Egli-Kawasaki MRD 1 im Fahrbericht

Egli-Kawasaki MRD 1 im Fahrbericht Der Traum aus alten Zeiten

MOTORRAD ist sie gefahren - die Egli-Kawasaki MRD 1. Eine von fünf. 32 Jahre alt. 55.000 Euro teuer. 220 PS, 160er-Schlappen, 300 km/h. Puls 200. Was für ein Tag!

Der Traum aus alten Zeiten Gargolov
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Das Beste an der Egli-Kawasaki MRD 1 ist ihre lückenlose Historie: 1982 gebaut im Kundenauftrag mit 1200 Kubik, dann verkauft. Der Zweitbesitzer hat den Motor geschrottet und die Maschine wieder verkauft. Der Drittbesitzer hat sie zum Wiederaufbau in die Schweiz zu Egli gebracht, konnte die Arbeit aber letztlich nicht bezahlen, und so stand die MRD1 da 24 Jahre in der Ecke und hat eigentlich nur auf mich gewartet“, sagt ihr derzeitiger Besitzer und zwirbelt sich den opulenten Schnauzer. Etwas, was er ständig macht. Denn der Bart gehört dem bekannten Fernsehkoch Horst Lichter.

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Es ist ein bedeckter Tag im Juli 2014, und Horst hat mir versprochen, heute sein Schätzchen fahren zu dürfen. Zu Ehren von 111 Jahren MOTORRAD, für die Jubiläumsausgabe. Es ist eine von nur fünf Maschinen, die Fritz W. Egli zwischen 1979 und 1982 aufgebaut hat. Was so etwas wohl kostet? „Unter 50.000 Euro geht da nix“, sagt Horst nebensächlich. Es klingt wie ein Freundschaftspreis. Doch verkaufen will er die Egli-Kawasaki MRD 1 nicht.

Urversion der Egli-Kawasaki MRD 1 wog 210 kg vollgetankt

Ich bin vorbereitet, habe die alten Berichte über die Egli-Kawasaki MRD 1 gelesen: 1978 – ich war gerade 13 Jahre alt – beauftragte MOTORRAD den Schweizer Tuner Fritz W. Egli, ein absolut kompromissloses Motorrad zu bauen. Maßgaben: möglichst viel Power, möglichst stabiles Chassis. Egli griff zum Kawasaki Z 900-Motor, verordnete ihm einen Turbolader und pflanzte den Antrieb in seinen bewährten Zentralrohrrahmen mit Cantilever-Schwinge. Was sich banal anhört, war vor 35 Jahren mit einem Mordsaufwand verbunden. Der sich letztlich auch lohnte: Die Urversion der MRD1 wog 210 kg vollgetankt, ihrem Motor bescheinigte der Schweizer Prüfstand 155 PS an der Kurbelwelle. Und die Fachpresse jubilierte: „Hier errechnet sich ein Leistungsgewicht von 1,354 Kilogramm pro PS, ein Wert, der dem eines Formel 1-Renners nahekommt.“

Es ließ mich kalt. Zumindest beim Lesen der Berichte auf der Anreise zu Horst Lichters Domizil. Denn: Selbst die erste Yamaha YZF-R1 kam 1998 ohne Turbo-Gedöns auf ein ähnliches Leistungsgewicht. Ganz zu schweigen davon, was heute geboten wird: Ich sage nur BMW S 1000 RR – 199 kg vollgetankt, gemessene 203 PS! Da liegen wir aktuell bei einem Leistungsgewicht von unter einem Kilo pro PS. Und? Schon gefahren, na klar! Doch als Horst das Objekt der Begierde aus der Garage schiebt, weicht meine überhebliche Gelassenheit plötzlich einem mulmigen Gefühl. Dieses Motorrad ist nicht irgendeins. Weltweite Verehrung wurde ihm zuteil, Hunderttausende hatten es als großflächiges Poster in der Werkstatt oder über dem Bett hängen. Die Egli-Kawasaki MRD 1 war ein Traum. Damals, Ende der 1970er. Und sie ist es heute noch. Er beginnt mit der Farbe, jenem knalligen Rot, das für Liebe und Blut steht, und endet mit dem angsteinflößenden, riesigen Turbolader, der diesem Exemplar hier aus dem Jahr 1982 angeblich 220 PS auf dem Prüfstand eingehaucht hat.

