Motorräder, von denen ihr noch nicht wusstet, dass ihr sie haben wollt, gibt es einige. Hier ein neues Modell für eure Liste: Die Oset 24.0 Racing Senior ist ein Spielzeug für große Kinder, ein Motorrad für zwischendurch und ja – wir servieren mal wieder ein Stück vom bunten Elektrokuchen. Eine echte Alternative zum exzessiven Quarantäne-Backen und garantiert auch zur nächsten Mountainbike-Tour, die ihr eigentlich sowieso nur macht, weil es dem Motorrad am nächsten kommt. Aber versprochen, die Oset kommt ihm noch näher, wenn auch einige Bauteile aus dem Fahrradbereich entliehen wurden: Vorder- und Hinterradbremse aus dem Hause Sram werden beide am Lenker betätigt, was nun schon die Abwesenheit der Kupplung vorwegnimmt. Die vergleichsweise dünne RST-Gabel wollte eigentlich auch mal ein Mountainbike dämpfen, die Kette kommt aus dem Kart-Bereich. Entscheidende Faktoren, die vielleicht einem Streckenrekord auf der Nordschleife im Weg stehen würden, im Trialsport aber einen der massivsten Vorteile verschaffen: geringes Gewicht. Da jeder ahnt, dass dieses Gefährt auf dem Nürburgring nichts zu suchen hat, ist klar: Diese Rechnung geht auf.
Perfektes Lerngerät auch für Nicht-Trialer
Falls ihr euch das nun gefragt habt: Ja, dieses Ding könnte euch auch interessieren, wenn ihr bisher noch nichts mit Trial zu tun hatten. Oder eher genau deswegen. Denn betrachtet man das Motorrad aus dem Blickwinkel einer Redakteurin, die diesen Sport seit 15 Jahren betreibt, entsteht ein leicht getrübtes Bild, womit nun auch wieder die Kupplung ins Spiel kommt. Fakt ist, dass diese für ernst zu nehmende Hindernisse und technisch schwierige Passagen mindestens enorm wichtig, wenn nicht sogar unabdingbar ist. Da sich am linken Zeigefinger aber die Hinterradbremse und nichts als die Hinterradbremse befindet, hilft nichts dabei, die Kraft des Motors auf den Zentimeter genau dort zu entfalten, wo sie hinsoll. Die alleinige Gewalt über den Motor liegt also im rechten Handgelenk, das gut trainiert durchaus weit kommt, ab einem gewissen Level jedoch nicht mehr weiter. Die Spontaneität und das Drehmoment des Elektromotors, dazu die 48 Kilo Lebendgewicht, helfen zwar, trotzdem ist die eine Gedenksekunde von null auf Power genau eine zu lang für verbrennerverwöhnte Trialer.

Dreht man aber die Regler runter, entpuppt sich die Oset als mitwachsendes Trainingsgerät für Reiseenduristen und als dankbarer Einstieg in das Motorradfahren überhaupt. Denn die Regler sind keine Metapher: Stufenlos lassen sich Geschwindigkeit, Kraft und Ansprechverhalten einstellen und somit auf das Können und die Situation anpassen. Dies lässt sich nicht mit dem Effekt einer Mapping-Einstellung vergleichen, eher mit Lautstärke und Sendersuchlauf eines Radios. Wer dann die passende Einstellung für sich definiert hat, findet sich zunächst geradezu dankbar für die abwesende Kupplung. Denn ungewohnte Geometrie, fehlende Sitzbank und schmale Silhouette bedürfen bereits einiger Konzentration. Stellt euch vor, ihr würdet nie wieder ein Motorrad in einer langsamen, engen Kehre abwürgen. Und damit euch genau das auch auf der schweren GS-Twineré nicht passiert, könnt ihr den leichten Trialer gut für Fahrtechnik-Training nutzen. Denn oft liegt ein umgekipptes Motorrad nicht nur auf der Seite, sondern auch an der falschen Körperhaltung.
Fazit
Sicher ist die Oset nicht alltäglich, ihre Handhabung dafür umso mehr: Der Akku lässt sich zum Laden entnehmen, wer das Spielzeug in echtem Gelände ausführen will, kann es liegend im Auto umhertransportieren, und wer jeden Tag damit im Garten fahren will, wird trotzdem noch nett vom Nachbarn gegrüßt. Abschließend eine kleine Notiz der Fotoproduktion: Wir hatten schon viele, während deren die Vögel gezwitschert haben, aber wenige, bei denen wir sie auch gehört haben.