Kawasaki Z1 und Kawasaki Z 900 RS

Kawasaki Z1 und Kawasaki Z 900 RS Generationen-Vergleich

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Jede Familie geprägt ist geprägt von Kon­tinuität und Generations­konflikten. Wie ist das mit zwei Kawasakis aus verschiedenen Epochen, der Z1 von 1972 und ihrer Nachfahrin Z 900 RS?

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Kurz vor Weihnachten reisen vier Männer und zwei Motorräder nach Südfrankreich, deren Mission tatsächlich einige Parallelen zu „Frankenstein Junior“ zeigt. Peter Krauss, der Präsident des Z-Club Germany spielt als Sachwalter der alten Z-Kawasaki eine ähnliche Rolle wie Frau Blücher in Mel Brooks‘ Film.

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Der Ehrenname "Frankensteins Tochter"

Franz-Josef Schermer, dessen Test der Z 900 in MOTORRAD 4/1976 unter der Überschrift „Frankensteins Tochter“ erschien und der damit einen Ehrennamen für alle Z-Kawas der 70er-Jahre geschaffen hat, darf nicht fehlen. Er hat in seiner Karriere als Motorradjournalist stets mit den neuesten Entwicklungen Schritt gehalten und wird zum vehementen Fürsprecher der neuen Z 900 RS. Gleichsam als Pendant zu Frederick Frankenstein, der den Experimenten seines Großvaters kritisch gegenüberstand und deshalb darauf pochte, seinen Nachnamen  „Fronkensteen“ auszusprechen.

Unser Fotograf Jörg Künstle verkörpert die nahe liegende Parallele zu Kameramann Gerald Hirschfeld. Ich selbst finde mich am ehesten in der Figur des Faktotums Igor wieder, wenngleich mir die glupschäugige Physiognomie von Marty Feldman nicht zu Gebote steht und ich auch nichts so Wichtiges habe fallen lassen wie das Gehirn eines Wissenschaftlers, das wieder zum Leben hätte erweckt werden sollen. Zum Glück.

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Die Vier-in-vier-Auspuffanlage genießt fast schon ­kultische Verehrung. Zur Verwunderung des Autors.

Und dann sind da noch die Motorräder. Nüchtern betrachtet handelt es sich um technische Geräte, für viele ihrer Fahrer aber gelten sie tatsächlich als beseelte Wesen. Ähnlich wie die zusammengebauten Menschen der Frankensteins. Es dauert eine Weile, bis sich die Z1 die Schläfrigkeit einer mehrmonatigen Standzeit aus den Brennräumen gehustet hat und die Dreharbeiten, sprich Fotofahrten beginnen können. Im Hinterland der französischen Mittelmeerküste zwischen Bandol und Marseille werden der Motor frei- und die Reifen angefahren; einträchtig cruist man durch die Landschaft, die auch Ende ­Dezember manche Verheißung an künftige, wieder wärmere Tage bietet.

Die Eintracht hält, auch deshalb, weil die Z 900 RS den großen Auftritt der expressiven Alten überlässt. Anlasserjaulen, erstes Zündungsgepolter, das leicht heisere Trompeten durch die vier Auspuff­töpfe, die dezente Rauigkeit der wälzgelagerten Kurbelwelle und das Bremsenquietschen, das sich mit längerer Fahrstrecke angenehmerweise immer seltener hören lässt – die ganze „Grande commedia“ der Alten begleitet die Z 900 RS mit freundlicher Dienstbereitschaft, kräftigem, aber dezentem Ton, tadelloser Laufkultur und nahezu perfekter Funk­tionalität. Dabei kommt nicht nur ihr fast neuer ­Zustand zum Ausdruck, hier manifestieren sich auch 45 Jahre Entwicklung, Verfeinerung und Verbesserung in allen nur denkbaren Aspekten.

Ein Platz direkt an der Küste bietet die Gelegenheit, die bei aller äußerlichen Ähnlichkeit doch ­extrem unterschiedlichen Details der beiden Kawa­sakis ins rechte Licht und ins Bild zu rücken. Hier – ausgerechnet im Stehen – läuft die Z1 dann endgültig zu großer Form auf, hier findet sie ihr Publikum in Gestalt von Spaziergängern aus dem nahen Marseille, die eigentlich hergekommen sind, um den sonnigen Tag zu genießen. Ein älterer Herr hat in den 1970ern selbst eine Z1 besessen, schaut sich die Z 900 RS kurz an und ist sich mit dem gewandt französisch parlierenden Peter rasch darüber einig, dass die Z1 schöner ist als die gerade frisch präsentierte Z 900 RS. Die Vier-in-vier- statt der Vier-in-eins-Auspuffanlage, die Drahtspeichenräder mit den verchromten Felgen statt der Gussräder, die beiden Federbeine anstelle des Monofederbeins mit Hebelsystem, das bei der Z 900 RS zwischen Hinterreifen und Heckteil eine Lücke öffnet – ja, wenn die Neue dies alles noch hätte… Aber so, nein, er würde die RS nicht kaufen, sagt der Franzose. Peter, der bislang nur die Z1 bewegt hat, will die Z 900 RS zumindest mal fahren, bevor er urteilt.