Klassiker
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Stillleben: Selbst über dreißig Jahre nach ihrer Produktion hat die MRD1 nichts von ihrem optischen Reiz eingebüßt und macht überall eine gute Figur.

„Tank ist voll“, sagt Horst und klopft mir auf die Schulter. „Und gut versichert biste ja. Also hau rein, mein Lieber!“ Hau rein? Mir ist nach Toilettengang. Angstschiss. Das Motorrad schweineteuer, sein Besitzer ein ultraprominenter Fernsehstar, das Fahrwerk die Drückprobe nicht bestanden. Ehrlich: Wenn du ein aktuelles Sportmotorrad im Stand runterdrückst, federt es sämig dämpfend straff ein und wieder aus. Die Federelemente dieser Egli-Kawasaki MRD 1 hingegen verhalten sich wie Federn nahezu ohne Dämpfung. „Wirst sehen“, grinst Horst, „man sitzt gar nicht so schlecht.“ Aha. Stimmt. Zumindest in Bezug auf die Sitzhöhe, die mit 770 Millimeter angenehm niedrig ausfällt. Per Knopfdruck erwacht der auf 1200 Kubik aufgebohrte Vierzylinder, läuft sich mit 2000/min erst mal warm. In dem Moment, als ich den ersten Gang reinklicke, gehen mir zwei Dinge durch den Kopf: Horst hat mir erstens erklärt, der Ladedruck des Turboladers sei nicht auf maximale Leistung eingestellt. Zweitens müsse man die Förderleistung der zusätzlich installierten Benzinpumpe eventuell dem Leistungseinsatz anpassen. Was immer das auch bedeutet, ich werde es rausfinden.

Zehn zaghaft gefahrene Kilometer später: Bislang habe ich den Motor noch nicht über 6000/min gedreht. Zwischen 6500 und 7000 Touren setzt angeblich der Turbolader ein und sorgt für – so stand es in allen Berichten – über 50 Meter lange schwarze Striche auf dem Asphalt. Überhaupt ist der 1200er recht angenehm zu fahren. Er vibriert nicht unangenehm, das Getriebe schaltet präzise und easy, und die Kupplung, die angeblich mit stärkeren Federn bestückt ist, lässt sich wunderbar leicht betätigen. Nur an die Sitzposition muss man sich gewöhnen: die Fußrasten hoch, der Sitz niedrig, die Beine stark angewinkelt, der Torso arg gebogen. Ehrlich: Für Menschen mit Hüftproblemen ist die Egli-Kawasaki MRD 1 auf Dauer wirklich nicht zu empfehlen. Allmählich müsste der Motor trotz mächtigem Ölkühler und riesigem Ölvolumen doch warm sein, denke ich, als sich diese wunderbar lange Gerade vor dem Vorderrad ausrollt …

Ab 4000/min baut das Verdichterrad Ladedruck auf

Tief durchatmen und Gas aufziehen. Während sich die Drehzahl­messernadel proper vorwärtskämpft, schwirren mir Zeilen aus der MOTORRAD Revue durch den Schädel: Ab 4000/min baut das Verdichterrad Ladedruck auf. Die Schaufelräder im Turbo rotieren maximal mit bis zu 120.000 Umdrehungen pro Minute. Einlassseitig wird dabei Luft über eine Ansaugbrücke in die Zylinder der Egli-Kawasaki MRD 1 gepresst. Über ein manuell verstellbares Ventil kann der Ladedruck variiert werden. Werte zwischen 0,1 und 0,9 bar sind ganz normal. Und falls es mehr wird, der Motor zu platzen droht, entweicht der Überdruck über ein Ventil ins Freie. Aber was genau bedeutet das? 0,1 bar – die Puffi-Abstimmung mit 150 PS und 0,9 bar der Profi-Modus mit 220 PS? Scheibenkleister! Jetzt anhalten und mal kurz nachschauen geht nicht, der Motor dreht grad so schön hoch. Ich bin völlig angespannt, doch nichts passiert. Kein schwarzer Strich. Kein steigendes Vorderrad. Auch werden die Arme nicht lang gezogen oder der Kopf nach hinten gepresst. Im Gegenteil, bei 7500/min beginnt die Kiste zu stottern. Ich bin enttäuscht.

