Dem Vorwärtsdrang des gemeinen Volkes konnten die italienischen Hersteller nie widerstehen. Also bauten sie feine Sportler für jedermann. Moto Guzzi V 50 Monza, Moto Morini 3 ½ Sport und Benelli Quattro 500 zum Beispiel.
Dem Vorwärtsdrang des gemeinen Volkes konnten die italienischen Hersteller nie widerstehen. Also bauten sie feine Sportler für jedermann. Moto Guzzi V 50 Monza, Moto Morini 3 ½ Sport und Benelli Quattro 500 zum Beispiel.
Mit gängigen Designer-Weisheiten wie „Form follows function“ behelligt man auf dem Apennin nicht mal Mopeds und Roller. Dennoch wäre es ungerecht, den italienischen Motorradbau auf die Lust an der schönen Form zu reduzieren. Technischer Pioniergeist und Erfahrung im Maschinenbau nämlich stehen dem ästhetischen Bemühen nicht nach, und erst dadurch wird die Freude an den Konstruktionen aus Mandello, Bologna oder Pesaro rund. Daraus beziehen sie - gerade in den kleinen Hubraumklassen - ihren emotionalen Reiz.
Natürlich ist eine Morini 3 ½ Sport schön. Aber sie ist auch ein Technologie-Träger. Genau wie die Moto Guzzi V 50 Monza, man glaubt es kaum. Und Benellis Quattro? Italiens Antwort auf Hondas Fours geriet landestypischer, als ihr Reihenvierzylinder verrät. Hier tritt ein spannendes Trio an, nicht der Traumwelt von MV Agusta 800 S America oder Laverda 1000 entsprungen, sondern mitten aus dem Leben gegriffen. Und ganz bewusst in dieser Konstellation gewählt, denn die ebenfalls verfügbaren 350er von Benelli und vor allem Guzzi boten bei etwas geringerem Preis viel weniger Leistung und scheiterten deshalb in Deutschland. Dasselbe gilt merkwürdigerweise auch für Morinis 500er, die zwar ein paar PS mehr drückt als ihre kleine Schwester, aber viel verschlafener wirkt.
Wie es sich für italienische Motorräder gehört, liefern die Drei nicht nur Geschichten, sondern auch Geschichte. Etwa dass Ingenieur Lambertini - er hatte zuvor schon bei Ferrari gearbeitet - für seinen 350er-Morini-Motor auf Ideen des Amerikaners Samuel D. Heron zurückgriff: Im Interesse einer guten Verwirbelung des Kraftstoff-Luft-Gemischs verbannte dieser den Brennraum komplett in eine entsprechend geformte Mulde im Kolben. Der Formel 1-Motor, mit dem Jack Brabham und Dennis Hulme 1966 und 1967 Weltmeister wurden, vertraute auf dieses Prinzip. Es gestattet, die Ventile parallel und deshalb platzsparend anzuordnen. Der Zylinderwinkel von 72 Grad garantiert einen passablen Massenausgleich, spart gegenüber dem 90-Grad-Winkel einiges an Baulänge und bietet im V-Ausschnitt gerade noch Platz genug für Vergaser und Ansaugstutzen sowie die mittels Zahnriemen angetriebene Nockenwelle.
Zwei, drei energische Tritte auf den links angebrachten Kickstarter bringen Leben in Lambertinis Konstruktion. Mit herrlichem Gepolter läuft der Motor warm, die Hebel der Kaltstarteinrichtungen können schon bald wieder umgelegt werden. Begeisterung macht sich breit: Im Stand braucht niemand mehr als so eine kleine Morini. Voller, entschlossener und gesünder klingen 750er-Twins auch nicht. Erster Gang? Rechts, nach unten. Gas anlegen. Brav heben die Dellortos ihre rechteckigen Gasschieber. Etwas abrupt rückt die Trockenkupplung ein, schon aus niedrigen Drehzahlen dreht der V2 sauber hoch.
Der Quattro reicht ein Druck aufs Knöpfchen. Klar, denn ihr Motor gleicht dem der Honda CB 500 Four bis hin zu den Abständen der Gehäusedeckelschrauben. Das nehmen ihm viele noch heute übel, doch sie sollten den rauen, fast aggressiven Klang als Ankündigung dafür werten, dass die Benelli anders ist als damalige Fernost-Ware. Sie braucht eine zupackende Hand, damit die Kupplung trennt, der erste Gang rastet sauber, aber knackig ein. Etwas Drehzahl, etwas Lärm, so rollt sie vom Hof.
