Auf Achse mit Malanca 125 E2C Sport
Bernhard und Malanca

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Klein, leicht, schnell und super selten – MOTORRAD Classic war unterwegs mit der betörend schönen Malanca 125 E2C Sport, die selbst leistungsverwöhnten Klassik-Liebhabern gehörig den Kopf verdreht.

Bernhard und Malanca
Foto: www.bilski-fotografie.de

In dem zum Slogan inspirierenden Zeichentrickfilm von 1977 retten zwei Mäuse ein entführtes Waisenkind und finden obendrein einen riesigen Diamanten. Die hier beschriebene Geschichte ist zwar weit weniger dramatisch, und entführt wurde auch niemand. Um Mäuse und Diamanten geht es aber auch hier. Irgendwie. Es gibt mehrere Möglichkeiten, zu seinem klassischen Traummotorrad zu kommen. Eine, die wenig Zeit, dafür aber meist viel Schotter, Kohle, oder Mäuse ergo Geld benötigt, ist, seinen Wunscholdie bei einem Händler oder Restaurator fix und fertig zu kaufen. Eine zweite, die zwar nicht zwingend weniger Geld, definitiv aber viel Zeit, Platz und Nerven kostet, ist, das Traumbike als Ruine zu erstehen und selbst zu restaurieren.

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Eine dritte, im Nachhinein nachgerade als zwingend logisch erscheinende Variante ist die, die Bernardo, genannt Bernd, Soffa bevorzugt anwendet: Er kauft sich seine Wunschmotorräder einfach neu und lässt sie dann in Würde und mit Sachverstand zum Oldie reifen. Zugegeben, auch dieser Weg ist nicht billig und setzt neben geeigneten Lagermöglichkeiten auch Geduld voraus. Zudem funktioniert diese Methode nur, wenn das Wunschbike mindestens 18 Jahre jünger ist als man selbst, Stichwort Geschäftsfähigkeit. Wenn man aber, wie Bernd, sein Herz an Exoten verloren hat, ist dieser Weg durchaus sinnvoll, denn um heute überhaupt eine Malanca 125 E2C Sport und dann noch in diesem Zustand zu finden, bedarf es ebenso viel Glück wie bei dem Diamanten im Film.

Erfolgreich bei Tagesrennen

Um die Vorliebe Soffas für kleine, sportliche Motorräder zu verstehen, hilft ein Blick in die Vita des heute 74-jährigen gebürtigen Thüringers. Wer als technikbegeisterter Bub in der Rennstadt Schleiz aufwächst, dem fällt es schwer, sich dem Rennbazillus zu entziehen. Klar, dass er schon mit 16 Motorrad fuhr, eine 125er-Jawa. 1959, mit 17, verließ er die DDR, um sich die Welt anzusehen. Zunächst landete er in Köln, fand Arbeit bei Ford und verbrachte seine Freizeit damit, mit verschiedensten Motorrädern die Nordschleife zu erkunden.

Talent hatte er, und ab 1961 startete er dann regelmäßig und durchaus erfolgreich bei den damals besonders in Holland, Belgien und Frankreich beliebten Tagesrennen, wie die stattliche Pokalsammlung beweist. Da es neben Spesen auch Preisgelder bis zum dritten Platz gab, waren die Rennen durchaus lukrativ. Um überhaupt eine Lizenz zu bekommen, musste er sich, da damals die Volljährigkeit erst mit 21 Jahren erreicht wurde, auf dem Antrag etwas älter machen. Bis heute ist Soffa noch im Veteranensport aktiv. Der Schwindel flog erst Jahrzehnte später auf, als er seines vermeintlichen Alters wegen gewisse ärztliche Atteste zur Verlängerung der Lizenz vorweisen sollte, und er, die Schummelei längst vergessen, konterte, dass es noch nicht so weit sei. Bernd freut sich wie ein kleiner Bub, dem ein guter Streich gelungen ist, als er diese Anekdote erzählt.

Kaum Kosten und Mühen gescheut

Damals wie heute bevorzugt Soffa stets die kleinen Klassen, da er dort mit seiner bis heute drahtigen Figur einen kleinen Vorteil hatte. Eine der damals getragenen Lederkombis hat bis heute überlebt und passt, wie die Bilder beweisen, immer noch wie angegossen.

