Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland die Teilnahme am internationalen Motorsport bis 1951 untersagt. Motorradrennen gab es dennoch, allerdings nur auf heimischem Boden. Gefahren wurde in den Jahren 1947 bis 1950 vor allem mit aufgeladenen Vorkriegsmaschinen, wobei BMW mit „Schorsch“ Meier die meisten Siege einfuhr. Als 1951 der Bann gegen deutsche Fahrer und Hersteller aufgehoben wurde, mussten die Münchener für den Wiedereinstieg in die Motorrad-WM eine neue 500er-Rennmaschine entwickeln, da der Weltverband FIM bereits nach Kriegsende aufgeladene Motoren verboten hatte.
Rundenschnitt von 209 km/h
Der Unterschied zwischen einem 500er-Saugmotor und einer aufgeladenen 500er war gewaltig, wie die folgenden Zahlen veranschaulichen: Mit der Kompressor-BMW siegte Georg Meier 1950 auf dem Grenzland-Ring mit einem Rundenschnitt von 209 km/h, in seiner besten Runde fuhr er sogar einen Schnitt von 216 km/h - und das auf einem nackten Renner ohne aerodynamische Hilfsmittel. Offizielle Leistungsangaben veröffentlichte BMW zwar nie, aber in der letzten Kompressor-Saison 1950 müssen es rund 78 bis 80 PS gewesen sein.
Die einfachste Lösung, um dem FIM-Reglement gerecht zu werden, nämlich den Kompressor auszubauen und dem Motor mit klassischem Tuning auf die Sprünge zu helfen, war natürlich keine brauchbare. Denn ein für Aufladung konstruierter Motor funktioniert nach solch einer Kastration überhaupt nicht mehr. Nichts passt, angefangen von den Kanälen im Zylinderkopf über die zu geringe Verdichtung bis hin zu Ventilwinkel und Steuerzeiten, die bei einem Saugmotor radikal anders gestaltet sein müssen. Klar, dass ein derart entmannter Ex-Kompressor-Boxer bestenfalls eine Leistung von 40, vielleicht auch 42 PS freisetzen konnte. Zu wenig, um in der neuen 500er-Klasse konkurrenzfähig zu sein, so viel stand schnell fest.
24 BMW RS 54 verließen die Werkshallen
Es sollte jedoch noch bis 1953 dauern, bevor Meier und der junge Walter Zeller erstmals den Prototypen des neuen 500er-Werks-Rennboxers fahren durften. Der besaß einen modernen Doppelschleifenrahmen, statt Telegabel und Geradewegfederung wurden Vorder- und Hinterrad in Langarmschwingen geführt. Im Frühjahr 1954 wurde dann die vom Werksrenner abgeleitete RS 54 als käufliche Solomaschine für Privatfahrer vorgestellt. Davon verließen insgesamt 24 Stück die Werkshallen (über eine 25. wird aber diskutiert), dazu kamen noch vier Gespanne (im Nachhinein wäre eine umgekehrte Verteilung wohl sinnvoller gewesen). Der Preis für die Solomaschinen - obwohl nie exakt beziffert - war damals astronomisch hoch. Die Norton Manx, eine ebenfalls käufliche Rennmaschine, soll Mitte der 1950er-Jahre nur ein Drittel gekostet haben.
Während eine R 51/3 ein quadratisches Bohrung-/Hub-Verhältnis aufwies (68 x 68 Millimeter), war das RS 54-Triebwerk ein Langhuber (Bohrung x Hub: 66 x 72 Millimeter). Bemerkenswert insofern, weil weniger Hub gleichzeitig auch weniger Baubreite bedeutet hätte. Um die Gemischaufbereitung kümmerten sich zwei 30er-Vergaser von Fischer-Amal (in Lizenz hergestellte Amal-Vergaser), bei den Serienmodellen vertraute BMW dagegen auf Bing-Produkte. Den Großserienprodukten sehr ähnlich war dafür die mechanische Standfestigkeit einer RS 54. Der -Königswellen-Rennboxer lief und lief, die Zuverlässigkeit im Rennbetrieb war wirklich bemerkenswert. Im Vergleich zur Konkurrenz überraschte die RS zudem mit einer außergewöhnlichen Fertigungsqualität. Damals war das in der Rennszene einzigartig, was eine RS 54 für Privatfahrer umso attraktiver machte.