Motorrad ansehen vs. Motorrad fahren

Während ich für Jörg den Reflektor zum Aufhellen der Schattenpartien an der RS halte, lausche ich still dem Gespräch, bis ich es nicht mehr aushalte und aus meiner Rolle als Faktotum falle. Die Frage platzt förmlich aus mir heraus: Ob denn Motorrad ansehen tatsächlich so viel wichtiger sei als Motorrad fahren? Oder anders herum gefragt, warum sie denn ein sehr gutes neues Motorrad unbedingt verschlimmbessern wollten, mit einer schwereren, weniger effizienten Auspuffanlage, mit schwereren Rädern, die Handling und Komfort verschlechtern, sowie einer Hinterradfederung, deren Potenzial doch deutlich einschränkt sei?

Für einige Sekunden herrscht Schweigen. Wahrscheinlich habe ich gerade den Beginn einer wunderbaren Männerfreundschaft in Sachen Z-Kawa gestört, auf jeden Fall aber Anlass zum Nachdenken gegeben. Denn die Antwort tastet sich bedächtig an einem Gedankengang entlang, den man wohl noch nicht oft beschritten hat: Ja, das Aussehen eines ­Motorrads sei sehr wichtig und die Einschränkungen, die möglicherweise mit der Transformation der Z 900 RS zu einer Art Z1 RS einhergingen, würden sowieso nur Leute wie ich bemerken.

Wirklichkeitsfremde Fachjournalisten?

Mit dem ersten Teil dieser Antwort bin ich sofort einverstanden. Jeder soll selbst entscheiden, was er in einem Motorrad sieht und damit macht. Doch dieses „Leute wie du“ stört mich gewaltig. Als ob all jene, die für Motorrad-, Reifen-, Bremsen-, Federelemente- und andere Komponentenhersteller oder eben auch für Fachzeitschriften testen, einer wirklichkeitsfremden Kaste von Superfahrern ange­hören würden. Verwöhnt durch immer neue Motorräder, hypersensibel auf jeden Hundertstelmillimeter Reifenverschleiß reagierend, die Mäuse pfeifen und das Gras wachsen hörend und allesamt echte oder verkappte Rennfahrer. Das mit den Rennfahrern stimmt sogar meist, das andere aber nicht.

Bedingt durch den ganzjährigen Testbetrieb ­haben „Leute wie du“, zu denen auch der ehemalige Rennfahrer Franz-Josef gehört, vielleicht mehr Routine. Das viel größere Privileg von Leuten wie uns besteht aber darin, direkt vergleichen zu können. „Normale“ Motorradfahrer bekommen diese Gelegen­heit eher selten; sie gewöhnen sich an die allmählich eintretenden Veränderungen ihrer Maschinen, die nur selten Verbesserungen mit sich bringen. Die meisten von ihnen würden aber sehr wohl die ­Unterschiede spüren, wenn sie zwei gleiche Motor­räder unmittelbar nacheinander mit unterschiedlich schweren Rädern fahren könnten.

Die Diskussion darüber beschäftigt Peter und mich zwischen den Fotofahrten und der Heimfahrt immer wieder, beim Abendessen flammt sie dann richtig auf. Franz-Josef, „der Franz“ hält sich meist aus den Gesprächen heraus. Wie früher betätigt er sich lieber als sorgfältiger Tester, zählt die Glieder der Antriebsketten, genießt die Sonne und – wie er schließlich kurz und trocken einwirft – „jeden Kilometer auf dem Motorrad, egal auf welchem“.

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Ob neu oder alt, schön sind sie beide.

So stoppt er die hitzige Diskussion und liefert ein schönes Drehbuch für den folgenden Tag. Sonnige Phasen wechseln sich ab mit kurzen Regenschauern, doch es finden sich genug trockene und kurvige Straßen für herzhaftes Motorradfahren. Wir tauschen Motorräder und Fahreindrücke, statten dem Lieblingspass der MOTORRAD-Tester einen Besuch ab und erweisen dem Circuit Paul Ricard unsere ­Referenz, der heute ganz anders aussieht, als Franz ihn kennt. Peter hat an der Z 900 RS hauptsächlich Servicegeschichten zu kritisieren; er wünscht sich eine Klappsitzbank und würde gerne leichter an die Zündkerzen und den Luftfilter herankommen. Angesichts eines Kerzenwechselintervalls von 12.000 Kilometern nicht unvernünftig; es fragt sich bloß, warum Iridiumkerzen des gleichen Typs in diversen aktuellen Hondas erst nach 48.000 Kilometern gewechselt werden müssen?