Die Faszination für kleine Sportmotorräder ging so weit, dass der heute im Schwäbischen Wohnende kaum Kosten und Mühen scheute, um sich 1998 ein Exemplar der raren und nicht offiziell importierten Honda Dream 50 und später noch eine Dream 50 R zu ergattern, mit denen Honda sich und die Fans zum 50-jährigen Firmenjubiläum beschenkte. Diese Geschichte ist nachzulesen in MOTORRAD Classic 1+2/2016. Neben besagten Hondas und der hier gezeigten Malanca stehen noch weitere zweirädrige Delikatessen in Soffas Garage, von denen bestimmt noch die eine oder andere ihren Weg in unser Heft finden wird.

Seit 1976 im Erstbesitz

Doch nun zu dem wunderschönen Rennerle mit der einzigartigen Historie. Gekauft wurde es, wie bereits erwähnt, 1976 mangels Händlernetz direkt beim damaligen Importeur, und war seit der Erstzulassung keinen einzigen Tag abgemeldet. Leider existiert das originale Kennzeichen nicht mehr, durch einen Umzug in einen anderen Landkreis musste es ausgetauscht werden und kam irgendwann abhanden. Dafür ist der Kilometerstand von 8.234 ebenso original wie der Rest der Malanca 125 E2C Sport. Einzige Ausnahme ist die Solo-Sitzbank, die Soffa der sportlicheren Optik zuliebe montiert hat.

Das Originalmöbel ist selbstverständlich vorhanden und eingelagert. Dass der luftgekühlte Twin seit der Erstmontage nie geöffnet wurde, glaubt man gerne, wozu auch? Die Laufleistung ist nachgerade mickrig, erklärt sich aber durch einen mehrjährigen, fachgerecht vorbereiteten Dornröschenschlaf. So gab es bei der Erweckung keine nennenswerten Standschäden zu beklagen. Heute wird die Malanca 125 E2C Sport zwar selten, aber regelmäßig ihrem Verwendungszweck zugeführt. Für Bernd ist es Ehrensache, dass er sein wunderbar patiniertes Quasi-Einzelstück – er glaubt, dass in Deutschland heute weniger als zehn Exemplare dieses Modells existieren – trotz brüllender Hitze beim Fototermin selbst fährt.

Einmal Racer, immer Racer

Nach ersten Startschwierigkeiten, die sich aber durch simples Nachtanken beheben lassen, läuft die Italienerin dann auch wie der Teufel. Den Kickstarter ignorierend, Soffa ist aus seiner aktiven Zeit noch den Schiebestart gewohnt, bringt er den Twin in Schwung, und nach kurzer Warmlaufphase wandert auch schon das Kinn in Richtung Tank und die Füße rutschen nach hinten. Irgendwann in den 1980er-Jahren hatte Soffa die Malanca 125 E2C Sport mal auf den Prüfstand gestellt, und der attestierte ihr 23 PS am Hinterrad. Selbst wenn diese noch vollständig existieren, so ist man damit beim heutigen Verkehr am unteren Ende der Nahrungs- sprich Leistungskette angelangt. Weswegen die aerodynamisch optimierte Sitzposition weniger Show denn notwendig ist. Außerdem: einmal Racer, immer Racer. Mit Vollgas und dem typischen Kreischen eines Zweitakttwins stiebt Bernd los.

Das Fotografieren eines Motorrads ist, sollen ästhetische Bilder entstehen, eine zeitaufwendige Angelegenheit. Ein ums andere Mal scheucht der Fotograf die kleine Italienerin um die Kurve. Blende runter, Verschlusszeit rauf, von innen, von außen, klack, klack, klack rattert die Kamera. Bernd nimmt‘s gelassen, spielerisch wirft er seine Rarität ums Eck, wendet quasi auf der Stelle und hat trotz der Hitze sichtlich Spaß an der Sache. Hin und wieder fächelt ein kleiner Zwischenspurt Mensch und Maschine kühlenden Fahrtwind zu. Irgendwann sind alle Bilder im Kasten, der Fotograf ist zufrieden. Völlig zu Recht übrigens, wie man angesichts der vorliegenden Geschichte gerne anerkennt. Und dann wird es auch für den Autor dieser Zeilen gewissermaßen ernst.