Offiziell 45 PS bei 8000/min
Kein Wunder angesichts des großen technischen Aufwands. Allein für den Ventiltrieb über Königswellen und jeweils zwei obenliegende Nockenwellen mit Kipphebeln brauchte es insgesamt sechs Stirn- und sieben Kegelräder. Hohe Drehzahlen ermöglichte die kurze, biegesteife Kurbelwelle mit zusätzlichem Mittelsegment, die geschmiedeten Kolben liefen in Leichtmetallzylindern mit hartverchromten Laufbuchsen, und die Auslassventile waren zur besseren Wärmeabfuhr mit Natrium gefüllt. Offiziell nannte BMW eine Leistung von 45 PS bei 8000/min, ausreichend für Privatfahrer ohne Ambitionen auf einen WM-Titel. Eine Norton Manx hatte damals nicht mehr Leistung, wog aber 20 Pfund mehr als die 132 Kilogramm schwere RS 54.

Dennoch machte es die RS 54 ihren Piloten nicht gerade leicht, die meisten hatten so ihre Schwierigkeiten mit den Eigenheiten des nervösen Chassis, einem Doppelschleifenrahmen, der Nortons Federbett sehr ähnlich war. Die Probleme resultierten vor allem aus dem sehr kurzen Radstand von nur 1370 Millimetern, bei hohem Tempo wurde die BMW ganz schön unruhig. Dass eine direkte Verbindung von Lenkkopf und Schwingenlager der Fahrstabilität dienlich ist, war in den 50ern noch unbekannt.
Solange es bei den angegebenen 45 PS blieb, funktionierte das Gesamtpaket halbwegs passabel. Wenn aber - wie bei den meisten RS 54 - die Fischer-Amal gegen 32er-Dellorto SSI getauscht und die Verdichtung von acht auf 10:1 angehoben wurden, sah es anders aus. Der Leistungsschub brachte das Chassis noch schneller an seine Grenzen, es zeigte ein mitunter wirklich beunruhigendes Eigenleben. Wie so manch anderer kam auch ich in meiner kurzen Rennkarriere mit Solomaschinen mit diesem Motorrad nicht wirklich zurecht. Zur Saison 1963 hatte ich den Motor überarbeiten lassen, natürlich auch mit höher verdichtenden Kolben. Dadurch lief der Motor viel lebendiger, aber nach dem Zeittraining knurrte ein Konkurrent: „Es reicht, wenn du am Start vorne bist, dann gewinnst du. Du brauchst ja die ganze Strecke, da wird sich niemand trauen, dich zu überholen…“
Zum Renngespann umgebaut
Klar, das war leicht übertrieben, beschreibt aber dennoch eindrücklich die Misere mit der BMW. Meine eigenen Erfolge mit der Maschine fielen dementsprechend bescheiden aus: 1962 belegte ich in der schwedischen Meisterschaft bei den 500ern den dritten Rang, im Jahr darauf war es der vierte. Nachdem ich die BMW im Herbst 1963 verkauft hatte, wurde sie vom neuen Besitzer zum Renngespann umgebaut, ein nicht ungewöhnliches Schicksal dieser Raritäten.
Das wichtigste auf einem Rennmotorrad ist, dass man sich als Fahrer darauf wohlfühlt. Das war bei der RS 54 und mir aber leider nicht der Fall. Und wenn sowohl das Vertrauen als auch die Fahrfreude fehlen, fährt man hinterher, egal wie schnell das -Motorrad ist. In der folgenden Saison pilotierte ich eine getunte und radikal umgebaute Serien-BMW auf Basis der R 50 S. Die -hatte weniger Leistung und mehr Gewicht. Und dennoch war ich damit auf den gleichen Strecken schneller als mit der RS 54!
Trotz allem hat die RS 54 bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Meine war die einzige, die als Neufahrzeug nach Skandinavien gelangte. Ab Frühjahr 1954 wurde sie von einem Finnen eingesetzt, der zwar seinen fahrerischen Zenit bereits überschritten hatte, dafür aber genügend Geld besaß. Zwei Jahre darauf übernahm Evert Carlsson, ein Schwede, die Maschine. Aber auch der war damals als Rennfahrer nur noch ein Schatten seiner selbst. Als ich die RS im Herbst 1961 kaufte, war ich mit knapp 22 Jahren der mit Abstand jüngste Besitzer. Geholfen hat das aber nichts. Nach mir ging die inzwischen zum Renngespann umfunktionierte BMW in den Besitz eines Schweden und eines Finnen über - beide waren zu diesem Zeitpunkt schon jenseits der 40.
