Kawasaki Z 750 B, Triumph Bonneville 750 und Yamaha XS 650
Parallel-Twins im Vergleich

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Parallel-Twins haben eine lange Tradition. In England. ­Können die japanischen "Kopien" aus den 1970ern hier mithalten? Eine Vergleichsfahrt soll Klarheit bringen: Start your engines, please.

Parallel-Twins im Vergleich
Foto: bilski-fotografie.de

Wer sich bewusst für einen Parallel-Twin entscheidet, weiß, was er will: einen satt wummernden, aus dem Keller schiebenden Dampfhammer mit kernigem Sound und ebensolchen Lebensäußerungen in Form spürbarer Vibrationen. Oder, um es mit den Worten aus einem alten Test der ­Triumph Bonneville in MOTORRAD zu formulieren: „Wer auf eine Bonnie steigt, erwartet keinen seidenweichen Lauf, säuselnden Auspuffton oder imponierende Höchstgeschwindigkeiten und die heutzutage eintönige Zeremonie von Knopfdruck, losfahren, nichts hören, nichts fühlen wäre ihm zuwider.“ Diesem Anspruch fühlte sich die Triumph Bonne­ville (und ebenso die Tiger) ja auch über ­viele Jahre verpflichtet, seit sie Ende der 1950er als 650er das Licht der Welt erblickte und ­ihren Charakter, ungeachtet aller Modellpflege und Veränderungen über die Jahre stets bewahrt hat.

Unsere Highlights

Tradition und moderne Technik aus Japan

Die Japaner, anfangs noch mit Zweitakternoder später mit leistungsstarken Vier­zylindern erfolgreich, wollten Fans dieser kernigen Motorengattung ebenfalls etwas bieten und verknüpften die traditionelle Bauweise gleich mit moderner Technik. Kann das Puristen überzeugen, reichen die „Kopien“ von Yamaha und Kawasaki an das Triumph-„Original“ heran? Oder sollte man besser von japanischen Interpretationen des britischen Vorbilds sprechen? Dem Vergleich stellen sich eine Yamaha XS 650 und eine Kawasaki Z 750 B von 1977. Als Original steht uns dabei eine Bonneville von 1978 zur Verfügung – Triumph-Fan Peter Zeeb, der eine stolze Sammlung vor allem an britischen Bikes besitzt, hat sie uns geliehen. Als spätes ­Exemplar der Bonnie-Baureihe trägt sie natürlich bereits alle Veränderungen und Verbesserungen: 1972 kam (anfangs auf Wunsch) das Fünfganggetriebe (ab 1973 Serie, seit 1976 wird dieses links geschaltet), 1973 wuchs der Hubraum durch Vergrößerung der Bohrung auf letztlich 743 cm³, im selben Jahr kam der Primärantrieb über eine Dreifach-Rollenkette, dazu die Scheibenbremse vorn. 1976 erhielt die 750er auch hinten eine Scheibenbremse.

Die unter Puristen nicht sonderlich ­geliebten Gussräder (ab 1979) und den ­E-Starter (ab 1980) besitzt unsere Bonnie ­also noch nicht und präsentiert sich old-fashioned ohne modernen Schnickschnack. Komplett original ist aber auch Peters Triumph nicht: Sie trägt die weitverbreiteten, viel besser klingenden Roadster-Auspufftüten, das Rücklicht des alten 1972er-Modells und anstelle der Amal-Vergaser bereiten hier 32er-Flachschiebervergaser von KOSO das Gemisch auf. „Das war ein Tipp eines Kumpels, die sollen gut funktionieren, hieß es“.

Triumph Bonneville 750 mit sattem Bass

Wir werden sehen. Antreten ist an­gesagt – die beiden Chokeknöpfe für den Kaltstart vorsichtig hochziehen, und, wie sich im Laufe der folgenden Tage herausstellen sollte, der Twin der Triumph Bonneville 750 springt kalt wie warm auf den ersten, spätestens den zweiten Tritt an. Yes, durchzuckt es auch die Umstehenden, so muss ein Twin klingen. Ausreichend gedämpft, mit sattem Bass bollernd im Stand, bei leichten Gasstößen gepresst donnernd und deutlich vernehmbar, aber nicht störend laut – that’s it!

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In MOTORRAD 20/1978 wurde die modellgepflegte Bonneville einem ausführlichen und kritischen Test unterzogen.