Aber auch froh. Mein Puls senkt sich schlagartig von 200 auf 140. Zwar lenkt sich die Maschine durch die Reifen im Trennscheibenformat unglaublich leicht und auch zielgenau, doch irgendwie möchte ich nicht wissen, ob und wie sich die 36er-Gabel und die weiche Fahrwerksabstimmung mit knapp 300 km/h vertragen. Angeblich wurden damals 297 km/h Höchstgeschwindigkeit und eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in nur 2,4 Sekunden gemessen. Angeblich. Absteigen, MRD1 umrunden. Aha, da war doch noch was: Die regulierbare Benzinpumpe steht auf Förderleistung eins. Stellen wir sie doch einfach mal auf vier. Viel Luft braucht auch viel Benzin, sonst stimmt das Gemisch nicht. Erneutes Durchladen. Und wirklich: Ab 6500/min zieht die Egli-Kawasaki MRD 1 los.

Sport & Szene

Trotz weichem Fahrwerkssetup komfortabel und touristisch

Brachial, aber auch nicht viel stärker als eine aktuelle S 1000 RR. Trotzdem: Das Beschleunigungsgefühl ist völlig anders. Sanft, aber bestimmend. Ich bin überrascht, dass die Egli-Kawasaki MRD 1 so stabil liegt. Trotz Mopedreifen. Trotz weichem Fahrwerkssetup, das man guten Gewissens mit Attributen wie komfortabel oder touristisch bezeichnen kann.

Nach weiteren 50 Kilometern habe ich mich sogar an die recht bescheiden wirkende Vorderradbremse gewöhnt. Und daran, permanent angegafft zu werden. Die Egli-Kawasaki MRD 1, der Traum aus der guten alten Zeit, weckt Begierde, ohne zu enttäuschen. Hinter der riesigen Verkleidung schnellt das Leben als Film an dir vorbei. So, als sei nichts mehr wichtiger als das, was du gerade machst: fahren. Etwaige Probleme verschwinden im Rückspiegel. Die MRD1 ist immer noch eine Droge, so viel ist klar. „Und, Spaß gehabt?“, will Horst wissen, als die Maschine wieder auf seinem Hof steht. Wie gut, dass meine Eltern mir eingetrichtert haben, nicht neidisch zu sein …

Kurzporträt Fritz W. Egli

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Fritz W. Egli.

Er sei Perfektionist, Autodidakt, Pedant und Rennfahrer, sagt Fritz W. Egli selbst über sich. Der mittlerweile 77-jährige Schweizer Motorentuner und Rahmenkon­strukteur liebt auch heute noch die Extreme: Im Alter von 72 stellte er mit seinem selbst getunten 408-PS-Gespann mit 336 km/h einen Weltrekord auf. Die von ihm im Auftrag von MOTORRAD gebaute Egli-Kawasaki MRD 1 galt 1979 als das weltweit stärkste Zweirad und heimste ebenfalls Rekorde ein. Fritz W. Egli sucht derzeit einen Nachfolger für sein Unternehmen, der nicht nur technische und kaufmännische Fähigkeiten, sondern auch die nötige Passion mitbringt.

MRD 1 in der MOTORRAD Revue 1979

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Die Sensation in der MOTORRAD Revue 1979: Die Urversion der MRD1 besaß einen auf 1016 Kubik aufgebohrten und getunten Kawasaki Z 900-Antrieb, der 140 PS am Hinterrad und 155 PS an der Kurbelwelle leistete.

Die Sensation in der MOTORRAD Revue 1979: Die Urversion der Egli-Kawasaki MRD 1 besaß einen auf 1016 Kubik aufgebohrten und getunten Kawasaki Z 900-Antrieb, der 140 PS am Hinterrad und 155 PS an der Kurbelwelle leistete. Insgesamt entstanden nur fünf Exemplare in der Werkstatt von Fritz W. Egli. Doch er verkaufte auch einige Rolling Chassis der MRD1. Die hier gefahrene Maschine ist eine der fünf. Sie stammt aus dem Jahr 1982, hat 1200 cm³ und 220 PS.

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