Die Honda CX 500 sollte 1978 mit außergewöhnlichen technischen Lösungen und außergewöhnlichem Design die Mittelklasse erobern. Doch sie verfehlte den Zeitgeist und musste sich ihre Anerkennung hart erarbeiten.
Die Honda CX 500 sollte 1978 mit außergewöhnlichen technischen Lösungen und außergewöhnlichem Design die Mittelklasse erobern. Doch sie verfehlte den Zeitgeist und musste sich ihre Anerkennung hart erarbeiten.
"So hässlich die Maschine aussieht, so gut fährt sie sich", lautete das raue, aber herzliche Fazit des ersten Tests der Honda CX 500 in MOTORRAD 3/1978. Auf viel Gegenliebe stieß das pummelige Design damals wahrlich nicht. Die merkwürdig nach vorne ansteigende Linie, die knubbelige Lampenverkleidung, dazu Comstar-Räder. Vor allem der wassergekühlte V2 mit seinen seltsam verdrehten, glattflächigen Zylindern, das alles rüttelte heftig an den Sehgewohnheiten, auch wenn mit der Gold Wing bereits ein wassergekühltes Modell im Programm war. Und überhaupt: Honda hatte die Mittelklasse ja bestens besetzt mit bildschönen, leistungsstarken Vierzylindern.
Und dann fing sich die Honda CX 500 in einem Comic auch noch den despektierlichen Spitznamen Güllepumpe ein, das machte die Sache auch nicht besser. Dennoch wurde sie ein Erfolg, allerdings war es ein weiter Weg bis dahin. Nimmt man alle Varianten zusammen, verkaufte sie sich 40.000-mal in Deutschland. Am erfolgreichsten aber war die Ur-CX, für die sich rund 25.000 Käufer entschieden. Sie überzeugte. Mit handfesten Qualitäten und fortschrittlicher Technik. Und vielleicht auch mit dem Reiz des Ungewohnten.
Zumindest schrullig wirkt die Honda CX 500 auch aus heutiger Sicht noch. Aber nicht minder eigenständig und interessant. Ein Blick auf die Technik, die Honda in das Motorrad gepackt hatte, lohnt. Kaum eine Konvention, mit der die Techniker bei dieser Konstruktion nicht gebrochen haben. Klar gab es längs eingebaute V-Motoren und Kardan auch schon anderswo. Aber kombiniert mit Wasserkühlung in einem Mittelklasse-Modell, das war neu. Ebenso wie viele weitere technische Kniffe. Die Ingenieure hatten tief in die Trickkiste gegriffen, um ein Motorrad auf die Räder zu stellen, das „als außergewöhnlich bezeichnet werden kann“. So der Werbetext.
Die Techniker haben die Zylinder um 22 Grad zur Längsachse gedreht, was nicht nur den Fahrerknien mehr Platz gewährt, sondern auch geradere, leistungsfördernde Ansaugwege ermöglicht. Anders als bei BMW und Guzzi sitzt die Kupplung der Honda CX 500 nicht als riesige Schwungmasse an der Nahtstelle zwischen Motor und angeblocktem Getriebe, sondern als Ölbadkupplung vor dem Motor. Und rotiert entgegen der Kurbelwelle, was das Kippmoment des Motors beim Gasgeben weitgehend eliminiert. Ein Kniff, den BMW heute beim Wasserboxer wiederentdeckt hat.
Doch das war längst nicht alles. Motorgehäuse und Zylinder der Honda CX 500 waren – ein Novum – einteilig gefertigt. Was sowohl Bearbeitungsschritte als auch eine Dichtstelle einsparte. Eine im Zylinder-V liegende Nockenwelle trieb über kurze, leichte Stoßstangen die jeweils vier Ventile pro Zylinder an. Das sparte die obenliegende Nockenwelle, damit Kosten und Bauhöhe, und erlaubte dennoch ordentliche Drehzahlen. Die Ventile waren so angeordnet, dass die Zündkerzen zentral in den Brennräumen untergebracht werden konnten. Der Motor war kurzhubig ausgelegt, was Drehzahlen bis 10.000/min ermöglichte, mit 10:1 recht hoch verdichtet und kam trotzdem mit Normalbenzin zurecht. Die daraus resultierenden 100 PS Literleistung war für einen Twin beachtlich. Außerdem spreizte er seine Zylinder im exotischen Winkel von 80 Grad, um Baubreite zu sparen, und war als mittragendes Element in den ungewöhnlich geformten Rahmen eingespannt. Und die nicht minder gewöhnungsbedürftigen Comstar-Felgen trugen schlauchlose Reifen. Alles in allem für Technik-Freaks ein Genuss, für Ästheten – oder wer sich dafür hielt – eher weniger.
Den Choke-Knopf also gezogen, etwas länger auf den Anlasser gedrückt. Dann springt unser immerhin schon knapp 54.000 Kilometer gelaufenes Aggregat willig an und blubbert mit diesem typischen, gutturalen V2-Ton zufrieden im Leerlauf vor sich hin. Es tönt auch heute noch mechanisch ausgesprochen leise.
„So wollte ich immer, dass meine Guzzi läuft“, sinniert Chef Michael Pfeiffer beim Sound-Check in der Redaktions-Tiefgarage. Tja Chef, benutzerfreundlich und zuverlässig, das war halt schon zu Beginn der 80er typisch Honda. Nach anfänglichen kleineren Problemen mit brechenden Steuerkettenspannern und undichten Wasserpumpen entwickelte sich die Honda CX 500 nämlich zum echten Dauerläufer. Und auch heute noch finden sich in den gängigen Internet-Portalen Exemplare, die mit rund 90.000 Kilometern feilgeboten werden. Der erste Gang rastet trocken ein, die Reise kann beginnen.