Objektiv, also unabhängig vom Aussehen, spricht gegen die RS in den Augen der Z-Fans von altem Schrot und Korn vor allem die zu kurze Sitzbank, auf der sich Fahrer und Beifahrer zwangsläufig sehr nahe kommen. Die Z1 ist in diesen Dingen alltagstauglicher, bietet mehr Platz und ermöglicht leichteren Zugang zu servicerelevanten Teilen. Sie braucht allerdings auch mehr Zuwendung, um in Form zu bleiben, selbst dann, wenn die Hardware, pardon,  alle Aggregate in optimalem Zustand sind.

Darüber hinaus erleben wir die Z1 als ein flottes Motorrad, vorausgesetzt, der Fahrer lässt sie auf sanft gerundeten Linien durch die Kurven laufen. Der im Stand fühlbar schwere Brocken lässt sich dank breitem Lenker und schmalen Reifen locker durchs Winkelwerk schwenken. Franz vermisst den typischen Beschleunigungsschlag ins Kreuz, dem die Z-Kawas von einst ihren mit leichtem Grauen durchmischten Ehrennamen verdanken. Mir dagegen gefällt, wie viel Temperament der alte Motor im Lauf von rund 400 Kilometern zurückgewonnen hat. Der unvermeid­liche Hüftschwung beim Einfedern in Schräglage lässt auf einen nicht mehr ganz hundertprozentigen Zustand von Schwingenlagerung und Federbeinen schließen, stört aber nicht besonders. Und ebenso wie der Vierzylinder lassen die Bremsen erkennen, dass sie mit den Anforderungen wachsen, die man an sie stellt – im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Die Z1 will eben nicht nur als ­Skulptur betrachtet, sondern auch als Fahrmaschine gefordert sein.

So oder so, je länger wir fahren, desto klarer erkenne ich, dass die alte und die neue Z nicht vergleichbar sind, obgleich Kawasaki solche Vergleiche provoziert. Doch wer in der Z 900 RS nur einen unvollkommenen Nachbau der Z1 sieht oder der Z1 zum Vorwurf macht, dass sie nicht so spontan am Gas hängt, so mächtig anreißt und so stabil fährt wie die RS, sollte besser in seiner jeweiligen Epoche bleiben. Er bringt sich damit allerdings um eine wichtige und wertvolle Erfahrung: Gute Motor­räder zeichneten sich zu allen Zeiten durch ihre Aus­gewogenheit aus, durch ein stimmiges Gesamtkonzept, das alle ­Charaktermerkmale in Harmonie vereint. Ob eine Bremse besser oder schlechter dosierbar ist, ein ­Motor mehr oder weniger Leistung hat, ist dann fast schon Nebensache und dem Stand der Technik in der jeweiligen Epoche geschuldet. In diesem Sinn sind beide Kawasakis, die Z1 und die Z 900 RS, in der Tat sehr gute Motorräder.

Meinungen

 

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Franz-Josef Schermer - Einer der ersten Tester der ­Kawasaki Z1 in Deutschland.

Die Z1 war ein epochales Motorrad, keine Frage. Und die Z 900 RS ist ­eines der wichtigsten aktuellen ­Motorräder. Sie hat mich auf Anhieb begeistert. Der Einspritzmotor mit Ausgleichswelle und 16 Ventilen zieht, dreht und macht genau das, was ich ihm über den Gasgriff befehle. Auch das Fahrwerk ist top, punktgenaues Einlenken, präzise Linien und hohe Fahrstabilität sind Ehrensache. Und wie sie röhrt die RS, unglaublich. Nicht laut, nicht aufdringlich, aber deutlich. Dieser Sound ist Kawa­saki. Die gute alte Zeit suche ich damit nicht, die ist ein für allemal vorbei. Aber Motorradfahren ist immer noch schön.

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Peter Krauss - Z-Sammler und -Fahrer, Präsident des Z-Clubs Germany

Auch ich kann Matsumura-San, den Projektleiter der Z 900 RS, nur beglückwünschen. Die RS sieht gut aus, ihr Motor sowie ihr Fahrwerk bieten mir einen bisher unbekannten Fahrspaß. Allerdings hätte ich sie gerne mit verchromter Vier-in-vier-Auspuffanlage, Halte­bügel für meine Sozia und sauber angepasstem ­Gepäckträger. Meine Frau und ich machen immer noch ­gemeinsamen Campingurlaub mit dem Motorrad, dafür bräuchten wir auch noch eine längere Sitzbank und tiefer angesetzte Soziarasten. Trotzdem, wenn ich bei Motorrad des Jahres keine Z 900 RS gewinne, werde ich sie mir wohl kaufen.

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