Als jüngste der drei 70er-Jahre Konstruktionen tritt die Moto Guzzi an. Damals gehörte das Traditionsunternehmen vom Lago di Como genau wie Benelli zum Imperium des Alessandro de Tomaso. Der Industrielle mit argentinischen Wurzeln war Anfang des Jahrzehnts angetreten, den Japanern Paroli zu bieten. Die historische Bedeutung dieses Plans und seines Scheiterns sind bislang nicht wirklich aufgearbeitet. Was, wenn die Europäer vor 40 Jahren ein echtes Gegengewicht geschaffen hätten? Heute stehlen sie den Big Four in allen europäischen Ländern Marktanteile. Damals scheiterte de Tomaso an schlechtem Marketing, unkonventionellem Design und kleinen Unzulänglichkeiten. Schaltern zum Beispiel: Die Armaturen der Guzzi wirken verspielt, wackelig.
Aber sie startet zuverlässig und bereichert die Luft mit markentypischem Sound. Verlässlich, wacker, wie eine große V7, nur etwas leiser, zeitgemäßer. Auch bei ihr liegen die Brennräume in den Kolbenböden, Prinzip Heron, damals wohl in Mode. Doch der Raumgewinn wird noch deutlicher spürbar als bei der Morini: Lang Gewachsene können ihr Glück kaum fassen - die Knie berühren die Zylinderköpfe nicht mal. Auf einer V2-Guzzi! Ganze 40 Zentimeter baut der 90-Grad-V2 breit. Über eine ordentlich dosierbare Einscheiben-Trockenkupplung ist er mit dem angeblockten Getriebe verbunden. Der Erste rastet tief unten, aber er rastet sauber. Das Kippmoment der längs liegenden Kurbelwelle drückt die Monza sanft zur Seite, dann bollert sie auf die Landstraße hinaus.
Die Landstraße, jawohl. In ihrem ursprünglichen Wortsinn. Also nicht zehn Meter breit und topfeben über die Hügel gewalzt. Nein, im mehr oder meist weniger gut gepflegten Zustand den Gegebenheiten der Topographie folgend. Genau dort eröffnete sich vor 40 Jahren italienisches Hoheitsgebiet. Erst Straßen dritter Ordnung lassen Aussagen zur Qualität der damaligen Italo-Fahrwerke zu. Beispiel Benelli: Wer einen Vormittag und drei Hunderter investiert, der verschafft ihr eine etwas besser ansprechende Gabel und weichere Federbeine. So gerüstet, könnte ihr Fahrwerk ein Kind der späten 90er sein. Präzise, ungeheuer stabil, ehrlich. Nur in Wechselkurven, da kann sie ihre vielen Pfunde und den - allemal bei vollem Tank - recht hohen Schwerpunkt nicht verleugnen.
Anders die Leichteste im Feld. Je mehr Richtungswechsel anstehen, desto wohler fühlt sich die Morini. Geradeaus kann sie auch, klar. Aber ihr Einlenkverhalten, ihre Kurvenstabilität, ihr Handling begeistern geradezu. In gutem Pflegezustand ist die Marzocchi-Gabel ein wahrer Genuss, bügelt glatt, wo viele japanische Teile dieser Zeit bocken, arbeitet mit gelungener Progression, wo jene auf Block gehen. Mit Bridgestones famosen BT 45 bereift, macht die tre e mezzo richtig übermütig.
Diese Paarung gehört auch auf eine Guzzi Monza, die bekanntermaßen recht heikel auf unpassende Reifen reagiert. Noch handlicher als die Morini, erweist sie sich auf welligem Untergrund als nicht ganz so kurvenstabil. Auf ebenem Asphalt zieht sie die Radien dann wieder wie mit dem Zirkel geschlagen. Schön weich hämmert ihr Motor aus engen Kurven los, rasch hat man sich an die langen Schaltwege gewöhnt, hält den V2 immer irgendwo zwischen 3000 und 6500 Umdrehungen. Mehr braucht er nicht, und viel mehr mag er nicht. Erst eine moderne elektronische Zündung, behaupten Insider, macht ihn oben raus agiler.
