Ducati 250 Mach 1

Mit der Ducati 250 Mach 1 auf Achse Die schnellste 250er der 1960er-Jahre

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Mitte der 1960er-Jahre galt die Ducati Mach 1 als schnellste 250er. Erich Bock verliebte sich sofort in die hübsche Italienerin. Daraus entstand eine leidenschaftliche Beziehung, mit vielen Höhen und einigen Tiefpunkten.

Die schnellste 250er der 1960er-Jahre Bilski
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Es ist eine stille Freude, die Erich gepackt hat. Mit einem versonnenen Lächeln beobachtet er uns, wie wir seine Ducati 250 Mach 1 für die Kamera ins rechte Licht rücken. Einige Minuten später sind die Fotos im Kasten, und ich setze mich zu ihm auf die Bank. Schweigend lassen wir die grazile Schönheit auf uns wirken. Tank und Rahmen werden vom späten Sonnenlicht in ein glühendes Rot getaucht, das mit den glänzenden Motordeckeln und den Borrani-Hochschulterfelgen aus poliertem Alu einen reizvollen Kontrast ergibt. Kein Wunder, dass Erich der sportlichen 250er sofort verfallen war, als er sie in MOTORRAD 22/1964 erstmals gesehen hatte.

Sie überzeugte ihn jedoch nicht nur mit äußeren Reizen, sondern auch mit ihren inneren Werten. Damals war sie mit ihrem 27 PS starken Königswellen-Einzylinder die schnellste 250er, besaß zudem bereits ein Fünfganggetriebe, das die Mach 1 zu Spitzengeschwindigkeiten jenseits der 160er-Marke beflügelt haben soll.

Genügend Argumente für den motorradverrückten Hessen, um solch einer Ducati habhaft zu werden, koste es, was es wolle. Doch die rassige Italienerin kostete viel: Anfang 1965 bot die Stuttgarter Firma Bühler die Königswellen-250er in einer überregionalen MOTORRAD-Anzeige für 1850 Mark an. Zu viel für den damals 18-jährigen Handwerksgesellen, der auf einen Stundenlohn von gerade mal 2,50 Mark kam. Also war Schwarzarbeit auf dem Bau angesagt, damit der Traum in Erfüllung gehen konnte. Erich schuftete und schuftete über den Winter, bis er das Geld zusammen hatte. Die Bedingungen für Kauf und Lieferung waren abenteuerlich, zumindest aus heutiger Sicht. „Ich musste erst mal 500 Mark anzahlen, dann wurde die Maschine, verpackt in einer Holzkiste, per Bahn bis zum nächstgelegenen Güterbahnhof verfrachtet, wo ich sie im Sommer 1965 nach Bezahlung der Restsumme in Empfang nehmen durfte“, erinnert sich der 67-jährige Hesse.

Die Tücken des Fernkaufs

Bilski
Ducati 250 Mach 1.

Noch stand das lang ersehnte Traummotorrad allerdings in besagter Holzkiste, teilmontiert und ohne Öl. Normalerweise kein Ding für den gelernten Elektriker, schließlich hatte Erich schon in jungen Jahren beim Flottmachen einer vergammelten Zündapp DB 201 auf dem elterlichen Hof das Schrauben gelernt. Nicht jedoch die englische Sprache, was den Zusammenbau der 250er-Ducati doch ziemlich erschwerte, weil nur eine englische Betriebsanleitung beilag. „Irgendwann hatte ich es geschafft, doch dann bekam ich den mit 10:1 verdichteten Motor nicht zum Laufen. Mit viel List und noch mehr Respekt vor der mir damals unbekannten Mechanik gelang es schließlich, mit Hilfe einiger schiebender Freunde dem Einzylinder die ersten Lebensäußerungen zu entlocken. Mann, war ich stolz, als die Duc endlich losbollerte. Der Sound war unglaublich, eine NSU Max oder auch eine Horex Regina mit offenen Hoske-Tüten klangen dagegen richtig brav“, weiß Erich, als wäre das alles erst gestern gewesen. Den mechanischen Drehzahlmesser hatte er damals als Extra mitbestellt - für heftige 250 Mark. „Diese Rakete ohne Drehzahlmesser zu fahren, wäre am falschen Ende gespart gewesen.“

Aber ans Fahren war noch nicht zu denken, zuvor musste erst die Zulassungshürde genommen werden. Und deren Latte lag ziemlich hoch. „Es gab statt eines Kfz-Briefes nur ein Mustergutachten, was mich viele Stunden bei der Zulassungsstelle und dem TÜV gekostet hat. Immer wieder gab es neue Fragen und Probleme, bis ich endlich Brief und Kennzeichen in den Händen hatte“, erinnert sich Erich an diese langwierigen Behördengänge.