Drei Bremsscheiben hatte sonst keine 125er

Nach kurzer Einweisung – „Vergiss alles unter 7.000/min und hab Spaß!“ – geht es los. Die Sitzposition auf dem Winzling ist deutlich weniger dramatisch als befürchtet, passt auch für lange Kerls. Der erste und einzige Test der Malanca, erschienen in MOTORRAD 12/1979, bescheinigte dem winzigen Sportler eine extrem spitze Leistungscharakteristik und eine ebenso ausgeprägte Durchzugsschwäche. Das ist nicht wirklich verwunderlich und gilt auch heute noch. Doch hält man den Twin mit dem leicht schaltbaren Fünfganggetriebe über der erwähnten Marke, geht es durchaus zügig und giftig voran. Mehr als 10.000/min wollen wir dem Oldie nicht antun, auch die Tester hielten dies seinerzeit für die richtige Schaltdrehzahl.

Da nur knapp über 110 Kilogramm Motorrad bewegt werden müssen, reagiert die Malanca 125 E2C Sport quasi aufs Arschbackenzucken und lenkt spielerisch ein. Telegabel und Federbeine sind typisch italienisch äußerst straff abgestimmt und lassen keinen Zweifel über die Straßenbeschaffenheit. Über die wohl einzige Doppelscheibe, die je an einer Serien-125er verbaut wurde (wir haben lange nachgedacht, kamen aber auf kein weiteres Modell), sprachen die Tester seinerzeit in Sachen Wirkung und Dosierbarkeit in den höchsten Tönen. Das muss man heute doch stark relativieren, zum rechtzeitigen Anhalten hat es die letzten 40 Jahre aber immer gereicht. Doch jetzt stellt der Autor die Testerei mal hinten an, genießt den Augenblick und freut sich über die wahrscheinlich einmalige Möglichkeit, dieser Rarität mit der wunderschönen Patina ein paar Kilometer aufs Zählwerk drehen zu dürfen.

Meinung vom Besitzer Bernardo Soffa

Als ich die Malanca 125 E2C Sport beim damaligen Im­porteur und heute noch existierenden Händler Motorrad Fiedler am Nürburgring sah, war es um mich geschehen. Ich musste sie un­bedingt haben. 3.720 D-Mark hat sie mich 1976 gekostet. Das war nicht billig, aber ich habe keinen einzigen Pfennig davon bereut. Bis heute bereitet sie mir auf den gelegent­lichen Ausfahrten sehr viel Spaß.

Firmenporträt Malanca

In der heutigen Zeit heißt es bekanntermaßen, was Google nicht kennt, das gibt es nicht. Wie die Bilder auf diesen Seiten beweisen, gibt beziehungsweise gab es den Hersteller Malanca sehr wohl, allein die Faktenlage ist sehr dürftig. Im MOTORRAD Classic-Archiv findet Malanca, von wenigen dürren Erwähnungen und Markt- und Markenübersichten abgesehen, nicht statt. Auch die Internet-­Recherche führt nicht gerade zu einem Informations-Overflow. Der deutschsprachigen Seite www.malanca.de ist in Übereinstimmung mit anderen Internetquellen zur Firmenhistorie immerhin zu entnehmen, dass die von Mario Malanca zu einem unbekannten Zeitpunkt in Bologna gegründete Firma im Jahr 1956 ihr erstes Motorrad baute, eine Fünfziger, die von einem Franco-Morini-Zweitaktmotor befeuert wurde.

Die stets sehr sportlich auftretenden Rennerle kamen bei der Kundschaft gut an, die Modellpalette wurde stetig erweitert. Um 1973 kam die E2C auf den Markt, die, sehr ungewöhnlich in der 125er-Klasse, von einem Zweizylinder angetrieben wurde. 1978 übernahm Marco Malanca, der Sohn des Gründers, die Firma. Strenger werdende Geräusch- und Abgasvorschriften sowie die durch die geringen Stückzahlen und aufwendige Fertigung hohen Preise machten ihm aber das Leben schwer. Hinzu kamen die mit immer neuen und vor allem preisgünstigen Modellen in den Markt drängenden Japaner. 1986 verschwand Malanca dann vom Markt.

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MOTORRAD CLASSIC 10 / 2023

Erscheinungsdatum 01.09.2023