Vergleich Benelli 750 Sei, Honda CBX und Kawasaki Z 1300

Sechszylinder von Benelli, Honda und Kawasaki Kroatische Küste mit 750 Sei, CBX und Z 1300

Benelli 750 Sei, Honda CBX und Kawasaki Z 1300 – mit den drei ersten serienmäßigen Sechszylinder-Motorräder auf den Spuren einer imposanten Charme- und Technik-Offensive aus Italien und Japan, die in den 70er-Jahren die Motorradwelt veränderte.

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Es ist ein Tag, um die ganze Welt zu umarmen. Unter uns säuseln drei herrliche Sechszylinder-Motoren, schieben das Trio sanft, aber auch bestimmt und selbstbewusst vorwärts. Mehr Souveränität ging nicht, damals Ende der 70er-Jahre. Insofern nehmen uns die zusammen 18 Zylinder mit auf Zeitreise. Und doch sind wir im Hier und Jetzt unterwegs, im 21. Jahrhundert. War das seinerzeit nun eher eine Charme- oder eine Technik-Offensive? Beides! Hier erwartet uns purer, reiner Genuss auf kurvenreichen kroatischen Küstenstraßen. Seidenweiche Laufkultur trifft homogene Leistungsentfaltung und spritzige Drehfreude. Für diesen unvergleichlichen Mix stehen die Sixpacks wie kein anderes Motorenkonzept.

Ein Sechszylinder-Reihenmotor mit 120 Grad Hubzapfenversatz gilt als einziger Reihenmotor, der ohne Ausgleichswelle(n) alle Massenkräfte und -momente vollständig kompensiert. Das ist keine trockene Technik für Maschinenbau-Ingenieure. Sondern ein Faszinosum für Benzinköpfe bei jedem einzelnen Gasstoß. "Im Leerlauf bleibt eine Münze senkrecht auf dem Tank ­stehen, ohne umzufallen", soll Benelli Mitte der 70er-Jahre geworben haben. Feiern wir also ein Fest der Laufkultur, schwelgen in opulenter Technik voller Erhabenheit, lassen Geschmeidigkeit hoch- und eine verblichene Epoche aufleben. In einem Wort? Dieses Trio zelebriert Weltklasse. Lassen wir also dem "Sechs-­Appeal" freien Lauf und geben uns ganz dem Genuss hin.

Benelli Sei 750: elegante italienische Signora

Den Vortritt in jeder Hinsicht genießt die Bella Macchina. Schließlich gilt die Benelli Sei 750 als Mutter aller Serienmaschinen mit Reihensechser. 750 cm3? Verteilen heutige Topseller am liebsten auf zwei Zylinder. Benelli packte sechs 125 cm3 kleine Brennkammern nebeneinander. Die endgültige Version der fertigen Maschine stellte das Team rund um Alejandro de Tomaso, den damaligen Besitzer von Benelli (und Moto Guzzi gleich mit), am 26. Oktober 1972 in Modena vor. Aber erst Ende 1974, nach der Ölkrise 1973, ging die 750 Sei im Werk in Pesaro in Produktion. Eile mit Weile.

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Die Benelli Sei 750 gilt als Mutter aller Serienmaschinen mit Reihensechser.

Ideell und konstruktiv stand die Honda CB 500 Four mit einer obenliegenden Nockenwelle für die Konstruktion Pate. Sie inspirierte Benelli zur 500 Quattro und dann in Zylinderzahl wie -kapazität um 50 Prozent vergrößert zur "Seh-ie" im Maßstab 1,5:1. Dabei fanden die Italiener durchaus eigene Lösungen: Die Lichtmaschine der Benelli befindet sich zahnradgetrieben rechts hinter dem Motorblock statt am Ende der Kurbelwelle. Mitte der 70er-Jahre war das der Wahnsinn in Tüten. Und trotzdem, dieser 750er war, ist und bleibt für alle Zeiten der leichteste und kompakteste Sechszylinder in einem Motorrad. Va bene.

