Ducati 916 Traumbike-Wahl 2014

Traumbike-Wahl 2014: Platz 2
:
Ducati 916

© Foto: Jahn 26 Bilder

Die Ducati 916 ist eine Sportlerin mit Leib und Seele. Aber auch eine Göttin auf Rädern. Sie schärft die Sinne, betört und beglückt, verwandelt den Fahrer. Denn Reiz ist Schönheit in Bewegung.

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Eine Begegnung mit der Ducati 916 in den 90er-Jahren bleibt für immer ­unvergesslich: eine Fahrt von Karlsruhe nach Stuttgart mit Topspeed über die kurvigen Hügel der A 8 (sie war damals noch nicht von Dauerbaustellen und süddeutschem Verkehrsinfarkt zur Kriechspur mutiert). Wie die Ducati 916 telepathisch der angepeilten Linie folgte, als fräste der eigene Blick Schienen auf den Asphalt. Was für eine begeisternde Lenkpräzision! Mit gebührendem Abstand folgten zwei deutlich stärkere japanische Supersportler.

Und heute, etliche Jahre und viele graue Haare später, ist das alte Gefühl sofort wieder da. Sensationell, wie diese feuerrote  Ducati 916 aus dem letzten Baujahr 1998 in schnellen, lang gezogenen Kurven stoisch ihre Bahn zieht. Als kleinerer Fahrer verschmilzt du regelrecht mit der zierlichen italienischen Signora. Fühlst ihren sinnlich-schmalen 17-Liter-Tank zwischen deinen Schenkeln, spürst den Höcker hinter dir, gut sitzend wie ein Maßanzug.

Mensch und Maschine mutieren zur Einheit. Es ist eine Art Zwiesprache, innere Versenkung. Mit der Ducati 916 über einsame Landstraßen im Abendlicht zu surfen gehört zum Inten-sivsten auf zwei Rädern überhaupt. Glück durch Bewegung, Motion schafft Emozione.

Mühelos, aber auch nicht explosiv

Unter dir pulst der Desmo-V2, vibriert spürbar, aber nie störend. Seine 109 PS aus 916 Kubik reißen dir beim Beschleunigen nicht gleich die Arme ab. Selbst wenn die Optik von Ducatis so dominanten Superbike-Rennern aus den 90ern grüßen lässt.

Knackig hängt das wassergekühlte 90-Grad-L am Gas. Mühelos, aber auch nicht explosiv stürmt der V-Twin durchs Drehzahlband. Erst das Zurückschalten macht bei der langen Übersetzung wirklich flott. Ab 5000 Touren wirkt er befreiter, dreht freier hoch. Dabei verwöhnt er mit rundem Leerlauf. Einspritzung gehörte bei der Ducati 916 bereits beim Debüt 1994 zum guten Ton.

Hier trifft ein animierendes Ansauggeräusch auf einen scharfen Auspuffsound. Es grollt dumpf, aber nicht laut aus den verführerisch hochgelegten Schalldämpfern im Heck. Das Getriebe gibt sich hart, aber herzlich, mit kurzen Wegen; die hydraulisch betätigte, laut rasselnde Trockenkupplung braucht Kraft.

Prima harmonieren die Michelin Pilot Sport mit der Ducati 916, auch wenn Pirellis stilvoller wären. Haftfreudig (außer erwiesenermaßen auf Rennstrecken), neu­tral in Schräglage und mit geringem Aufstellmoment gesegnet. Es ist im Nu wieder da, „das legendäre Ground-Effekt-Feeling bis in größte Schräglagen“ (MOTORRAD 21/1998). Klar braucht man bei dieser Leistung nicht wirklich zwingend einen 190er-Hinter­reifen. Aber trägt Angelina Jolie High Heels wegen der Fußgesundheit?