Ebenso präsent ist die erste Probefahrt: „Alle Maschinen, die ich bis dahin bewegt hatte, egal ob Zündapp, Triumph, NSU Max, Horex Regina oder BMW R 27, drehten gemütliche 4000 bis 5000 Touren. Jetzt durften, nein sollten es 8500 sein. Was natürlich völlig ungewohnt war, zumal der englischen Betriebsanleitung ja mangels Sprachkenntnissen nichts Hilfreiches zu entlocken war. Also blieb nur der vorsichtige Selbstversuch. Meine Güte, ging die 250er voran, wenn man sie auf Touren hielt. Damals war die Mach 1 für mich - und die Verkehrsverhältnisse - ein Wahnsinnsgerät. Ein berauschendes Fahrerlebnis, ständig zitterte die Nadel des Drehzahlmessers am roten Bereich, die Kurven schienen mir entgegenzufliegen, jeder Ampelstart gehörte mir !“

Unvergesslich auch die erste längere Fahrt an den Bodensee: „Bei Karlsruhe hatte ich eine Norton vor mir. Da wollte ich es wissen. Es war eine spaßige Hatz, bis die Norton nach etlichen Vollgaskilometern so viel blauen Rauch spuckte, wie meine selige Zweitakt-DB 201 nach längeren Standzeiten. Es bahnte sich bei der Engländerin wohl ein Motorschaden an. Doch ich musste schon bald feststellen, dass auch meine heiß geliebte Ducati davor nicht gefeit war. Das Duell an einem Samstagmorgen mit einem 90-PS-Porsche hatte ich zwar gewonnen, dabei die Maschine aber so hart rangenommen wie noch nie zuvor. Auf dem Weg nach Hause fing sie dann an zu ruckeln, außerdem klang der Motor sehr ungesund.“

Die Demontage des linken Motordeckels offenbarte einen deftigen Schaden: Ein Großteil der Zähne des Primärantriebsrads am gegossenen Kupplungskorb waren nicht mehr vorhanden. Garantie? War damals ein Fremdwort bei dem -Motorradhändler. Also machte sich der Autodidakt selbst ans Werk, zerlegte den Motor, befreite ihn von den Spänen und bestellte für viel Geld einen neuen Kupplungskorb. Nach dieser Reparatur war Erich gewarnt, hat es etwas ruhiger angehen lassen. Dennoch gab es weitere kapitale Schäden. Der Schaltautomat auf der rechten Seite arbeitete nicht immer sauber, sodass es schon mal zum Verschalten kam. Dann stießen Kolben und Ventile aufeinander, was Letztere natürlich krumm nahmen. „Das war aber nicht weiter schlimm, den Zylinderkopf konnte ich innerhalb weniger Minuten abbauen, und einen Satz Ventile, die ebenfalls ruck, zuck gewechselt waren, hatte ich dann immer auf Lager.“ Nicht von bester Qualität waren überdies die Kolben aus italienischer Fertigung. „Nachdem der erste unterhalb des Ölabstreifrings einfach abgerissen und Ersatz vom Ducati-Verkäufer unbezahlbar war, hatte mir die Firma Mahle mit einer geschmiedeten Maßanfertigung aus der Patsche geholfen, die auch noch viel weniger kostete.“

Als gravierendstes Problem sollte sich jedoch die Ölversorgung erweisen. Im Ölkreislauf des Königswellen-Singles ist nur ein Sieb vorhanden, einen Feinstfilter gibt es nicht. Die Ölpumpe auf der rechten Motorseite drückt den Schmierstoff in den hohlgebohrten Kurbelwellenzapfen, von wo aus er durch die Kurbelwellenwange zum Pleuellager gelangt. In der Wange befindet sich - wie bei der NSU Max - eine sogenannte Schleuderbüchse, worin sich durch die Fliehkraft Ölrückstände sammeln. Klar, dass diese von Zeit zu Zeit entfernt werden müssen, um einen einwandfreien Ölfluss, insbesondere zum hoch belasteten Pleuellager, zu gewährleisten. Geschieht dies nicht, setzen sich die Bohrungen irgendwann zu, und es kommt zu Schäden infolge Mangelschmierung. Dumm nur, dass zur Reinigung der Schleuderbüchse die Kurbelwelle ausgebaut werden muss, was eine Zerlegung des Motors bedeutet - wie praktisch! Alles eigentlich kein Problem, solange man das weiß. Doch Erich wusste davon nichts. Sie ahnen es schon: Es gab ja nur eine englische Betriebsanleitung...