Die Sitzposition wirkt keineswegs antiquiert, aufrecht hinterm überraschend breiten Lenker, mehr in als auf dem Motorrad. Sanft nimmt der Motor ab Leerlaufdrehzahl Gas an, und noch ehe man die heimatliche Tempo-30-Zone verlässt, ist bereits der vierte von fünf Gängen drin. Kein Ruckeln, kein Verschlucken. Wohlgedämpft stampft und bollert die Honda CX 500 vor sich hin, das Ortsende kommt in Sichtweite, fünfter Gang und raus auf die offene Landstraße.
Trotz des ungewöhnlichen Zylinderwinkels läuft der V2 in der ersten Hälfte des Drehzahlbands verblüffend weich. Nimmt sanft und mit ausgesprochen geringen Kardanreaktionen Gas an. Kein Vergleich zum fahrstuhlartigen Auf und Ab der damaligen BMWs.
Das bemerkenswerte Drehvermögen des Vierventilers nutzte Honda zu einer recht kurzen Gesamtübersetzung. So dreht die Honda bei Landstraßentempo bereits gut 5000/min. Anders als es das bullige Aussehen vermuten lässt, gibt sich die Honda CX 500 untenrum aber eher zurückhaltend. Soll es zügig vorangehen, ist die zweite Drehzahlhälfte gefragt. Dort wird die CX richtig lebhaft und entwickelt ihr Temperament mit überraschender Drehfreude. Sanftes Trommeln in den Rasten ab 7000/min zeugt zwar davon, dass der Massenausgleich doch nicht ganz auf dem hohen Niveau eines 90-Grad-V2 liegt, doch sind diese Lebensäußerungen harmloser Natur.
Den Alltag erleichtert die Honda CX 500 mit kleinen Annehmlichkeiten wie dem leichten Aufbocken oder dem frappierend kleinen Wendekreis. Es passt ganz ausgezeichnet zum durch und durch umgänglichen Charakter der CX, der ihr letztlich neben ihrer Robustheit eine so große Fangemeinde bescherte. Und ein Übriges dürfte der MOTORRAD-Langstreckentest dazu beigetragen haben. Praktisch kein Ölverbrauch über die damals noch üblichen 25.000 Kilometer, unzulässiger Verschleiß war nach den anfänglichen typischen Problemen mit dem Steuerketten-Spanner nur an den Ventilführungen feststellbar. Das zementierte den Ruf der CX als genügsame, robuste Tourenmaschine endgültig. Ebenso wie das gelungene Fahrwerk.
Narrensicheres Lenkverhalten, minimale Aufstellneigung, so zirkelt die Honda CX 500 entspannt um die Kurven. Mit aktuellen Gummis, in diesem Fall Michelin Pilot Activ, besohlt, gehen Einlenken und Richtungswechsel ohne viel Federlesen über die Bühne. Und auch in schnellen Bögen zieht die 500er ruhig und konzentriert ihre Bahn.
Keineswegs selbstverständlich in Zeiten, als wackelnde Fahrwerke noch an der Tagesordnung waren. Und durchaus erstaunlich angesichts von Fahrwerksdetails wie der spillerigen Vorderachse oder steckerldürrer 33er-Standrohre an der Telegabel. Da haben inzwischen moderne Mountainbikes fettere Gabeln als die Honda CX 500. Dennoch herrscht Wohlbefinden an Bord, denn nicht nur das Fahrwerk macht flottes Tempo mit. Der Motor ist thermisch kerngesund. Selbst bei zügigem Tempo wandert die Nadel der Wassertemperatur-Anzeige nie über die mittlere Position hinaus. Nur die Bremse verlangt beim zügigen Landstraßen-Ritt eine etwas vorausschauende Fahrweise. Denn obwohl seinerzeit hochgelobt, ist die Doppelscheibenbremse mit ihren Einkolben-Schwimmsätteln und 240er-Scheiben – diese Dimensionen schmücken heute in der Regel Hinterräder – wohl mit den Jahren etwas altersmilde geworden und entwickelt nach heutigen Maßstäben nur überschaubaren Biss. Wirksam unterstützt wird sie allerdings von der Trommelbremse im Hinterrad.
Von den damaligen Testverbräuchen von sechseinhalb bis sieben Litern distanzierte sich unser Exemplar übrigens deutlich. Nur knapp fünf Liter genehmigte sich die Honda CX 500, die uns Leser Daniel Kiessner freundlicherweise zur Verfügung stellte.
Die kultige Honda CX 500 hat inzwischen eine treue Fangemeinde – nicht zuletzt als Basis für mehr oder weniger ambitionierte Vintage-Umbauten. Und so wird ihr heute der verdiente Respekt zuteil, der ihr bei der Markteinführung zunächst verwehrt blieb. Was wohl am besten eine Begebenheit auf der Heimfahrt nach Ende dieses Tests, durch den Stau auf der verstopften A 8, illustriert: Der Beifahrer eines Kleintransporters entdeckt die rote CX im Rückspiegel, lehnt sich mit breitem Grinsen aus dem Fenster und ruft mit erhobenem Daumen: "Güllepumpe! Isch geil!"
Zweizylinder-80-Grad-V-Motor, 496 cm³, 37 kW (50 PS) bei 9000/min, 43 Nm bei 7000/min, Einrohr-Stahlrahmen, Telegabel,
Doppelscheibenbremse vorn, Trommelbremse hinten, Ø 240/160 mm, Gewicht vollgetankt 221 kg, Tankinhalt 17 Liter, Preis (1978) 5620 Mark