Die Morini beweist etwas mehr Temperament. Freier dreht ihr V-Twin, tritt im Drehzahlkeller eine Spur energischer an. Erstaunlich energisch also im Vergleich, denn er überspielt ein Hubraummanko von 150 cm³, und dazu nutzt er unter anderem ein sehr gut abgestuftes, aber nicht immer sehr gut schaltbares Sechsganggetriebe. Trotzdem: Die Morini ist eine Blenderin. Wer ihrem unglaublich vollen Klang lauscht, vergisst Raum und Zeit. Gieriges Schlürfen aus der kleinen Airbox, energisches Poltern, dann zorniges Ballern aus den Schalldämpfern beschäftigen die Sinne, machen schnell im Geiste. Der Tacho muss falsch gehen, der Drehzahlmesser lügen. Erst der Blick in den kleinen Rückspiegel holt die Realität ein: Die anderen sind noch dran.
Die Benelli, das muss so erbarmungslos gesagt werden, kann sogar locker vorbeiziehen. Mit kurzer Sekundärübersetzung macht sie das Beste aus ihrer PS-Herde, das im Vergleich zu den Twins deutlich breitere nutzbare Drehzahlband erleichtert Überholvorgänge sowieso. Oberhalb von 7500/min geht der raue Klang in böses Kreischen über, es bleiben noch 2000 Touren, bis im Drehzahlmesser der Warnbereich beginnt. Die letzte Ortschaft ist weit weg, also Hahn ganz auf, hoch in den vierten Gang, Anschluss wieder bei 7000/min, vorbei an Morini und Guzzi, dann - wie ein Blitz - die Erkenntnis: de Tomaso hatte Recht. Ja, verdammt, mit den damaligen Mitteln und angesichts der damaligen Kundeninteressen musste es ein Vierzylinder sein.
Damals. Als außer Honda niemand einen Mittelklasse-Vierer hatte und als die Jungs unbedingt immer vorn sein wollten. Heute kommen sie eben ein halbe Minute später bei der Eisdiele an, bocken ihre V-Twins auf, nehmen die Helme ab und grinsen. Drei Cappuccini geordert, dann beginnt die historische Lagebesprechung. Wohlgefällig schweifen die Blicke über leise knisternde Motorräder. Das Vierzylinder-Thema ist durch, der halben Minute wegen. Und die Dimensionen der Benelli? Sie erklären sich durch de Tomasos Gleichteile-Strategie: Im selben Fahrwerk brachte er zwei Jahre nach dem Quattro auch den Sei unter. Das Design? Nun ja, rund konnten die Japaner, da hat er es eben eckig probiert.
Lob verdient sein Entschluss, bei Guzzi eine kleine V-Reihe entwickeln zu lassen. Die eigenen erfolglosen Versuche, unter dem Zeichen des Adlers auch Benelli-Modelle zu vertreiben, beweisen es. Ingenieur Lino Tonti nutzte die Gunst der Stunde und modernisierte, was ihn schon lange nervte. Das Motorgehäuse ist horizontal geteilt, die Schwinge lagert im Getriebegehäuse, der Rahmen integriert den Motor als mittragendes Element. Tonti wollte beweisen, wie kompakt eine Guzzi mit ihrem Triebwerk mit längsliegender Kurbelwelle sein kann. Sehr kompakt.
Morini dagegen musste den anderen Weg gehen. Von 50 bis 175 cm³ reichte die Modellpalette, mit der sich die im Gelände-sport recht erfolgreiche Manufaktur gut über Wasser gehalten hatte. Aber der Motorradboom weckte Bedürfnisse, gerade im bis dahin so Hubraum-bescheidenen Italien. Eine 350er war das Ideal, denn bis zu diesem Hubraum reichte das Import-Verbot des Staates, nur bis 350 cm³ durften Neulinge zwischen 18 und 21 Jahren einsteigen.
Mit der 3 ½ überraschte Morini die meist veraltete und einzylindrige Italo-Konkurrenz. Das Heron-Prinzip versprach geringen Verbrauch, der V-Motor hohe Exklusivität. Diese Trümpfe stachen, die tre e mezzo ging weg wie geschnitten Brot. Kurz darauf wurde ihr Erfolg von der Sport-Variante gemehrt. Manche meinen, die sehr touristische Fußrastenposition entlarve diese als Schnellschuss. Falsch: Der Krümmer des hinteren Zylinders biegt sich einer zurückgelegten Rastenanlage in den Weg.