In den an­genehm niedrigen Sattel schwingen, den ausladenden Seitenständer einklappen (keine schnalzende Feder – sehr lobenswert), die Hände an den breiten, weit ausladend geschwungenen Lenker legen und den pulsierenden Motor genießen. Die Sitzhaltung mit geradem Oberkörper, den Füßen auf den weit vorn platzierten Rasten und dem schubkarrenartigen Lenker lässt im Vergleich zu den Arrangements auf den beiden Japanern fast Chopper-Assoziationen aufkommen. Der sportliche Fahrstil, der sich auf kurvigem Geläuf der kleinen Sträßchen im französischen Hinterland einstellt, wo wir unterwegs sind, straft diese Gedanken sofort Lügen. Das knackig und mit kurzen Wegen schaltbare Getriebe erfordert zwar etwas Kraft und Nachdruck, doch immer öfter bleibt der höhere Gang in den engen Kurven einfach drin, und der satte, sanft einsetzende und gut dosierbare Schub, mit dem die Bonnie aus der Kurve schnalzt, treibt einem mehr als einmal das Grinsen ins Gesicht.

Die betagte Konstruktion mit zwei untenliegenden Nockenwellen, Stoßstangen und Graugusszylindern ist schließlich auch nicht für hohe Drehzahlen geschaffen und somit nichts für hohes Dauertempo oder permanente Drehzahlorgien. Auf den etwas unpräzise informierenden Smiths-Uhren mit den zappelnden Zeigern lassen sich Speed und Drehzahl nur grob abschätzen – irgendwo ab 2.000 Touren setzt der Schub ein, legt unter herr­lichem Röhren gleichmäßig zu, irgendwo um die 5.000/min neigt man zum Schalten, weil es im nächsten Gang ja mit Schmackes weitergeht. Ob die 49 PS bei 6.500/min vollzählig vorhanden sind, interessiert weniger als das bei 5.500/min anliegende maximale Drehmoment. Mit dessen Hilfe lässt sich die Britin herrlich sauber aus den Kehren rausbeschleunigen, vor der nächsten Kurve kommen die beiden Scheibenbremsen zum Einsatz.

Gut verteiltes, geringes Gewicht

Die Lockheed-Sättel packen erstaunlich derb zu, sofern man beherzt am Bremshebel zieht, die hintere Anlage unterstützt die Ein­zelscheibe vorn nach Kräften. Sport­lichem Fahrstil steht auch das stabile Fahrwerk nicht entgegen, der dicke Zentralrohrrahmen mit Doppelschleifenunterzug ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Das geringe, gut verteilte Gewicht lässt die Triumph leicht in Schräglage klappen und trotz des großen 19-Zoll-Vorderrads angenehm leicht einlenken.

Vor allem aber sorgen die tolle Präzision beim Anvisieren der Linie und die hohe Spurtreue für Vertrauen und mächtig Kurvenspaß. Die für 1978 nochmals leicht verbesserte Gabel hilft auf holprigem Belag mit ­ordentlichem Ansprechverhalten und guter Dämpfung, das Vorderrad auf dem Boden zu halten. Die trocken agierenden Federbeine hintenwippen schon mal nach, ­verderben jedoch keineswegs den Spaß. Die einst serien­mäßige Dunlop TT 100-Bereifung ist zum Glück längst neuen Schlappen gewichen – heute rollt die ­Triumph, ganz Patriotin, auf britischen Pneus von Avon. Nicht immer der Hit in Sachen allerletzter Grip, doch für die hier angesagte Fahrweise, ­also zügiges, rundes ­Rollen, reicht es allemal. Zumal in Linkskurven ja auch der aufsetzende Hauptständer mit Kratzgeräuschen zur Mäßigung mahnt. Also cool bleiben, britische Zurückhaltung üben.

