Mit der Scott Model 3S auf Achse

Mit der Scott Model 3S auf Achse Das erste Zweitakt-Superbike

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Wer heute von wassergekühlten Reihendreizylinder-Zweitaktmotoren spricht, hat meist Suzukis GT 750 im Sinn. Lange davor, nämlich 1934, hat die Scott Model 3S dieses Konzept vorweggenommen. Und mit der 1000er einen Meilenstein geschaffen, der leider nur einstellige Stückzahlen erreichte.

Das erste Zweitakt-Superbike Nakamura
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Spätestens seit Edward Turner die Triumph Speed Twin im Jahr 1937 schuf, manifestierte sich ein Motorenkonzept als das typisch britische: der ohv-Parallel-Twin. Dabei zählten britische Ingenieure damals zu den innovativsten Freidenkern in Sachen Motorenbaukunst überhaupt - unter ihnen der vielleicht erfindungsreichste, der Gründer der Scott Motorcycle Company, Alfred Angas Scott. Er war eine der Schlüsselfiguren in der Entwicklungsgeschichte des Motorrads wie wir es heute kennen, ein gewiefter Erfinder, der noch heute als der erste ernsthafte Verfechter des Hochleistungszweitakters gilt, und der mehr als 60 Patente anmeldete. So gehen auf ihn unter anderem der Kickstarter zurück, die Fußschaltung, die Teleskopgabel und vieles mehr.

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Bereits in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts experimentierte Scott mit Zweitaktmotor-Konstruktionen, 1908 schließlich folgte das erste komplette Scott-Bike. Der wassergekühlte Zweizylinder mit Zweiganggetriebe und Endantrieb per Kette verlieh der Scott -einen eigenständigen, fortschrittlichen Auftritt. Und die reduzierte, auf Leichtbau ausgelegte Konstruktion ermöglichte geringe Produktionskosten, was wiederum zu erschwinglichen Verkaufspreisen führte. Scott war einer der Ersten, der den bauartbedingten Vorteil der Zweitakter zu nutzen wusste. Um die Qualitäten seiner Bikes zu demonstrieren, setzte er sie bei Rennen ein, wo diese in den ersten vier Jahren der Senior TT von 1911 bis 1914 die schnellsten Rundenzeiten erzielten. 1912 und 1913 gewannen sie sogar das Rennen. Der ebenso verwegene Abenteurer und Höhlenforscher wie exzellente Offroad-Fahrer, nach dem das heute noch jährlich stattfindende Scott Trial benannt wurde, starb allerdings schon 1923 an einer Lungenentzündung: Er wurde nur 48 Jahre alt.

Die Nachkriegsproduktion lief dessen ungeachtet im Werk in Shipley an, 1922 hatte das wohl berühmteste Modell Squirrel das Licht der Zweiradwelt erblickt, gefolgt vom sportlicheren Modell Flying Squirrel mit 498 oder 596 cm³ im Jahr 1925, 1929 folgte ein Touring-Modell. Mit 1400 gebauten Motorrädern erreichte Scott denn auch seinen Höhepunkt in -jenem Jahr, bevor die wirtschaftlich härteren Zeiten durchschlugen, die Motorradverkäufe drastisch zurückgingen.

Gescheitertes Marine-Projekt als Ursprung

Im Unterschied zu vielen anderen britischen Marken schaffte es Scott dank geltender Verträge mit dem Verteidigungsministerium sich durch den Bau von Generatoren und Pumpen über Wasser zu halten. In den 1930ern baute Scott durchschnittlich nur etwa 150 Motorräder pro Jahr, auch die Bedeutung im Rennsport schwand dahin. Doch just dank dieser Militär-Verträge gelangte 1931 Bill Cull, selbst begeisterter Motorradfahrer, als technischer Direktor in die Dienste von Scott. Er war es, der beschloss, ein Dreizylinder-Luxusbike zu entwickeln, das im Spitzensegment angesiedelt sein sollte, wo sich am Markt eine gewisse Nachfrage abzeichnete. Brough Superior und andere Prestige-Marken hatten deutliches Wachstum zu verzeichnen.

1932 hatte Cull einen 747-cm³-Dreizylinder-Zweitaktmotor für ein letztlich gescheitertes Marine-Projekt konstruiert - dieser stellte nun den Ursprung des Scott-Dreizylinder-Motorrads dar, welches er 1933 auf die Räder stellte. Auch wenn der Prototyp eher plump und unelegant daher kam, und -obwohl er ziemlich unhandlich war und bei den respektablen, erreichbaren Geschwindigkeiten von bis zu 140 km/h über die gesamte Fahrbahnbreite pendelte, attestierte Cheftester Allan Jefferies dem Bike ein stimmiges Grundkonzept. Man arbeitete daran, die Schwächen zu beseitigen und bei ersten Testfahrten der Journalisten gab es verbreitet gute Kritiken und sogar Lobeshymnen für die Motorleistung.