Als Moto Guzzi die V 35 und V 50 auf die Reise schickte, war das Sportsegment deutlich enger besetzt, und deshalb wohl dauerte es zwei Jahre, bis die V 35 Imola erschien, noch eines länger bis zur V 50 Monza. In bester Guzzi-Tradition traten beide mit kleiner Lenkerverkleidung und perfektem sportivem Arbeitsplatz an. Enttäuschung löste allerdings die Leistung aus, Laverdas 500er und Ducatis Pantah drückten mindes-tens zehn PS mehr.
Merkwürdigerweise erschien nie eine vergleichbar sportliche Vierzylinder-Benelli. Vielleicht verkannte de Tomaso die Bedeutung dieses Segments: Dass er Sporteinsätze für überflüssig hielt und nach dem tödlichen Unfall von Renzo Pasolini und Jarno Saarinen das Benelli-GP-Engagement stoppte, spricht für diese Einschätzung.
Genug diskutiert: Die Abendrunde gilt abschließenden Charakterstudien, und wer ehrlich genug ist, fängt bei sich selber an: Wie konnte man die Benelli einfach abtun? Als Kopie. Warum hat man die kleine Guzzi immer nur am Leistungsmanko gegenüber anderen 500ern gemessen? Und wieso ist Hubraum durch nichts zu ersetzen?
Nieder mit den Stammtischsprüchen, Freude an die Macht: Die Benelli bellt los, ihr spontan reagierender Quattro macht sie zum Energiebündel, ihre Bremsen unterstreichen sportliche Ambitionen. Auf langen Geraden jedoch, da wecken großer Tank, lange Sitzbank und stabiles Fahrwerk sogar Fernweh. Die Guzzi singt mit wackerem Bariton das Lied gelassener Zuverlässigkeit, und kann dieses Versprechen sogar halten. Der wartungsarme Kardan und das Integral-Bremssystem, bei dem das Fußpedal eine vordere und die hintere Bremsscheibe wirkungsvoll aktiviert, machen sie besonders benutzerfreundlich. Ihre gestreckte Linie und die kleine Lampenverkleidung wecken vielleicht etwas zu hohe Erwartungen, aber was soll‘s: Super handlich wuselt sie der Benelli hinterher.
Die Morini folgt lässig. Eine robuste Konstruktion aus kleinem, aber feinem Hause, geschmückt mit Komponenten namhafter italienischer Zulieferer, gleichzeitig auf das Wesentliche reduziert: etwas für Genießer. Aber keinesfalls was fürs Museum, denn das sportliche Potenzial ihres Fahrwerks und die gleichmäßige Kraftentfaltung ihres V-Twins beeindrucken wie eh und je. Außerdem bleibt da noch der demokratische Auftrag: Das Volk hat ein Recht darauf, hin und wieder eine 3 ½ zu hören.
Das Volk nämlich ist dankbar, dass allein die Italiener in den 70er-Jahren Alternativen zur japanischen Mittelklasse boten. Unter dem altrömischen Motto panem et circenses vereinten sie akzeptable Preise und hohen Nutzen mit schönen Formen, ungewöhnlichen Konstruktionen und tollem Klang. Brot und Spiele - mehr will der Mensch nicht...
