Es war im Frühsommer 1983, da nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, um bei der BMW-Niederlassung in Stuttgart eine Probefahrt mit einer BMW R 100 CS zu vereinbaren. Klar, dass ich als 18-jähriger Pennäler damals weder zur typischen Klientel für das sportliche Topmodell der Bayern zählte, noch die 11.590 Mark dafür besaß. Der Verkaufsprofi hinterm dunkel gebeizten Tresen ließ mich das jedoch nicht spüren, sondern drückte mir mit wissendem Grinsen und den Worten „eine halbe Stunde!“ den Schlüssel in die Hand.
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BMW R 100 CS 1983
Unrestauriertes Original von 1983
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Rotmetallic mit dem Farbcode 566
Diese Probefahrt ist mir bis heute bestens in Erinnerung geblieben. Nicht, weil ich bei meinem ersten Ausritt auf so einem Bayern-Boxer mit den mir damals unbekannten Eigenarten zu kämpfen hatte, die mich in typischer Grünschnabel-Manier lastwechselnd durch die Kurven eiern ließen.
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Metallic-Rot und die goldenen Streifen verleihen der R 100 CS eine zeitlose Eleganz.
Sondern wegen dieses einen Linksknicks, in dem mich das weit auskeilende Heck eines entgegenkommenden, roten Ford Consul Coupés in den absoluten Grenzbereich der straßenbaulichen Befestigungsmaßnahmen zwang, dem die praktisch neue BMW R 100 CS und ich trotz Leitpfosten und jeder Menge Rollsplitt mit sehr viel Glück unbeschadet entkamen. Klar, dass ich sofort wieder das bedrohliche Bild mit diesem quer entgegenkommenden Ford vor Augen hatte, als ich unser Fotomodell in einer Internet-Annonce entdeckte. Schließlich war „mein“ damaliger Vorführer genau so eine BMW R 100 CS in Rotmetallic mit dem Farbcode 566. Und natürlich faszinierte mich, dass der angebotene Sport-Boxer 35 Jahre nach meinem unvergesslichen Ausritt kaum mehr Kilometer auf dem Tacho haben sollte als das einstige Probefahrzeug.
Konnte das wirklich sein?
Schon nach wenigen Minuten am Telefon war klar, dass wir diesen zwar 4.038 Mal gebauten, in solch einem unrestaurierten Originalzustand aber extrem raren Zweiventil-Boxer ins Studio stellen mussten. Der Anbieter hatte sich die BMW R 100 CS, deren Originalbrief nach der Tageszulassung auf den Händler im Mai 1983 nur einen Vorbesitzer ausweist, 2006 mit rund 4.500 Kilometern auf dem Tacho gekauft. „Aus einem Anflug von Nostalgie“, wie er zugibt. Denn zwischen 1984 und 1990 war er mit genau so einer CS in Rotmetallic bereits über 100.000 Kilometer kreuz und quer durch Europa gereist. Mit diesem Exemplar jedoch wurden es nicht einmal deren 300, die er vor zwölf Jahren an einem Wochenende mit dem Überführungskennzeichen absolvierte.
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Aufgeräumt: schmale Front-Silhouette mit perfekter Symmetrie.
Anschließend hatte er alle Flüssigkeiten abgelassen, den Tank innen mit Ballistol konserviert und die Maschine fachgerecht eingelagert – neben einigen weiteren Krädern, darunter zwei ebenfalls perfekt erhaltenen BMW R 100 CS. Sechs Jahre später brachte er die Maschine im Transporter zu BMW Senger nach Rüsselsheim, wo sämtliche Öle, die Bremsschläuche und die Reifen getauscht wurden. Außerdem wurde hierbei der Lenkungsdämpfer aus dem originalen BMW-Zubehör montiert – jetzt sollte die 1.000er endlich gefahren werden.
Fotomodell im exzellenten Zustand
Doch dazu kam es dann doch nicht, weshalb der Eigner nun, nach weiteren sechs Jahren, die BMW inserierte. Und uns dadurch die Gelegenheit gab, diese rote Schönheit in ihrer ganzen Pracht abzulichten. Tatsächlich ist es immer wieder faszinierend, welche Anziehungskraft die Muth‘sche Linienführung noch immer entfaltet, die schon wegen ihrer strengen Symmetrie eine besondere Ästhetik besitzt. So pilgerten wieder einige Kollegen ins Studio, um den exzellenten Zustand der BMW R 100 CS zu bewundern. Einer eilte danach zum Telefon, um seine Ergriffenheit mitzuteilen. Was dazu führte, dass der Angerufene eine Stunde später zur Stelle war – und dem BMW-Eigner nach kurzer Bedenkzeit eine Kaufzusage gab! Vielleicht ganz gut so. Denn dadurch musste ich mir keine Gedanken mehr über eine eventuelle Probefahrt machen. Was dabei passieren kann, habe ich ja noch in bester Erinnerung.