Die Yamaha YAS-1 erblickte in einer geschichtsträchtigen Ära des Wandels das Licht der Zweiradwelt, kam eigentlich zur rechten Zeit. Die Bürger des gebeutelten Nachkriegs-Deutschlands hatten endlich die Jahre hinter sich gelassen, in denen man Zweirad als Alltags- und Nutzfahrzeug fuhr, weil man sich nichts anderes leisten konnte. Noch Anfang der 1960er stand der Trend zum Auto in seiner Blüte, man fuhr VW Käfer oder, wer es sich leisten konnte, Opel, Ford oder gar Mercedes. Der Zweiradmarkt war kollabiert, doch nahm er bereits Anlauf zum Gegenschlag. Der Trick: weg vom Nutz-, hin zum Spaß-, ja zum Luxusfahrzeug. Man leistete sich das Bike zusätzlich zum Auto und frönte dem Zweiradfahren nur so zum Spaß.
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Der Anfang war zäh
In diese Zeit hinein passte der Aufstieg der japanischen Motorradhersteller, deren Produkte zunehmend nach Amerika und auch nach Europa schwappten. Und was, wie im Falle von Yamaha, nach ersten von freien Händlern importierten Maschinen dazu führte, dass man einen offiziellen Importeur installierte. Auf der IFMA in Köln präsentierte das Handelshaus Mitsui 1964 erstmals Motorräder der Marke Yamaha. Der Anfang war zäh, doch das Engagement der Japaner (auch Honda) im Rennsport half, das Image des Zweirads zu verbessern und die Serienprodukte bekannt zu machen. Bekannt war Yamaha vor allem für seine Zweitakter. Weltklassefahrer wie Phil Read errangen die ersten Weltmeistertitel, auch bei den 125ern: Schon 1967 gewann Bill Ivy den Titel in der Achtelliterklasse, 1968 dann Phil Read. Das sportliche Image färbte auf die angebotenen Straßenmotorräder ab, aber auch die Technik profitierte von den Entwicklungen der Renner. So führte Yamaha 1967 auch in der kleinen Achtelliterklasse ein, was in den größeren Hubraumkategorien gängig war: Mit der Yamaha YAS-1 erblickte ein Zweizylinder-Zweitakter das Licht der Zweiradwelt, während die deutsche Konkurrenz von Zündapp, Maico oder Hercules noch auf den Einzylinder-Zweitaktmotor setzte.
Zweizylinder auch bei den 125ern
Die Erfahrungen aus dem Rennsport flossen also auch in die Serienmodelle ein – so verfügten zwar die ersten, 1967 ausgelieferten Typen noch über das Dreikanalsystem, doch bot bereits die 1968er-Version der Yamaha YAS-1 das neu entwickelte Fünfkanalsystem. Der schlitzgesteuerte Zweizylinder basiert in seiner Grundkonstruktion auf der bereits 1964 in Japan vorgestellten (noch langhubigen) AT 90 – in der 125er-Variante jedoch mit Werten von jeweils 43 Millimetern für Bohrung und Hub nun quadratisch ausgelegt. Ansonsten hat sich an der Grundkonstruktion des Motors mit dem vertikal teilbaren Motorgehäuse und der vierfach gelagerten Kurbelwelle wenig geändert. Fortschritt zeigt sich jedoch wiederum bei bei der Kraftübertragung per neuem Fünfganggetriebe.
Stark, drehfreudig, leicht – und schnell
Mit ihren 15 PS bei 8.500/min erreichte die Yamaha YAS-1 bereits 125 km/h Spitze und ermöglichte dank ihres geringen Gewichts von nur 110 Kilogramm (vollgetankt) beachtliche Beschleunigungswerte. Vor allem mit seiner Drehfreude begeisterte der Motor, dessen Leistung bei Nenndrehzahl nicht zusammenbricht, sondern der munter bis 10.000/min weiter dreht, aber auch mit seinem turbinenartigen, fast vibrationsfreien Lauf. Nicht zuletzt dank getrennter und üppig verrippter Zylinder gilt der Zweizylinder als thermisch gesund, auch die Kolbengeschwindigkeit von nur 12,2 m/sek bei Nenndrehzahl 8.500/min ist deutlich im unkritisch niedrigen Bereich. Natürlich besitzt auch der YAS-1-Motor die Yamaha-eigene Getrenntschmierung, das sogenannte Autolube-System. Über den Gasgriff dosiert, wird die Fördermenge der Ölpumpe per Seilzug und Verteiler reguliert, der 1,6 Liter fassende Öltank sitzt im rechten, abklappbaren Seitendeckel. Geschätzt, und einst im Test gelobt, wurden auch die hohe Verarbeitungsqualität und das saubere Finish.
Stabilität ließ keine Wünsche offen
Kritik an der Yamaha YAS-1 wurde allenfalls laut in Bezug auf den zu kleinen Benzintank (9,5 Liter), die reichlich harte Hinterradfederung und den schon von anderen Yamaha-Modellen bekannten, zu großen Sprung zwischen dem vierten und fünften Gang. Beim Fahrwerk griff man bei Yamaha quasi ins Regal und vertraute auf einen Einrohrrahmen mit offenem Unterzug, der den Motor als tragendes Teil integriert. Die Stabilität ließ keine Wünsche offen, die Handlichkeit der 125er angesichts des kurzen Radstands von nur 1.200 Millimetern und der schmalen 18-Zoll-Räder erst recht nicht. Die recht spartanische Simplex-Trommelbremse wurde erst beim Ende 1969 präsentierten Nachfolgemodell AS-2 (von da an entfiel das Y in der Typenbezeichnung) durch eine Duplex-Anlage ersetzt. Ein neues Tankdesign, eine neue Gabel und neue Instrumente, jetzt mit Drehzahlmesser, gehörten ebenfalls zu den Neuerungen.
Scrambler-Modell als Alternative
Bereits für die YAS-1 bot Yamaha übrigens einen Tuningkit an, mit dem die rennsportbegeisterten Fahrer ihre Maschine in einen geeigneten Racer mit Sechsganggetriebe umrüsten konnten, um damit an den damals beliebten Clubrennen teilzunehmen. Der Kit bestand aus Zylindern, Kolben, Zylinderköpfen, Auspuff, Zündung und Vergasern und soll dem Twin zu 22 PS verholfen haben. Außerdem stellte man der Straßenversion Yamaha YAS-1 ein Scrambler-Modell mit breiterem Lenker mit Querstrebe sowie hochgelegten Auspuffrohren und Hitzeschutz zur Seite, die YAS-1C. Anfangs nahmen die „echten“ Motorradfahrer den kleinen 125er-Renner nicht wirklich für voll, sahen mehr ein aufgepumptes Moped in ihm als ein echtes Motorrad. So konnte Mitsui in Deutschland nur rund 200 Exemplare der YAS-1 unters Volk bringen. Anders sah es im benachbarten Frankreich aus: Dort konnten bereits im ersten Jahr 1968 rund 400, im Folgejahr gar über 1.000 Stück abgesetzt werden. Wer also heute eines der raren Schätzchen sucht, sollte schon mal seine französischen Sprachkenntnisse auffrischen. Zum damaligen Neupreis von 1849 Mark, umgerechnet also knapp 950 Euro, dürfte man allerdings heute vergeblich nach einem gut erhaltenen Exemplar wie etwa unserem von Yamaha Motor France zur Verfügung gestellten Fotobike suchen.