„Handling hatte ich störrischer in Erinnerung“

Handlingfördernd bei diesem gepflegten Exemplar wirkt die gefräste obere Gabelbrücke von Ducati-Papst Ronald März. Sie platziert die Lenkerhälften oben an den Gabelholmen. Das ergibt einen längeren Hebelarm bei toller Vorderradkontrolle. So hat man(n) mit der alltagstauglichen, nicht ganz so devot gebückten Sitzposition die Signora besser im Griff. Denn das Handling der Ducati 916 hatte ich störrischer in Erinnerung. Für sportive Aura sorgt das nachträglich montierte Monoposto-Heck samt Abbau der ­serienmäßigen Soziusrasten. Der Höcker sieht in Weiß-Rot ungeheuer wichtig und edel aus, dank goldener Zierstreifen und italienischer Tricolore in Grün-Weiß-Rot ­dar­auf.

Feinfühlig lassen sich die goldenen Brembos anlegen, bremsen nicht brachial, aber kraftvoll. Fast seismografisch-feinfühlig tasten voll einstellbare Federelemente von Showa (Upside-down-Gabel und Einarmschwinge in den 90er-Jahren!) das Asphaltrelief ab. Wobei insbesondere das Federbein ziemlich straff arbeitet. Hart, aber herzlich. Komfort gibt’s woanders. All das ist im Jahr 2014 nicht mehr High-End, aber auch ohne Verklärung absolut gefühlsecht.

Von nichts kommt nichts: Damals war die Ducati 916 sündhaft teuer, über 30.000 Mark! Sie verkörperte ab 1994 perfekt den Traum des zierlichen, schlanken Zweizylinder-Sportlers. 218 Kilogramm pure Verführung – mit nur 109 PS volle 260 km/h schnell.

Ducati 916 kostete über 30.000 Mark

All diese charakteristischen Details: sehr ­filigran und doch stabil. So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Etwa die dünnen Stahlrohre des Gitterrohrrahmens. Die im gleichen goldbronzenen Farbton schimmernden Dreispeichen-Gussräder sind tatsächlich ziemlich schwer. Sie wichen beim Nachfolger 996 leichteren, weniger schmucken Fünfspeichen-Felgen. Die Ducati 916 ist ein drahtig-sehniger Keil, ein Pfeil, ein Mythos auf Rädern. Echtes Garagenglück. Sie putzen zu dürfen ist fast ein meditativer Akt. In dieses Gesamtkunstwerk eintauchen, alle seine feinen Augenschmaus-Details zu begreifen, zu erfassen. Es ist, wie den Körper einer sehr schönen Frau zu streicheln. Ein Motorrad ist dann ästhetisch, wenn alle Teile, alle Baugruppen harmonisch zusammenpassen. Gilt ideal bei der Ikone Ducati 916.

Ohne diesen Meilenstein hätte es keine Ducati 1098 und keine Panigale, auch keine glücklose, weil weniger schöne 999 gegeben. In Zeiten explodierender Leistungen bleibt die Ducati 916, was sie immer war: eine faszinierende Fahrmaschine. „Eine gelungene Komposition aus Ästhetik und technischer Finesse“ schrieb Jörg Schüller in MOTORRAD 21/1998. Stimmt.

Es ist Liebe, nach wie vor. Finden auch unsere Leser. Sie beweisen dies mit dem zweiten Platz in ihrer Wahl. Gratulation und Mille Grazie, Ducati 916!

Technische Daten Ducati 916

© Foto: Jahn

Ducati 916.

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, quer eingebaut, je zwei obenliegende, riemengetriebene Nocken­wellen, vier desmodromisch betätigte Ventile pro Zylinder, Boh­rung/Hub 94/66 mm, 916 cm³, 109 PS bei 9000/min, 92 Nm bei 6600/min, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 50 mm, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/16 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Fe­derbasis, Zug-und Druckstufendämpfung, Ein­armschwinge aus Alu­minium, Zentralfederbein mit Hebel­system, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Zweikolben-Festsattel. Radstand 1410 mm, Lenkkopfwinkel 66,5 Grad, Nachlauf 97 mm, Federweg v./h. 120/130 mm, Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17, Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17; Sitzhöhe 790 mm, Gewicht vollgetankt 218 kg, Zuladung 182 kg, Tankinhalt/Reserve 17/4 Liter. Höchstgeschwindigkeit 260 km/h, Preis 30.490 Mark (1998, inkl. NK).

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