BMW RS 54 im Stockholmer Motorradmuseum
Das Fotomodell auf diesen Seiten stammt allerdings aus Deutschland. Es wurde in den 1990er-Jahren von Ewald Dahms restauriert und dann 1997 an Karl Ibscher verkauft, der diese RS 54 bei Klassikrennen einsetzte und dazu vorn eine größer dimensionierte Doppel-Duplexbremse wie bei den Werksrennern nachrüstete. Vor zwei Jahren erstand dann das Stockholmer Motorradmuseum diese rare BMW (www.mc-collection.com).

Im Vergleich zu den RS 54-Kundenmaschinen hatten die BMW-Werksrenner mehr Leistung. Walter Zeller bekam für 1955 einen Kurzhuber (70 x 64 mm), der bis 9500/min drehte, ohne in Stücke zu fliegen. Für schnelle Kurse wie Monza, Spa oder Hockenheim wurde außerdem eine mechanische Einspritzung von Bosch eingesetzt, welche die 58 PS mit Vergasern um drei PS übertraf. Auf engeren Strecken war die Vergaser-Variante im Vorteil, sie brachte in der Mitte mehr Drehmoment. 1956 lief der Werksmotor richtig gut, Zeller wurde hinter John Surtees auf MV Agusta Zweiter in der WM. Die BMW war leichter als die vierzylindrige Konkurrenz, mit Vollverkleidung lag die Spitze bei etwa 245 km/h. Als Walter Zeller 1957 aufhörte, um den Familien-betrieb zu führen, wurde Geoff Duke engagiert. Doch der kam mit der Maschine nie so richtig klar, es reichte nur zum Sieg in Hockenheim 1958. Erfolgreicher war dagegen Dickie Dale, er schaffte 1958 immerhin einen dritten Platz in der 500er-WM.
Die BMW-Werksmaschine unterschied sich in vielen Details von der RS 54. Vorne verzögerte eine Doppel-Duplexbremse, das hintere Pendant wurde hydraulisch betätigt. Außerdem besaß sie einen Doppelgelenk-Kardanantrieb mit Parallelogrammschwinge, die lästige Lastwechselreaktionen minimierte. Das waren aber nur die offensichtlichen Unterschiede, es ist anzunehmen, dass das Fahrgestell selbst ebenfalls stabiler ausfiel.
Seine größten Erfolge feierte der RS 54-Motor jedoch in der Gespannklasse, wo er zwischen 1954 und 1974 stolze 19 WM-Titel einfahren konnte. Schon in den 50er-Jahren sah BMW das Potenzial des Motors und stellte eine (geringe) Zahl von Kurzhubern her. Sie wurden an Privatfahrer verkauft, meist aus Deutschland und der Schweiz. Der Boxer senkte den Schwerpunkt der Renngespanne, wodurch diese eine bessere Kurvenhaftung und, dank kleinerer Stirnfläche, auch höhere Geschwindigkeiten -erreichten. Hinzu kam die bereits erwähnte Zuverlässigkeit, die regelmäßige Zielankünfte ermöglichte. Laut Insidern lag die -Motorleistung jedoch nie über 65 PS. Als Klaus Enders 1974 -seinen sechsten WM-Titel nach Hause fuhr, war dies gleichzeitig auch der letzte Titel für BMW. Auch bei den Solomaschinen war das Jahr 1974 der Wendepunkt: Mit Phil Read auf der MV Agusta gewann zum letzten Mal ein Viertakter die 500er-WM.
Technische Daten

Motor:
Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, zwei über Königswellen und je zwei obenliegende Nockenwellen sowie Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder, Bohrung 66 mm, Hub 72 mm, 492 cm³, Verdichtung 8:1, ca. 45 PS bei 8000/min, zwei 30er-Amal-Fischer-Rundschieber-vergaser, Trockenkupplung, Vierganggetriebe, Kardanantrieb
Fahrwerk:
Doppelschleifen-Rohrrahmen, Langarmschwinge vorn, Zweiarmschwinge hinten, Duplex-Vollnabenbremse vorn, Vollnaben-Trommelbremse hinten, Trockengewicht 132 kg, Tankinhalt 24 l
Höchstgeschwindigkeit:
über 220 km/h