Fantic Caballero 700 im Fahrtest

Die neue Fantic Caballero 700 im Fahrtest
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Der Perlwein von Fantic mit Yamaha-Herz

Mit der Caballero 700 gelingt Fantic ein spannendes Debüt in der umkämpften Mittelklasse. MOTORRAD fuhr den echten italienischen Scrambler.

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"Frizzante" nennen die Italiener ihre Perlweine, was auf Deutsch so viel wie prickelnd heißt. Bekanntester Vertreter ist der berühmte Prosecco: Er ist leicht, anregend – und prickelt. Kennzeichen, die zur neuen Fantic Caballero 700 passen, die wie der Prosecco aus dem Veneto im Nordosten Italiens stammt. Zumindest zum Großteil: Das Fahrwerk entwickelten die Fantic-Ingenieure vor Ort, den Antrieb liefert Yamaha aus Fernost.

Erster Check: Fantic Caballero 5:42 Min.

Fantic im Team mit Yamaha

Doch wie kommt ein Yamaha-Motor in ein Fantic-Motorrad? Kleiner Exkurs zur Erklärung: Fantic ist ein alteingesessener italienischer Hersteller, 1968 gegründet und schon damals mit einer kleinen Caballero erfolgreich, die neue Wege ins Gelände eröffnete. Heute gehört die rein italienische Marke einem Konsortium von mittelständischen Unternehmern, was in der Motorradwelt einmalig sein dürfte. Ebenso ungewöhnlich ist die Zusammenarbeit mit Yamaha, die sich allmählich entwickelte, weil beide Marken ihre kleineren Motoren im Minarelli-Werk in Bologna bauen. Inzwischen liefert Yamaha bereits seit mehreren Jahren seine Offroad-Antriebe an Fantic, die dort mit verfeinertem Fahrwerk zu eigenständigen Crossern und Enduros reifen. Und nun rückt Yamaha sogar seinen bewährten 700er-Twin heraus, der in Verkaufsschlagern wie der MT-07 und der Ténéré 700 steckt.

© Fantic
Fantic bringt Zweizylinder zur EICMA Ténéré-Twin für große Caballero?

Top-Motor neu abgestimmt

Ein großer Vertrauensbeweis der Japaner, zumal die Fantic-Ingenieure den 74-PS-Antrieb sogar verändern durften. Mit eigener Auspuffanlage und eigener Airbox drücken sie dem Twin ihren Stempel auf, erst recht mit der Integration moderner Elektronik. Ein Ride-by-Wire-System ersetzt den Gaszug, Kurven-ABS und Traktionskontrolle wurden implementiert. Ebenfalls des Drehmoments nahm sich Fantic an: Die Kurve verläuft besonders flach, was dem Motor vom Start weg Punch verleihen soll, bis zum Maximum von 70 Newtonmetern bei 6.500/min.

Fahrbericht: Fantic XEF 450 Rally 12:57 Min.

Erstkontakt in der Heimat

Den Beweis für ihr Können tritt die Caballero rund um das Städtchen Valdobbiadene an, wo Fantic seinem Neuling den ersten offiziellen Auslauf gewährt. Dort, im Anbaugebiet des prickelnden Prosecco, gehen die Testfahrer des Hauses auf Erprobung, denn die Entwicklungsabteilung von Fantic sitzt nur eine knappe Stunde weiter südlich. Die schmalen Straßen, die sich hier von den Weinbergen bis hinauf in die Dolomiten winden, ersparen der Caballero nichts. Von Schlaglöchern über Spurrillen und Bodenwellen hin zu Waschbeton und Kopfsteinpflaster halten sie Schikanen aller Art bereit.

Fahrbericht: Fantic-Modellpalette 2023 9:04 Min.

Geprüftes Fahrwerk

Weitere Prüfsteine fürs Fahrwerk liefert bei diesem Erstkontakt starker Regen, der Erdrutsche und damit teils schmierigen Belag verursacht. Doch die stabile 45er-Upside-down-Gabel von Marzocchi hält das 19-Zoll-Vorderrad der Fantic entschlossen auf Spur, kleine Hinterradrutscher fängt die Traktionskontrolle prompt wieder ein. Die meisten Verwerfungen im Asphalt gleichen Gabel und Federbein im Verein mit den 150 mm langen Federwegen gut aus, nur bei tiefen Löchern oder Buckeln bekommt die Wirbelsäule doch einen Schlag ab.