Preis 1975: 6695 Mark
Technik
Unmittelbar nachdem Alessandro de Tomaso 1972 Benelli übernommen hatte, beorderte er ein Entwicklungsteam aus Pesaro in seine Mailänder Firmenzentrale und diktierte, eine Vierzylinder-Baureihe von 250 bis 500 cm³ und - perspektivisch - einen daraus abzuleitenden Sechszylinder zu konstruieren. Aus diesem Grund bekam die ab 1974 verkaufte Quattro 500 quasi dasselbe Fahrwerk wie die 750er-Sei. Auch das Tankvolumen ist identisch - 22 (später 20) Liter bürgen bei der recht genügsamen 500er für enorme Reichweiten. Dementsprechend geriet die Quattro aber auch deutlich schwerer als ihre Rivalin, die Honda CB 500 Four. Obwohl Benelli bei Rennmaschinen schon etliche Vierzylinder-Erfahrungen gesammelt hatte, darf das Quattro-Triebwerk als ungenierte Kopie des CB 500-Motors betrachtet werden - und erreichte denn auch fast exakt dessen Leistungsniveau. Anfangs vertraute die Quattro einer Doppelsimplex-Trommelbremse, 1976 hielt dann eine Brembo-Einscheibenbremse Einzug in der hauseigenen Gabel. Weil die Aufnahmen vorhanden waren, rüsteten viele Besitzer auf Doppelscheibe auf. Sowohl Fahrwerk als auch Bremsen waren denen der Honda überlegen, leider erreichte die Ausstattungs- und Verarbeitungsqualität nicht japanisches Niveau. Bei höherem Preis und viel geringerer Werkstattdichte waren die Chancen der Benelli also begrenzt.
Gebrauchtcheck
Irgendwie zahlt sich das recht hohe Gewicht der Quattro aus: Sie ist in ihrer Substanz ausgesprochen solide. Unter anderem sorgen gleitgelagerte Kurbel- und Nockenwelle sowie die ebenfalls gleitgelagerten Pleuelfüße dafür, dass der Motor Laufleistungen an die 100000 Kilometer und mehr erreichen kann. Das Getriebe sollte einwandfrei schaltbar sein, andernfalls können Schaltklauen und -gabeln nicht in Ordnung sein. Die serienmäßigen Steuerkettenspanner leiden unter Altersermüdung und können brechen - sie sollten also gegen Neuteile aus besserem Kunststoff getauscht werden. An den gefalzten Schalldämpfern der Vier-in-vier-Auspuffanlage nagt gern der Rost, bei vielen Exemplaren wurden sie deshalb ersetzt. Dank des riesigen Lagers von Wilfried Blöthe (siehe Spezialisten) ist die Ersatzteillage für die Quattro entspannt, nur die doppelt abgekanteten Schutzbleche sind selten.
Markt
Vierzylinder-Benellis der de Tomaso-Ära werden immer wieder angeboten, auch 500er. Stilistisch ragen die seltenen 354 sowie 504 Sport mit ihrer geduckten Linie hervor, die exzentrische 254 spielt in einer anderen Liga. Für touristische Gemüter sind jedoch die Normal-Varianten richtig gute Youngtimer, auch ein Blick auf die später erschienene 654 (mit gut 600 cm³ Hubraum) lohnt. Allerdings dürften all diese Motorräder schwerlich den Sammler-Status einer Morini 3 ½ Sport oder Honda CB 500 Four erreichen, und das sollte sich auch im Preis niederschlagen. Wer 3000 Euro ausgibt, sollte ein gut gepflegtes, weitgehend originales Fahrzeug mit 30000 bis 50000 Kilometer Laufleistung bekommen, originale Stücke mit weniger Kilometern auf dem Veglia-Tacho dürfen ein paar Hunderter mehr kosten, eine Top-Quattro mit Trommelbremse auch schon mal 5000 Euro.
Spezialisten
Benelli-Bauer/Wilfried Blöthe
Mardorfer Straße 23-25
31547 Rehburg-Loccum
www.benelli-bauer.de
Clubs und Foren
Benelli-IG
www.benelli-ig.de
Daten
Motor:
Luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine obenliegende Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, über Kipphebel betätigt, Hubraum 498 cm³, Leistung 44 PS bei 8500/min
Kraftübertragung:
Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen mit Einrohr-Rückgrat aus Stahl, Telegabel vorn, Ø 38 mm, Zweiarmschwinge aus Stahlrohr, zwei Federbeine, Drahtspeichenräder, Reifen 3.50 x 18 vorn, 4.10 x 18 hinten, Einscheibenbremse vorn, Trommelbremse hinten
Maße und Gewichte:
Radstand 1420 mm, Gewicht vollgetankt 230 kg
Fahrleistungen:
Höchstgeschwindigkeit 173 km/h liegend
Preis 1980: 6990 Mark
Technik
Die 1977 eingeführten V 35 und V 50, wie die epochale V7 Sport von Lino Tonti konstruiert, brachten einige beachtliche Modernisierungen. So etwa Heron-Brennräume, dank derer die Zylinderköpfe kompakter ausfallen - und Platz für die Knie des Fahrers schaffen. Dann eine im Getriebegehäuse gelagerte Leichtmetallschwinge und einen Rahmen, der den Motor mittragend integriert und dessen Unterzüge sich zwecks bequemerer Motordemontage abnehmen lassen. Schließlich ein horizontal geteiltes Motorgehäuse, das nicht nur die Reparaturfreundlichkeit erhöht, sondern auch die Produktion erleichtert. Die Monza erschien 1980, parallel zur dritten Evolutionsstufe des Basismodells. Zwecks besserer Manieren im Stop and go sowie beim Heißstart wurde von elektronischer wieder auf kontaktgesteuerte Zündung umgerüstet. Größere Ventile und Vergaser sowie andere Steuerzeiten hoben die Leistung von anfangs bescheidenen 39 auf nominell 49 PS. Technisch unterscheidet sich die Monza von der V 50 III durch eine längere Übersetzung.