Drei mickrige 26er-Doppelvergaser von Dell’Orto speisen die sechs Zylinder über unsymmetrische Ansaugwege. Und lassen nicht mehr als 63 PS zu. "Zugeschnürt", dieses Attribut beschreibt die Benelli ein wenig. Dabei dreht sie immerhin gleichmäßig-­linear bis zum roten Bereich bei 9.000 Touren. Bei Vmax 180 ist schon Schluss. Immerhin, die eher mäßigen Fahrleistungen untermalt ein großartiger Klang. Fortissimo: die furiose Symphonie aus den sechs chromglänzenden Orgelpfeifen, oder besser: Auspuff­fanfaren, erzeugt eine Illusion großer Geschwindigkeit. Oder tut das bloß der horrende Verbrauch? Der 23-Liter-Tank (der kleinste des Trios!) ist jedenfalls besonders flott leer gesaugt. Salute!

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Quadratur des Kreises: Rund­instrumente in eckigen Gehäusen.

Locker und beschwingt surft die 750er durchs Kurvenrevier: "Sechszylinder-Fahrrad"! Das überschaubare Gewicht, "zarte" 251 Kilogramm, fördert Fahrdynamik durch leichtfüßiges Handling. Dies tun auch frische Diagonalreifen, welche auf die schönen Speichenräder aufgezogen sind. Großes Lob verdienen die völlig serienmäßigen Italo-Bremsen: Brembos P08-Zangen beißen auch nach 45 Jahren noch kräftig auf die Graugussscheiben. Benelli baute rund 3.200 Exemplare der 750er, plus rund 2.000 der 900 Sei ab 1979.

Honda CBX: 1978 das ultimative Techno-Krad

Nun, bei der Wahl der Reifen herrscht Waffengleichheit, alle drei 70er-Jahre-Bikes (g)rollen auf Bridgestone BT46 daher. Zeit für den Piloten der Honda CBX, die Zurückhaltung aufzugeben, nun mal an der betörend schönen Benelli vorbeizupreschen. Bei allem Respekt. Schließlich war die 1000er-Honda 1978 das Über-Motorrad schlechthin. 105 PS! Wer sollte das beherrschen? Bevor sich reihenweise überforderte Fahrer damit in den Orbit beamten, einigten sich Hersteller und Importeure in Deutschland auf ein freiwilliges 100-PS-Limit. Jawohl, Auslöser war die CBX. So wie den heutigen 200-PS-Rennrepliken fügte Honda 1978 der 1000er aus gutem Grund den Namenszusatz "Super Sport" hinzu.

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Die 1000er-Honda 1978 war das Über-Motorrad schlechthin. 105 PS! Wer sollte das beherrschen? Bevor sich reihenweise überforderte Fahrer damit in den Orbit beamten, einigten sich Hersteller und Importeure in Deutschland auf ein freiwilliges 100-PS-Limit. Jawohl, Auslöser war die CBX.

Also, lassen wir den Sechsender fliegen! Heutzutage mögen wir uns an Motoren mit doppelt so viel PS gewöhnt haben, aber die CBX ist immer noch ein Kraftpaket. Kaum zu glauben, wie bahnbrechend und haarsträubend sensationell die Honda vor gut vier Jahrzehnten gewesen sein muss. Nicht nur wegen ihrer Leistung, sondern auch wegen ihrer Kultiviertheit. Zu einer Zeit, als hartgesottene Biker ihre Herzdamen noch damit verärgerten, ­angerostete Antriebsketten auf dem heimischen Herd in Castrol-Öldosen auszukochen … Und dann kam das, diese Sensation auf Rädern: Bis dahin musste noch kein Motorradfahrer oder Mechaniker für eine private Maschine 24 Ventile einstellen oder sechs Vergaser bei der regelmäßigen Wartung neu synchronisieren! Doch die schiere Verrücktheit des Sechszylinder-Motorblocks stieß weltweit auf Begeisterung. Tja, die technikverliebte Honda (CBX stand wohl für "CB MaXimum") fährt doppelt so viele Ventile, Nockenwellen und Vergaser wie die Benelli auf. Aus Rache, weil die weltweite Nummer eins nur als Zweite kam? Nein, aus Tradition. In den Tiefen des Honda-Forschungszentrums in Asaka hatte ein Ingenieurs-Genie namens Shoichiro Irimajiri bereits in der ersten Hälfte der 60er-Jahre Rennsport-Ikonen mit dohc-Viertaktern entwickelt. Dazu zählten der 125er-Fünfzylinder und der 50er-Twin –er drehte sagenhafte 23.000/min. Das Meisterwerk aber war die legendäre, bis zu 62 PS starke 250er-Sechszylinder RC 165. Sie hatte bereits 24 Ventile, wurde mit mehreren WM-Titeln geadelt.

