Nein, es wird nicht Dschankia Dog ausgesprochen, sondern Dschank-yard Dog. Gemeint ist der Hund vom Schrottplatz. Wie die Kawasaki W 650 Junkyard Dog zu diesem Namen kam und ob sie wirklich bissig ist, lesen Sie hier.
Nein, es wird nicht Dschankia Dog ausgesprochen, sondern Dschank-yard Dog. