Yamaha probierte es, Honda probierte es: vier Ventile überm Kolben. Bei der Marke mit der Stimmgabel zerstörten, noch ehe sich ihr toller Zweizylinder richtig beweisen durfte, überflüssige und zu spät abgestellte Hitzewallungen den Ruf der 1975 in Deutschland eingeführten XS 500. Bei Honda hingegen mehrten problemlose Enduro-Einzylinder und vor allem die 1978 erschienene CB 900 Bol d’Or den Ruhm. Höchststrafe für Yamaha, mit der unumstößlichen Folge, es nun anders machen zu müssen. Drei, fünf, sechs… alles kam fürs nächste Techno-Krad infrage, aber eben nicht vier.
Yamaha holte tief Luft, überbrückte ein paar Jahre mit braver Standardware und blies auf der IFMA 1984 zum Sturm: Yamaha FZ 750! Radikal und vor allem anders. Beiname Genesis – die Schöpfung. Durch je drei in verschiedenen Winkeln angestellte Einlassventile zieht sich die Sportlerin ihr Gemisch rein, zwei Auslassventile führen die Verbrennungsprodukte in eine schlanke Vier-in-zwei-Auspuffanlage, das ganze Quintett mittels Tassenstößeln gesteuert von zwei obenliegenden Nockenwellen. Jeder Stammtisch verwandelte sich in ein Technikseminar, auf Bierdeckeln wurden freie Ventilquerschnitte berechnet und zu beschleunigende Massen addiert.
Ein famoses und handliches Landstraßenfahrwerk
Doch beim fröhlichen Streiten entging der Volksseele meist, dass die eigentliche Revolution bei der Yamaha FZ 750 nicht im Kopf des wassergekühlten und superschlanken Motors steckt, sondern in seiner Zylinderbank. Die ist nämlich um 45 Grad nach vorne geneigt. Das senkt den Schwerpunkt und schiebt ihn etwas zum Vorderrad. Vor allem aber lassen sich dadurch gerade Ansaugwege realisieren: Im Fallstrom beschicken vier über und nicht hinter dem Motor angebrachte Gleichdruckvergaser die Verbrennungsräume, keine Winkel und Biegungen stellen sich dem gierigen Inhalieren entgegen. Yamaha nutzte diesen Vorteil, um eine für damalige 750er unvorstellbar füllige Drehmomentkurve und eine provozierend lässige Leistungsentfaltung zu realisieren.

Die ebenfalls nagelneue Suzuki GSX-R 750 wurde deutlich übertroffen, alle anderen Dreiviertelliter sowieso. Das stabilere Fahrwerk hatte die Yamaha FZ 750 ebenfalls – und irgendwie sogar das modernere. Zwar ging ein Gutteil des um 30 Kilogramm geringeren Gewichts der verwindungsfrohen Suzi auf deren Alu-Rahmen zurück, andererseits trat die FZ – wie seither allgemein üblich – mit einem motorumfassenden Rohrgestell an. Weit holen die Rechteckprofile oben am Lenkkopf aus, zirkeln an Airbox und Vergasern vorbei, um dann auf ziemlich direktem Weg den Lagerplatten der zentral abgestützten Alu-Schwinge entgegenzustreben. Im Verbund mit gut ansprechenden, nicht zu harten Federelementen ergibt sich daraus ein famoses und handliches Landstraßenfahrwerk, das allenfalls nahe Topspeed oder beim herzhaften Rennstreckeneinsatz leise schwächelt, aber damals jeden Vergleich beeindruckend locker gewann. So beeindruckend, dass zwei gestandene MOTORRAD-Redakteure leicht verwundert reagierten, als Yamaha sie Ende der 90er nach dem idealen sportlichen Straßentourer befragte. „Den hattet ihr doch schon“, frohlockten beide und empfahlen, bei der FZ die Soziustauglichkeit zu erhöhen und ein Gepäcksystem zu kreieren. Fertig. Das wiederum verstand Yamaha nicht. Es erschien die FJR 1300. Mit Vierventiler.
Infos Yamaha FZ 750
Daten: (für Modell 3KT, Baujahr 1991): Flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, 749 cm³, 74 kW (100 PS) bei 10.500/min, 78 Nm bei 8300/min, Sechsganggetriebe, Doppelschleifenrahmen aus Rechteck-Stahlrohr, Gewicht vollgetankt 236 kg, Reifen vorn 120/70 V 17, hinten 140/70 V 17, Tankinhalt 21 Liter, Höchstgeschwindigkeit liegend 233 km/h, 0–100 km/h in 3,5 sek.
Szene: Die Fünfventil-Ära reicht bei Yamahas Supersportlern von der ab 1985 verkauften FZ 750 bis zur epochalen R1. Erst deren 2007er-Version rüstete wieder auf vier Ventile zurück. Ähnlich lang hielt sich die exklusive und sehr zuverlässige Technik in den ihren Sport dominierenden Yamaha-Offroadern. Zu den Highlights dieser Epoche zählt sicher das Übermotorrad YZF-R7, besser bekannt als OW 01 und Sieger zahlreicher Superbike-Rennen. Das Basismotorrad war seinerzeit das teuerste Serienmotorrad in Deutschland – und erzielt heute noch enorme Preise. Den Rest vom Fest gibt’s meist recht preiswert, wobei frühe und originale FZ 750 mittlerweile schon rar sind. Aufgrund ihrer langen Verkaufszeit bis 1994 und der großen Verbreitung der Fünfventil-Vierzylinder ist auch die FZ bei jedem guten Yamaha-Händler bestens aufgehoben. Allerdings muss man Karosserieteile oft schon aus zweiter Hand besorgen.
Literatur: Für Besitzer und solche, die es werden wollen, empfiehlt sich die Reparaturanleitung der FZ 750 aus dem Bucheli-Verlag für 26,50 Euro.
Internet: Rund um Yamahas tolle Fünfventil-Sportler etabliert sich allmählich eine nette Szene. Zu besichtigen beispielsweise auf www.fzr-forum.de sowie www.fz750.de
Youngtimer, die Geschichte machten: Immer wieder ein Thema in unserer Schwesterzeitschrift MOTORRAD CLASSIC. Heft-Nachbestellung unter 0711/32068899.