© Fantic
Fantic Caballero 700 Moderner als die MT-07

Schwungvolles Leichtgewicht

Vollgetankt wiegt die Caballero gerade mal 184 Kilogramm, fast wie von selbst findet das Leichtgewicht seine Linie durch die zahllosen Kurven und Kehren. Beim schwungvollen Wedeln hilft der Scrambler-typisch breite Lenker, der relativ niedrig angebracht ist und eine aktive, nach vorn geneigte Sitzposition mit guter Vorderradkontrolle ermöglicht. Das stabile Fahrwerk schafft Vertrauen, trotz des nasskalten Wetters kommt unterm Helm gute Laune auf. Verstärkt wird sie noch durch den kultiviert laufenden Reihenzweizyinder von Yamaha, der mit seiner unregelmäßigen Zündfolge gekonnt einen V2-Motor imitiert. Zu erkennen ist das zum einen am kräftigen Sound, der mit 90 dB(A) Standgeräusch nie zu laut wird, zum anderen an der sehr linearen Leistungsentfaltung. Der Twin wirkt lebhaft und wachsam, ist jederzeit voll da und lässt es nie an Druck fehlen.

Moderner als die Yamaha

Neben Traktionskontrolle und Schräglagen-ABS bringt die Caballero drei Fahrmodi mit. Doch ehe Scrambler-Puristen empört aufschreien: Die Modi machen aus der 700er kein Computerspiel auf zwei Rädern, denn sie beschränken sich aufs Wesentliche. Im Street-Modus sind ABS und Traktionskontrolle aktiv, Bei "Offroad" wirkt das ABS nur aufs Vorderrad. Im Custom-Modus schließlich lassen sich die Assistenzsysteme ganz abschalten – "für die zwei Minuten Wahnsinn, die wir uns alle ab und zu gönnen", wie die Fantic-Entwickler augenzwinkernd sagen.

© Fantic
Fantic Caballero 500 Fünf mal Euro 5

Ein echter Scrambler

Na dann: rein in den Offroad-Modus und über eine gerillte, holprige Betonrampe rauf auf den Schotterweg in 1.200 Metern Höhe. Tief hängende Wolken schaffen eine unwirkliche Atmosphäre, doch die 700er bleibt im Kies auf Kurs. Mit leichter Hand lässt sie sich um die Haarnadelkurven dirigieren, die Scorpion Rallye STR-Reifen von Pirelli stellen einmal mehr unter Beweis, dass sie echte Alleskönner sind. Nur das Fahren im Stehen funktioniert wegen des ungewohnt tiefen Lenkers nicht gleich – wohin mit den langen Beinen? Okay, verstanden, einfach weiter nach vorn beugen, dann klappt‘s. Selbst offroad nicht sonderlich Geübte wie die Testerin fühlen sich auf Schotter bald wie zu Hause. Fantic hat nicht zu viel versprochen: Die Caballero 700 sieht nicht nur aus wie ein Scrambler, sondern ist tatsächlich einer, meistert Asphalt und losen Untergrund gleichermaßen.

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Firmenporträt Fantic Fantic und der venezianische Weg

Und doch was für die Straße

Wie immer nach einer kleinen Einlage im Dreck flutscht es danach auf Asphalt umso besser. In flottem Tempo geht es zurück nach Valdobbiadene, selbst rutschige Kehren ändern nichts am Prickeln im Bauch, das die Caballero nachhaltig hervorruft. Alles kann sie zwar nicht: Autobahnetappen dürften mangels Wind- und Wetterschutz anstrengend verlaufen, mit Sozius könnte es auf längeren Strecken eng werden und an der Gepäckunterbringung hapert es gewaltig. Doch die Quintessenz des Motorradfahrens beherrscht Fantics Neuling wunderbar: Kurven, Kurven und noch mehr Kurven.

Fazit

Wie sagten die Fantic-Leute bei der Vorstellung? "Spaß ist eine ernste Angelegenheit." Dass sie die Entwicklung ihrer Caballero 700 ernst genommen haben, glaubt man ihnen nach diesem ersten Probelauf aufs Wort.

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