Gebrauchtcheck
Nachlässigkeiten trübten die grundsätzlich hohen mechanischen Qualitäten der kleinen Guzzi. Zu harte Ventilfedern führten häufig zum Abriss der Ventile oder zum Einlaufen der Nockenprofile. Die ab Mitte der 90er verbauten Federn funktionieren perfekt. Das Schiebestück im Kardanantrieb muss regelmäßig gefettet werden, und beim Befüllen des Endantrieb-Gehäuses muss die Schwinge waagerecht stehen, sonst ist der Ölstand zu gering. Achtung: Bei der Monza steht die Schwinge wegen der längeren Federbeine schräger als bei der normalen V 50. Eine moderne elektronische Zündung erhöht das Drehvermögen des Motors deutlich. Bis zur Einführung der Monza hatte sich die Qualität von Lack- und Chromteilen deutlich verbessert. Schon deshalb ist es schwer, ein Exemplar im Originalzustand aufzutreiben.
Markt
Die insgesamt gute Ersatzteilversorgung und ihre robuste Konstruktion machen die Monza interessant. Zudem ist ihre Wartung recht einfach. Allerdings liegt der Bestand in Deutschland nur bei gut 200 Stück - und in Italien wurde die kleinere, aber viel schwächere V 35 Imola deutlich besser verkauft. Während die Morini 3 ½ Sport mittlerweile fast durchweg in Liebhaberhänden gelandet sind, fristet so manche Monza immer noch ein Schattendasein. Was manche Anbieter nicht hindert, mit dem Namen Moto Guzzi zu wuchern und Traumpreise für verbastelte Exemplare abzurufen. Eine gute Restaurierungsbasis darf 1500 bis 2000 Euro kosten. Für 3500 Euro sollten die oben genannten „Kleinigkeiten“ allesamt ausgemerzt, der gesamte technische Zustand gut und die Optik passabel sein.
Spezialisten
Guzzi e piu/Martin Hagemann
Wittumstraße 18
76707 Hambrücken
www.guzziepiu.de
Unter dem Link www.larioclub.de/Problemzonen.pdf hat Martin Hagemann sehr übersichtlich und verständlich die wichtigsten Probleme - und deren Beseitigung - aller kleinen Guzzis aufgelistet
Clubs und Foren
www.guzzisti.de
www.guzziworld.ch
Daten
Motor:
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, eine untenliegende Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, über Stoßstangen und Kipphebel betätigt, Hubraum 496 cm³, Leistung 49 PS bei 7600/min
Kraftübertragung:
Einscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kardanantrieb
Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel, Ø 31,7 mm, Zweiarmschwinge aus Leichtmetallguss, zwei Federbeine, Leichtmetall-Gussräder, Reifen 3.25 x 18 vorn, 3.50 x 18 hinten, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 230 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 230 mm, Integral-Bremssystem
Maße und Gewichte:
Radstand 1410 mm, Gewicht vollgetankt 181 kg
Fahrleistungen:
Höchstgeschwindigkeit 174 km/h liegend
Preis 1975: 5200 Mark
Technik