Nakamura
Mit 48 PS aus 986 cm³ so stark wie die Brough Superior SS100, doch satte 23 Kilogramm leichter.

Als schließlich das sogenannte Model 3S Ende 1934 auf der Olympia Motorcycle Show in London präsentiert wurde, war dies die Sensation. Der wassergekühlte Dreizylinder-Zweitakter war komplett überarbeitet und sein Hubraum auf 986 cm³ aufgestockt worden, dazu hatte man ihm ein Vierganggetriebe und Fußschaltung verpasst. Das von Scott in einer Broschüre als „moderner Sechszylinder-Wagen auf zwei Rädern“ gepriesene Bike wurde 1936 für 115 Pfund angeboten, fand jedoch kaum Käufer.

Mühsame und gewissenhafte Detektivarbeit des Scott Owners Club ergab, dass insgesamt tatsächlich nur neun Exemplare gebaut wurden. Eines blieb in Firmenbesitz, zur persönlichen Nutzung von Schöpfer Bill Cull. Auch der französische Scott-Importeur verfügte über ein Exemplar, einschließlich Ersatzmotor (davon wurden insgesamt vier Stück hergestellt). Jener Motor wurde schließlich nach Deutschland weiterverkauft - an das DKW-Werk. Ab 1939 produzierte DKW seinen -eigenen 900-cm³-Dreizylinder-Zweitakter, zweifellos inspiriert vom Scott-Drilling. Von 1955 an trieb dieser auch den im alten BMW-Werk in Eisenach -produzierten Wartburg an. Höhepunkt hätte gar ein aus zwei gekoppelten Scott-Dreiern bestehender, 100 PS starker Reihensechszylinder werden können, der für den Einsatz in einem Aston Martin-Sportwagen gedacht war, doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs machte dieses Projekt zunichte.

Nur fünf der neun gebauten Scott Model 3S haben bis heute überlebt, doch die einzige im fahrbereiten Zustand ist definitiv das Ausstellungsbike im Sammy Miller Museum (www.sammymiller.co.uk). 1990 hatte Miller diese von Ryan Holder ergattert, zusammen mit vier Zylinderblöcken und diversen Rahmen sowie 600 Konstruktionszeichnungen von unschätzbarem Wert für die Restauration. Haupthindernis dabei: Das Bike hatte draußen gestanden, mit demontierten Zündkerzen, das Kurbelgehäuse war voll Wasser gelaufen. Der eigentlich neuwertige, kaum gelaufene Motor musste also komplett überarbeitet werden. Die Nasenkolben konnten zum Glück gerettet werden, die restlichen Arbeiten entpuppten sich als teuer genug. Miller ist sich nicht sicher, ob sein erworbenes Schmuckstück Holders Ex-Maschine, oder gar das Werksmodell von Bill Scull ist, schließlich besitzt es nicht die seitlich am Heck montierten Tanks der späteren Modelle. Allen gemein bleibt allerdings der 48 PS starke 986-cm³-Dreizylinder - so stark wie eine Brough Superior SS100, die Königin der Straße, die allerdings 23 Kilogramm mehr auf die Waage brachte.

Der aufwendig konstruierte Zweitakter kann mit einigen technischen Raffinessen auftrumpfen. Die Zwischenwände des horizontal geteilten Kurbelgehäuses (um ungeteilte Pleuelköpfe verwenden zu können) wurden durch Leichtmetallscheiben gebildet, die im Durchmesser etwas kleiner waren als die Hubscheiben der 120-Grad-Kurbelwelle. Nicht weniger als drei Ölpumpen sorgten für die sinnvolle Verteilung der fünf Liter Schmierstoff, eine mit der Vergaserbetätigung gekoppelte Hauptpumpe und zwei Zahnradpumpen an der Stirnseite. Das überschüssige Öl in den Kurbelkammern wurde über einen Filter in das Reservoir zurück- gesaugt - ein seltener Fall eines Zweitaktmotors mit Trockensumpfschmierung. Zu den Zylinderlaufbahnen erfolgt die Ölzuführung in raffinierter Weise, indem Öl durch die hohlen Zylinderstehbolzen in kleine Kammern hochgedrückt wird, die an mehreren Stellen rings um den Zylinderumfang Zugang zu den Laufbahnen haben. Die bereits erwähnten Nasenkolben unterstützen den Gaswechsel auf clevere Weise, die Spulenzündung sorgt für die notwendigen Zündfunken, die (hier äußerst effektiv wirkende) Zündverstellung erfolgt von Hand mittels eines links am Lenker montierten Drehgriffs. Das -bereits zweimal mit neuen Zahnrädern aufgearbeitete Getriebe sollte sich nun besser schalten lassen, so Miller.