Kawasaki Z 750 B wirkt wuchtig

Können die beiden Japan-Twins hier in Sachen Fahrspaß mithalten? Die vergleichsweise junge Kawasaki Z 750 B, sie kam 1976 auf den Markt, beeindruckt jedenfalls bereits im Stand. Und zwar mit schierer Größe – sie wirkt wuchtig, gewaltig im Vergleich. Und sie gibt sich mit ­Kawa-typischem Familien-Design als solche zu erkennen, wenn auch die rekordverdächtig riesigen Seitendeckel und der Heckbürzel eckiger, kantiger ausfallen als etwa bei den Vierzylinder-Schwestern derZ-Familie. An anderen Kawasaki-Modellen mangelt es denn auch Ralf Gnatzy nicht, dem der hier gezeigte 750er-Twin des Modelljahres 1977 gehört. Vor zwölf Jahren fand er den Weg in seine Garage, wurde seither aber viel zu selten bewegt.

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Wer Laufruhe sucht, findet sie bei der Kawasaki Z 750 B. Auch akustisch hält sie sich Motor mehr als zurück.

Das wird sich ja nun heute ändern. Die Fotofahrten mit Ralf im Sattel sind absolviert, jetzt übernehme ich die Kawasaki Z 750 B, um meine Fahreindrücke zu sammeln. Der Motor ist warm, Chokehilfe entfällt also. Einfach Zündung an, einen Blick ins sauber gezeichnete, Kawa-typische Cockpit werfen – hier gibt es schließlich auch eine Leerlaufanzeige. Einen halbherzigen ersten Tritt ohne letzte Entschlossenheit lässt die Kawa unbeeindruckt verpuffen. Okay, dann eben auf die harte Tour – die Bonnie verlangte weniger Kraft. Der zweite Tritt wirkt, der anders als die Britin nicht langhubig, sondern exakt quadratisch ausgelegte Motor läuft. Aber man spürt, dass man nichts spürt. Der technisch aufwendige dohc-Twin trumpft nicht nur mit gleitgelagertem Kurbeltrieb auf, sondern auch mit Hightech-Lösungen. Gleich zwei gegenläufig rotierende Ausgleichswellen, per Kette angetrieben, trainieren dem Twin die Vibrationen ab, lassen ihn nahezu gänzlich erschütterungsfrei laufen.

Ein Twin mit der Laufruhe eines Sechszylinders – war dies das Ziel? Nun, wer Laufruhe sucht, findet sie hier. Auch akustisch hält sich der Kawa-Motor mehr als zurück, ein gut gedämpftes, hechelndes Brabbeln, viel mehr entweicht den beiden dicken Chromtöpfen nicht. Zwei, drei Gasstöße beweisen, wie gut und ­direkt der Twin am Gas hängt – also los mit der wuchtigen Fuhre. Höhere Sitz­position, höherer, gleichzeitig schmalerer Lenker, entspannter Kniewinkel – alles an der Kawasaki Z 750 B ist mächtiger, die Sitzhaltung gleichzeitig erhabener. Die erst sehr spät einrückende Kupplung lässt sich gut dosieren, mit wenig Gas und ohne Krawall setzt sich die Japanerin in Bewegung und macht kein Spektakel aus ihrem Vortrieb. Der ist keineswegs ohne, völlig ruckfrei lässt sich die 750er ab knapp über 2.000/min beschleunigen, bei knapp 3.000 Touren scheint sie die Drehmoment-Keule auszupacken, doch schon bei 4.500 lässt der Vorwärtsdrang etwas nach. Zwar legt der Twin noch an Drehzahl zu, doch wirkt er dabei eher zäh. Die einst gelobte Drehfreude finde ich hier eher nicht vor.

Kawa mit absolut stoischer Spurtreue

Muss aber heute auch nicht sein, schließlich hat die Kawasaki Z 750 B zuvor lange gestanden und soll nicht gleich über Gebühr geschunden werden. Im unteren und mittleren Bereich entfaltet der Motor seine Bauart-typische Kraft und es macht Laune, den fühlbaren Schub auszukosten. Die Gänge lassen sich unauffällig und leicht wechseln, das anfangs noch spürbare ­höhere Gewicht von immerhin 235 Kilogramm vollgetankt relativiert sich beim Durchfahren der ersten Kurven. Unerwartet leicht lenkt die Kawa ein, fällt nicht ­superleicht, aber willig in Schräg­lage und nervt weder mit Wackeln oder Pendeln. Die absolut stoische Spurtreue der Triumph bietet sie jedoch nicht, ein bisschen konzentriert will sie auf Kurs gehalten werden.