Der ebenso leidenschaftliche wie pragmatische Ingenieur Franco Lambertini verpasste seinem Morini-V2 nicht nur Heron-Zylinderköpfe, sondern - erstmalig im Serienmotorradbau - auch einen Zahnriemen als Nockenwellenantrieb. Der spart Gewicht und senkt Geräusche. Die von Ducati Elettrotecnica entwickelte elektronische Zündung und ein elektromagnetisch gesteuerter Benzinhahn hielten ebenfalls Einzug, das Sechsganggetriebe war zumindest eine Seltenheit. Gegenüber dem bereits recht druckvollen Motor des Touringmodells stieg die Leistung der Sport dank erhöhter Verdichtung und schärferer Nockenwelle nochmals an. Dennoch wurde sie in Deutschland mit nur 28 PS homologiert - ein Wert, dem die gemessene Höchstgeschwindigkeit deutlich widerspricht. Ihr Debüt gab die Sport mit einer Grimeca-Doppel-Simplexbremse, die in ihrer Wirkung einer Scheibenbremse nicht nachstand, in der Dosierbarkeit aber sehr wohl. Folglich werkelte vorn ab 1976 eine allerdings recht stumpfe Scheibenbremse vom selben Hersteller. Ein Jahr später ersetzten modische Gussräder die Drahtspeichenräder mit den Borrani-Hochschulterfelgen. Im Motorinneren wurde einer der wenigen Schwachpunkte beseitigt, weil die Kurbelwelle nun rechts in einem Gleit- statt einem Kugellager rotierte. Auf Wunsch lieferte der Hersteller ab diesem Modelljahr einen Elektrostarter.
Gebrauchtcheck
Anders als Moto Guzzi machte Morini recht gute Erfahrungen mit der elektronischen Zündung, deshalb steckt sie auch heute noch in den meisten 3 ½ Sport, allerdings oft mit verbesserten Pickups. Unterschiedlich lange Zahnriemen aufgrund von Fertigungstoleranzen erforderten unterschiedlich dimensionierte Nockenwellenräder (mit A, B oder C markiert), um die nötige Riemenspannung sicherzustellen. Die Riemen müssen alle 20000 Kilometer und/oder spätestens alle drei Jahre gewechselt werden. Der Ölkreislauf des soliden Motors muss serienmäßig ohne Feinfilter auskommen. Kein Problem, wenn das Öl spätestens alle 5000 Kilometer gewechselt wurde. Andernfalls können sich die Ölschlammbohrungen in der Kurbelwelle zusetzen.
Markt
Wer eine 3 ½ kauft, muss wie bei jedem 35 Jahre alten Motorrad mit manchem rechnen. Selten jedoch mit kapitalen Schäden. Die 3 ½ Sport als beliebteste Morini ist aber keine Rarität. Deshalb sollte der Preis selbst für ein sehr gutes Exemplar der frühen, besonders begehrten Modelljahre die 4500-Euro-Grenze nicht überschreiten. Spätere Modelle mit Scheibenbremse und Gussrädern werden auch in gutem Zustand zwischen 2000 und 3000 Euro gehandelt. Ein Exemplar dieser Preisklasse sollte dann schon mit den gängigen Verbesserungen an der Zündung sowie einem frischen Zahnriemen aufwarten. Ebenso mit brauchbaren Federbeinen - als sinnvollster Ersatz haben sich Exemplare von Ikon erwiesen.
Spezialisten
Wolfgang Tritsch
Schwabenmatten 7
79292 Pfaffenweiler
www.w-tritsch.de
Dieter Hoffmann
Birkenstraße 19
74834 Elztal-Dallau
www.morinicorse.com
Werner Wilhelmi
Bäderstraße 13
56357 Holzhausen
Clubs und Foren
www.ital-web.de
Daten (Modell 1976)
Motor:
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-72-Grad-V-Motor, eine untenliegende Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, über Stoßstangen und Kipphebel betätigt, Hubraum 344 cm³, Leistung 28 PS bei 6850/min
Kraftübertragung:
Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel, Ø 35 mm, Zweiarmschwinge aus Stahlrohr, zwei Federbeine, Drahtspeichenräder, Reifen 3.25 x 18 vorn, 4.10 x 18 hinten, Einscheibenbremse vorn, Trommelbremse hinten
Maße und Gewichte:
Radstand 1400 mm, Gewicht vollgetankt 158 kg
Fahrleistungen:
Höchstgeschwindigkeit 174 km/h liegend