Basierend auf diesen Erfahrungen brauchten der 1940 geborene Irimajiri-San und seine acht Mitarbeiter nur zwei Jahre, um die übermächtige CBX zu entwickeln. Sie eroberte die Motorradwelt im Sturm. Zumindest ideell. Denn obwohl die Honda günstiger kam als die Benelli, waren 1978 gut 10.000 Mark eine Stange Geld. Aber dafür bekam man auch eine ganze Menge geboten. Behandeln wir die 1000er, die ja eigentlich eine 1050er ist, also mit gebotener Ehrfurcht. Und geben Gas auf dem Sixpack-CBX. Richtig in ihrem Element ist die Honda, wenn vor dem Vorderrad eine offene Straße mit sanft geschwungenen Kurven liegt. Dazu passt die sportive, leicht gestreckte Sitzhaltung wie das Tüpfelchen auf dem i. Doch ganz egal bei welcher Drehzahl: Der ­Motor mit dem sanften Drehmomentanstieg steht gut im Futter, schüttelt seine Werksangaben (105 PS und 84 Newtonmeter) lässig aus dem rechten Handgelenk. Das ist samtig-sanfter Druck.

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Watt ihr Volt: Runduhren mit pummeligen Zeigern und Voltmeter.

Einen sonoren Soundtrack spielt die beidseitig verlegte Sechs-in-zwei-Anlage dazu. Spontan und trotz sechs Vergasern leichtgängig hängt die CBX am Gas. Auch Kupplung und Getriebe arbeiten unauffällig auf dem gewohnt hohen Honda-Standard. Eine japanische Form von Eleganz und Ästhetik prägt die Gestaltung von Zylinderköpfen, Kühlrippen und verchromten Krümmern. Stolz recken sie sich in den Wind. Fürs Streben nach Gewichtsreduzierung stehen hohle Nockenwellen des durstigen Motors. Tatsächlich sind die 274 Kilo des dicken Brummers ein ­guter Wert – die vierzylindrige Honda CB 900 F als DER Supersportler anno 1978 brachte bereits 260 Kilogramm auf die Waage.

Leichtbau-Ambitionen wurden auch ins Chassis integriert: Erst der dünne, unten offene Stahlrahmen erlaubte es dem imposanten Motorblock, seine Sechszylinder-Pracht so üppig zu präsentieren. Es wirkt, als führe man ein Atomkraftwerk zwischen den Knien spazieren. Der Motor verneigt sich vor dir, quillt ungeheuer breit unterm Tank hervor. Und ist doch auf Höhe der Kurbelwelle der schmalste des Trios: Auch hier sitzt die Lichtmaschine huckepack. Da setzt nix auf. Wer’s übertreibt, erreicht rasch die Grenzen des Fahrwerks. Spindeldürre 35er-Gabelrohre halten das 19-Zoll-Vorderrad, dünner als bei jeder guten 125er heutzutage. Und dann noch die schwächliche Stahl-Schwinge, wie bei Mopeds in labilen Kunststoff-Schwingenbuchsen gelagert … 38.079 Exemplare der CBX (inklusive F2 ab 1981) baute Honda in Japan, plus rund 3.100 Bikes aus Ohio/USA.