Unrhythmisches Meckern des Zweitakt-Drillings

Nun denn, es ist Zeit selbst herauszufinden, wie gut oder gar beeindruckend die Scott fährt. Zunächst der Start - der ist ein Kinderspiel: den Single-Vergaser gut fluten, einige Male leer durchtreten, damit sich die Kurbelkammern mit Gemisch füllen, kurz warten, Zündung an und mit einem nachdrücklicheren Tritt auf den Kickstarter ertönt erquicklicher Motorsound.

Nakamura
In Anzeigen wird die Scott als Sechszylinder-Wagen auf zwei Rädern gepriesen und für 115 Pfund angeboten.

Kaum mechanische Geräusche, nur das typische, leicht unrhythmische Meckern eines Zweitakt-Drillings. Es klingt weniger nach meiner einst besessenen GT 750, eher nach dem Wartburg Kombi, den wir vor gut 20 Jahren als -Service-Car bei Renneinsätzen nutzten. Vibrationen sind kaum ein Thema, obwohl der Motor starr im Stahlrohrrahmen verschraubt ist. Das 222 Kilogramm schwere Bike muss ohne Hinterradfederung auskommen, bietet jedoch eine reichlich entspannte, aufrechte Sitzhaltung am breiten, einteiligen Lenker und offeriert zusammen mit dem extrem -geschmeidig agierenden, enorm dreh-momentstarken Motor ein Gentlemen-würdiges Fahrerlebnis.

Die Webb-Parallelogrammgabel gerät leicht ein wenig ins Pumpen und könnte durchaus so etwas wie Dämpfung vertragen. Trotz des langen Radstands finde ich am Handling und dem nötigen Kraftaufwand für Richtungswechsel nichts aus-zusetzen. Auch das von Jefferies einst -bemängelte Pendeln kann ich nicht -feststellen. Angesichts der fehlenden Bremswirkung des Motors kommt die Scott sogar angemessen zügig zum Stillstand, der 178-Millimeter-Trommelbremse vorn und vor allem der großen 255er-Variante hinten sei Dank. Beruhigend, angesichts der erreichbaren Tempi. Zwar verweigert der Smith-Tacho die Anzeige, doch die vom Fotografen-Auto angezeigten 100 km/h schüttelt die Scott lässig mit Halbgas aus dem Ärmel. Gas aufreißen bei niedriger Drehzahl beantwortet der Drilling mit spontaner Reaktion und sanftem, gleichmäßigem Tempozuwachs. Nicht brachial, aufgrund des zu schleppenden Gewichts, doch ordentlich.

Beschleunigen wird generell erschwert durch die eitschlechte Schaltbark des Getriebes. Gangwechsel müssen langsam erfolgen und bleiben dennoch ein Glücksspiel: drin oder nicht drin? Miller bringt es jedoch auf den Punkt, wenn er mit Überzeugung behauptet: „Jeder ist ein Scott-Mann, wenn er auf Klassiker steht. Das Bike hat so viel Charakter, mit seinem heulenden Auspuffsound, seiner Fahrdynamik dank des drehmomentstarken Motors. Dieses Dreizylinderbike ist eine Ikone, und es ist ein Jammer, dass es nie wirklich in Serie ging. Es war das erste Zweitakt-Superbike, und es war seiner Zeit um Jahre voraus.“ Niemand hätte es treffender sagen können.

Technische Daten

Nakamura
Drei relativ kleine Kurbelkammern im großen Motorgehäuse. Neben dem Flansch für den Vergaseranschluss sitzt die Hauptölpumpe für die fünf Liter Schmierstoff, die sich im Gehäuseunterteil tummeln.

Motor:
Wassergekühlter Dreizylinder-Zweitaktmotor, Bohrung x Hub 73 x 78 mm, Hubraum 986 cm³, 48 PS bei 5200/min, Verdichtung 5,8:1, ein 28-mm-Amal-Vergaser, Spulenzündung, Einscheiben-Trockenkupplung, fußgeschaltetes Vierganggetriebe, Sekundärtrieb per Kette

Fahrwerk:
Zweischleifenrahmen aus Stahlrohr, Webb-Parallelogrammgabel vorn, Hinterrad ungefedert, Drahtspeichenräder vorn und hinten, Reifen 3.25 x 19 vorn, 3.25/3.50 x 19 hinten, Simplex-Trommelbremse vorn, Ø 178 mm, Simplex-Trommelbremse hinten, Ø 255 mm

Maße und Gewicht:
Radstand 1420 mm, Tankinhalt 11 Liter, Gewicht zirka 222 kg

Fahrleistungen:
Vmax 140 km/h

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