Die Duc lehrte ihn Schrauben

Bilski
Die vollgetankt nur rund 130 Kilogramm leichte Ducati erinnert mit ihrem spielerischen Fahrverhalten eher an eine 50er - allerdings an eine ziemlich flotte.

So kam es, wie es kommen musste: Das Pleuellager machte die Grätsche - und Erich anschließend den Motor auf. Nicht das einzige Mal. „Wenn ich ehrlich bin, hab ich der Ducati meine ganzen Schrauberkenntnisse zu verdanken. Ich musste mir notgedrungen alles selbst erarbeiten, es gab ja weder brauchbare deutschsprachige Literatur noch Internet. Auch auf die Erfahrungen anderer konnte ich zu der Zeit nicht bauen, außer mir fuhr 1965 im Raum Gießen keiner diese Duc.“ Obwohl Erich die Probleme wegen Mangelschmierung mit jeder Motorüberholung besser in den Griff bekam, belasteten doch vier bis fünf verheizte Kolben, ebenso viele Pleuellager, defekte Kipphebel und Nockenwellen das knapp bemessene Budget.

„Ich habe unzählige Stunden an Reparatur- und Optimierungsarbeiten in die Maschine gesteckt, insbesondere in die Verbesserung der Ölversorgung des Pleuellagers. Außerdem verbaute ich standfestere Lager für Pleuel und Kurbelwelle, fertigte einen Kupplungskorb aus Stahl, ließ mir in einer benachbarten Werkzeugfabrik sogar ein aus dem Vollen gefrästes Titanpleuel anfertigen, montierte eine Vollverkleidung, und, und, und...“ Klar, dass er auch die dauernden Vibrationsschäden an Kotflügel, Nummernschild, Tank oder Auspuff abstellen konnte - mit unzähligen Gummis, die er den damals gebräuchlichen Verschlüssen von Mehrwegflaschen entnommen hatte.

Erich schmunzelt bei diesen alten Erzählungen. Nein, wie eine Leidensgeschichte klingen diese nicht. Im Gegenteil. „Obwohl ich nach einer Reparatur selten mehr als 2000 problemlose Kilometer schaffte, hat mich die kleine Italienerin mit ihrem quirligen Charakter immer wieder fasziniert. Jede Ausfahrt mit ihr war die reine Freude und wog all die Mühen mehr als auf!“ Wer das Leuchten in Erichs Augen sieht, glaubt ihm jedes Wort. Und dennoch, irgendwann war er die ewige Schrauberei leid, 1970 trennte er sich von der roten Diva. Übrigens fürs gleiche Geld, das er fünf Jahre zuvor bezahlt hatte.

So ganz vergaß Erich die Mach 1 in den folgenden Jahrzehnten jedoch nie, selbst wenn mit all den folgenden Japan-Maschinen endlich auch längere Touren ohne Reparaturen absolviert werden konnten. Vor zwei Jahren gipfelten die alten Erinnerungen schließlich in neuen Sehnsüchten. Angesichts von insgesamt nur 838 gebauten Mach 1, von denen 136 auch noch über den großen Teich gingen, schien eine Suchanzeige wenig erfolgversprechend. Doch es kam anders. Und so habe ich nun die Gelegenheit zu einer Ausfahrt mit Erichs neuer alter Liebe.

Sound stark, Bremsen schwach

Bilski
Die vordere Simplex-Trommelbremse verzögert ziemlich mau.

Ein ganz spezielles Erlebnis, nicht nur wegen der ungewohnten Rechtsschaltung mit umgekehrtem Schaltschema. Mit meinen 1,89 Metern muss ich mich auf der schmächtigen Ducati ganz schön zusammenfalten. Man sitzt sportlich gestreckt, aber nicht unbequem hinter den schmalen Stummeln. Ein paar Tritte auf den links angebrachten Kickstarter - nichts. Erich zeigt mir, wie‘s geht: Zur Gemischanreicherung einfach mit der Handfläche den offenen Trichter des 29er-Dellortos verschließen, dann startet der Königswellen-Eintopf nach spätestens drei Versuchen.