Auch in puncto Bremsen muss sich die ­Japanerin der Britin geschlagen geben. Ihre Einzelscheibe vorn gibt sich stumpf in der Wirkung, hölzern in der Ansprache und verlangt dabei noch hohe Handkräfte. Eine zweite Scheibe könnte hier Abhilfe schaffen, die entsprechenden Bohrungen am rechten Gabelgleitrohr sind schließlich schon vorhanden. Da nützt auch die hintere, etwas giftig zupackende Scheibe nur bedingt. Durchaus ordentliche Arbeit leistet hingegen die Gabel – sie spricht recht feinfühlig an und bietet einen guten Mittelweg, weder zu straff noch zu schwammig. Im Vergleich der Charaktere steht die Kawa eher für das Segment großes Tourenmotorrad, die Triumph klar für die Sparte der sport-lichen Roadster. Die Kawa bietet mehr wuchtige Größe, lässt sich aber anno 1977/1978 ihre Opulenz mit 6.500 Mark auch rund 700 Mark teurer bezahlen als die Britin.

Yamaha XS 650 - ein Schnäppchen?

Mit einem ehemaligen Kaufpreis von knapp 5.600 Mark mutet die Yamaha XS 650 anno 1977 da fast schon wie ein Schnäppchen an. Bietet sie dafür auch weniger Gegenwert? Es ist nicht der erste Anlauf, den Yamaha mit der XS 650 nimmt, um in der Liga der Parallel-Twins mitzumischen. Schon die Vorgängerinnen XS 1 (ab 1969) und XS 2 (ab 1971) boten motormäßig dieselbe Basis, also einen im Vergleich zum britischen Vorbild geradezu modernen, komplett wälzgelagerten Motor mit obenliegender Nockenwelle, welche die beiden Ventile pro Zylinder per Kipphebel betätigt. Ein echtes Raubein zwar, das derb vibrierte, doch ansonsten zufriedenstellte. Doch die Fahr­eigenschaften waren mehr als dürftig und Welten von denen einer Triumph entfernt. Yamaha tat also das einzig Logische – sie stellten Percy Tait ein, einen britischen „Überläufer“, zuvor jahrelang als Renn- und Testfahrer bei Triumph in Diensten, und beauftragten diesen mit der Entwicklungsarbeit. Heraus kam die nun Yamaha XS 650 genannte Nachfolgerin, welche die zwischenzeitlich angebotene, erfolglose TX 750 ablöste. Und weil auch der Motor dank der auf 8,4:1 reduzierten Verdichtung und der leichteren Kolben nun bessere Manieren an den Tag legte, konnte man den Briten ja Paroli bieten. Oder?

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Als Boten einer Renaissance der Zweizylinder-Technik wurden die "Poltermänner" Z 750 B und die XS 650 im Vergleichstest in MOTORRAD 20/1977 bezeichnet.

Um das herauszufinden, haben wir ­Nico Streblow, den Kollegen und freien Mitarbeiter bei MOTORRAD, gebeten, uns mit seiner Yamaha XS 650 zu begleiten. Er besitzt seine XS seit 2010, ließ gleich nach dem Kauf einiges erneuern, verbessern und revidieren, und hat seither rund 4.000 problemlose Kilometer damit zurück­gelegt. Schon äußerlich kommt sie dem englischen Stil recht nah und gefällt mit elegantem, schnörkellosem und nicht zu wuchtigem Auftritt. Die Aluminium-Hochschulterfelgen machen was her, die serien­mäßige Doppelscheibenbremse und das aufgeräumte, übersichtliche Cockpit sind zu jener Zeit moderner Yamaha-Standard. Zwar verfügt die Yamaha XS 650 wie die Kawasaki Z 750 B über einen E-Starter, doch wenn die Batterie nicht im vollen Saft steht und der Motor kalt ist, müht dieser sich oft nur kurz, aber vergeblich. Also Chokehebel an den 38er-Mikuni-Gleichdruckvergasern betätigen und treten. Auch die Yamaha springt willig auf den zweiten Versuch an, braucht etwas weniger Kraft als die Kawa, aber doch einigermaßen Nachdruck. Der XS-Twin kommt ohne Ausgleichswelle aus, schüttelt zwar nicht so ungezähmt wie der Triumph-Motor, doch liefert er stets mehr Lebensäußerungen als das ­Kawa-Pendant – spür- und hörbar. Sofort fällt auch die Yamaha mit ihrer Sitzhöhe, ihrem deutlich höheren Gewicht auf – sie spielt hier eher in der Z 750- als in der Bonneville-Liga.

