: 5690 Mark (Modell 1977)

Frank Lutz, Besitzer der Suzuki GS 550 E

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Frank Lutz ist der Besitzer der Suzuki GS 550 E.

"Zwei- oder Viertakter? Für mich als Suzuki-Maniac haben beide Konzepte ihre Reize. Im Alltag ist mir aber eine GS-Suzuki lieber. Insbesondere die genügsame 550er, die ich anfangs eigentlich nur aus Vernunftgründen gekauft hatte. Stärker als eine meiner GS 400, dabei spürbar handlicher und gar nicht so viel langsamer als die GS 750 ist die 550er für mich tatsächlich die goldene Mitte in Suzukis GS-Reihe. Mit ihrer überragenden Zuverlässigkeit und durchschnittlichen Verbrauchswerten um vier Liter hat sie mich längst überzeugt, heute hänge ich wirklich sehr an meiner Suzuki GS 550."

Technische Daten Suzuki GT 550

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Obwohl die Papiere des US-Modells 1975 als Geburtsjahr ausweisen, entspricht es technisch dem deutschen 1976er-Modell.

Motor
Luftgekühlter Dreizylinder-Zweitakt-Reihen­motor, Verdichtung 6,8:1, drei Mikuni-Vergaser, Ø 28 mm.

Drehmoment
48 Nm bei 6000/min.

Hubraum: 543 cm³

Kraftübertragung
Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb.

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel, Ø 35 mm, Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen, Drahtspeichenräder, Reifen 3.25 H 19 vorn, 4.00 H 18 hinten, Scheibenbremse vorn, Ø 290 mm (serienmäßig), Trommelbremse hinten, Ø 180 mm.

Gewicht vollgetankt: 214 kg

Höchstgeschwindigkeit: 178 km/h

Bauzeit: 1972 bis 1977

Neupreis: 1972 bis 1977

Andreas Issel, Besitzer der Suzuki GT 550

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Andreas Issel ist der Besitzer der Suzuki GT 550.

"Natürlich mag ich auch Viertakter, keine Frage. Bei den klassischen Motorrädern sind es aber ganz klar die Zweitakter aus den 1970er-Jahren, die mich faszinieren. Vor allem die Dreizylinder-Suzukis haben es mir angetan. Nach der Restaurierung eines Wasserbüffels wollte ich unbedingt auch eine Suzuki GT 550. Diese hier habe ich aus einem Haufen Schrott aufgebaut. Aber die Mühe hat sich gelohnt, ich finde die GT 550 mit ihrem charakteristischen Motor wunderschön. Außerdem fährt die spritzige 550er viel handlicher als der Büffel, sie ist für mich die ideale Ergänzung zur GT 750."

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Erscheinungsdatum 05.05.2023