Standgas ist nicht sein Ding, eine vernünftige Leerlaufeinstellung kaum möglich. Macht aber nichts, weil das kernige Bollern aus dem Auspuff zusammen mit dem schlürfenden Ansauggeräusch ohnehin zum Spiel mit dem Gasgriff verleitet. Rechte Fußspitze nach oben ziehen, und der erste Gang sitzt. Schon bei moderaten Touren zieht die Duc los, wenn auch eher verhalten. Was den Fahreindruck ab den ersten Metern bestimmt, ist die ausgeprägte Handlichkeit der schmal bereiften, trocken nur 116 Kilogramm leichten Mach 1. Das erfordert einen präzisen Fahrstil mit behutsamen Lenkbefehlen, denn jeder kleine Impuls - ob gewollt oder nicht - wird sofort umgesetzt. Es braucht ein wenig Zeit, bis ich mich auf dieses ungemein spontane, eher an eine heiße 50er erinnernde Fahrverhalten eingestellt habe.

Dann jedoch fegt die 250er stabil und zielgenau um die Ecken. Die straff gedämpften Federelemente funktionieren erstaunlich gut, sowohl die Telegabel als auch die Stoßdämpfer schlucken - zumindest bei meinen 90 Kilogramm - selbst gröbere Wellen und Schlaglöcher erstaunlich gelassen. Nun darf der 27 PS starke Einzylinder zeigen, was er noch drauf hat. Mitte der 1960er-Jahre galt eine Mach 1 schließlich als besonders sportliches Kaliber, das sogar deutlich größeren Motorrädern das Leben schwer machen konnte. Tatsächlich entpuppt sich der Zweiventiler als munterer Geselle, der prima am Gas hängt und dabei seine Drehfreude voller Inbrunst hinausbrüllt. Hält man das Kabel gespannt, geht es auf Landstraßen auch heute noch flott voran. Richtung roter Bereich ist die angejahrte Mechanik jedoch nicht mehr zu überhören, außerdem kribbelt es dann ziemlich lästig.

Also lasse ich es etwas gemächlicher angehen, zumal die Trommelbremsen im zunehmenden Feierabendverkehr zur Vorsicht mahnen. Vorne ist die Wirkung selbst bei kräftigem Zupacken kaum der Rede wert, die hintere dagegen blockiert schon beim leichten Tapps auf den Hebel.

Die Stopper sind freilich nicht die einzige Baustelle. Bereits bei der ersten Ausfahrt fielen Hupe und Tacho den Vibrationen zum Opfer, außerdem hatte der Rahmen einen Riss. „Es ist alles wie früher, die Schrauberei geht wieder los“, nimmt es Erich mit einem Lächeln. Weil er genau weiß, dass die rare Ducati ihm nicht nur Arbeit bereiten wird, sondern auch noch viele Momente der stillen Freude.

Technische Daten

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Puzzle für Fortgeschrittene: Die Explosionszeichnung zeigt den komplizierten Aufbau. Im Zylinderkopf kommen Haarnadelfedern zum Einsatz. Probleme bereitet die Ölversorgung, der Schmierstoff gelangt über den hohlgebohrten rechten Kurbelwellenstumpf zum Pleuellager.

Ducati 250 Mach 1 (1964 - 1966)

Motor:
Luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, zwei Ventile, über Königswelle und eine obenliegende Nockenwelle mit Kipphebeln betätigt, Hubraum 248 cm³, Leistung 20 kW (27 PS) bei 8500/min (CUNA) Kraftübertragung: Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb

Fahrwerk:
Einschleifenrahmen aus Stahl, unten offen (Motor mittragend), Telegabel vorn, Schwinge mit zwei Federbeinen hinten, Alufelgen mit Stahlspeichen, Reifen vorn 2.50 x 18, hinten 2.75 x 18, Trommelbremsen, Ø 180 mm vorn, Ø 160 mm hinten

Maße und Gewicht:
Radstand 1294 mm, Gewicht vollgetankt 132 kg

Höchstgeschwindigkeit:
zirka 160 km/h

Preis 1964:
1850 Mark
 

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