Die Sitzhaltung könnte aus dem Lehrbuch stammen – mehr klassische Herrenfahrer-Haltung geht kaum. Die Linie von Oberkörper, Oberschenkel, Unterschenkel – überall rechte Winkel. Aufrecht sitzt man also, und doch kompakt, recht nah am angenehm geformten, nicht zu breiten Lenker, geradezu fahraktiv. Nicht ganz passt hierzu die allzu weiche, etwas schwammige Sitzbank – gegen das Herumwabern hilft der gute Knieschluss am schmalen Tank. Die fein dosierbare, leichtgängige Kupplung und der sanfte Leistungseinsatz schon von ganz unten machen das Anfahren zum Kinderspiel, das Hochschalten im knackig rastenden Getriebe mit kurzen Schaltwegen ist ein Genuss. Der gut gedämpft und angenehm röhrende Twin lässt sich schon ab gut 1.500/min sauber ans Gas nehmen, legt gleichmäßig zu und entfaltet seine Kraft am schönsten zwischen 2.500 und 4.000 Touren, ohne echten Temperaments-Ausbruch. Über 5.000/min will er nicht so recht gezwungen werden, spätestens ab 6.000/min geht dann nur noch unter unwilligem Dröhnen was.

Sitzhaltung auf der XS geriet very british

In der Gleichmäßigkeit und der Ausgewogenheit liegt die Stärke der Yamaha XS 650. Die feinen, auf lange Sicht nervig kribbelnden Vibrationen, die der Twin vor allem zwischen 4.000 und 5.000/min in Lenker und Sitzbank schickt, passen aber nicht so recht zum kernigen Zweizylinder: Man würde hier eher beruhigend pumpende Bass­frequenzen statt hohe Mitten erwarten. Mehr erwarten könnte man auch von der Doppelscheibe vorn. Sie verlangt hohe Handkräfte und liefert dann zwar standesgemäße Verzögerung, doch keinen konkreten Biss. Auch spricht sie sehr knochig und mäßig dosierbar an. Die Trommel­bremse hinten macht ihre Sache gut – es muss also nicht immer Scheibe sein.

Das einst neu entwickelte Fahrwerk mit dem Querrohr und den zusätzlichen Verstärkungen zwischen den Unterzügen (für Europa-Modelle) lässt sich im Normal­betrieb nicht beirren, allenfalls das Heck bei höherem Tempo in harmlose Rührbewegungen versetzen. Gut gelungen ist die Auslegung der Geometrie. Das Handling kann sich sehen lassen, die 650er lenkt leicht ein, fällt willig in Schräglage und benötigt in schnellen Wechselkurven weniger Kraftaufwand, als man angesichts der 225 Kilogramm vermutet hätte. Dennoch: Ganz so präzise wie die Triumph folgt auch die XS der Linie nicht und wirkt ein wenig nervös. An den Reifen liegt es nicht – Nicos XS trägt nagelneue, moderne Youngtimer-Pneus. Der Vorbesitzer hat wohl schon bei den Federelementen Hand angelegt und die Serien-Federbeine gegen Konis getauscht – eine gute Entscheidung. Die sprechen zwar, wie auch die Gabel, etwas störrisch an, doch es schwingt nichts nach, nichts pumpt – so lassen sich auch Rumpelpisten souverän unter die Räder nehmen. Alles gut also? Nun, zugegeben – das letzte Quäntchen Dampf und vor allem das echte, urige Twin-Feeling fehlen doch ein wenig. Der Sound passt, auch dank der nachträglich montierten Auspufftüten, ebenfalls im Roadster-Styling, das Handling gefällt, die Sitzhaltung geriet very british.

Fazit

Kommen die beiden Japaner denn nun an das kernig-pure Erlebnis der traditionellen englischen Twins heran? Ehrlich gesagt, nein – in Sachen Motor-Sound und -Feeling nicht. Auch wenn beide ihre jeweils eigenen Reize haben und für die Yamaha XS 650 zumindest das alte (tröstliche) Lob gilt: „Das englischste Motorrad, das die Japaner je gebaut haben.“

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MOTORRAD CLASSIC 6 / 2023

Erscheinungsdatum 05.05.2023