Kawasaki Z 1300: der sanfte Touren-Riese

Noch gewaltiger, noch stärker, aber auch noch rasanter? Der Prestigekampf zwischen dem kleinsten und größten japanischen Hersteller ging 1978/79 mit der offen 120 PS starken Z 1300 in eine neue Runde. Nach dem weltweiten Motorrad-Boom, 1969 ausgelöst durch die bahnbrechende CB 750 Four, konterte Kawasaki ab 1972 mit der noch stärkeren Z1 900. Kurz nach der CBX brachte Kawasaki Heavy Industries (nomen est omen) diesen kantigen, 322 Kilogramm schweren Koloss. Seine Kennzeichen: riesige, wasserumspülte Zylinder und der mithilfe der Auto-Ingenieure von Isuzu entwickelte Kardan-Antrieb. Beides so, wie es die Honda Gold Wing als erste japanische 1000er 1974/75 etabliert hatte.

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Entgegen Kawasakis sportlichem Marken-Image gibt sich die gewaltige 1300er ganz geschmeidig, ruht in sich selbst. Klasse durch Masse.

Kawasaki experimentierte zwischenzeitlich sogar mit V4- und V6-Motoren. Ganz entgegen von Kawasakis sportlichem Marken-Image gibt sich die gewaltige 1300er ganz geschmeidig, ruht in sich selbst. Klasse durch Masse. Und schiere Größe. Bigger is better, hieß das Motto. "Fetter is’ netter", lautet die spezielle Interpretation der Z 1300. Ihr Sechszylinder ist als Einziger langhubig ausgelegt, kommt wunderbar sanft von unten. Macht und Pracht des Hub(t)raums. Kawasaki ließ es mit zwölf Ventilen und nur drei Vergasern bewenden – ehe 1984 Benzineinspritzung Einzug erhielt: Kawasaki baute bis 1988 rund 20.000 Einheiten der Z 1300.

Der bärige Kawa-Sechser drückt bereits bei 2.000 Touren mehr Drehmoment, als die fast 50 Kilogramm leichtere Honda je erreicht: satte 90 Newtonmeter. Dies bedingt ein anderes Naturell. Reiz kommt hier nicht von Rasanz. In der Ruhe liegt die Kraft. Dieser Riese ist ein sanfter, souveräner Gleiter, eine rollende Trutzburg. Mit komplett kräftig dimensionierten Bauteilen (Rahmenrohre!) und einem Radstand wie ein Dreieinhalbtonner. Er hat ja auch ein Zehntel dessen Gewichts. Satt und voluminös klingt die Zett, grummelt aus den beiden Endtöpfen beruhigend vor sich hin. Erst im Drehzahl-Oberstübchen kündet ein heiseres Fauchen von energischem Antritt und Spurtstärke bis 220 km/h. Tempolimits pulverisieren? Wozu? Hey, das ist ein toller Tourer, mit XXL-Tank.

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Kastendesign: Kühlwassertemperatur- und Benzinstandsanzeige.

Aufrecht-entspannt geriet die Sitzhaltung auf der üppigst ­gepolsterten Sitzbank, mit recht weit vorn und oben platzierten Rasten. Letztlich ist die Kawasaki vorzugsweise für große, kräftige Fahrer geeignet. Selbst wenn man sie nicht wie bei der japanischen Führerscheinprüfung selbsttätig wieder vom Boden in die Senkrechte hieven muss. Trotz handlingfördernder neuer Reifen: Schnelle Wechselkurven arten auf Kawasakis Kommandobrücke rasch in Arbeit aus. Hier wollen reichlich Kilos hin- und hergewuchtet werden. Auch die Zielgenauigkeit und Schräglagenfreiheit erreichen nicht das Niveau von Benelli und CBX: Ständer, Fußrasten und Auspuffrohre schleifen früh über den Asphalt. Ja und? Fast vergessen: Wir sind doch bloß hier, um die Seele baumeln zu lassen. Diese Mission ist absolut gelungen.

Fazit

Egal ob italienischer Chic gepaart mit Eleganz und Extravaganz (Benelli), die mit Technik vollgestopfte Schrankwand von einem Motor (Honda) oder der Rolls-Royce auf zwei Rädern (Kawasaki): Konstruktiv wie stilistisch faszinieren die Sechszylinder noch immer. Fahrerisch wiederum helfen allen Klassikern moderne Reifen fühlbar auf die Sprünge.

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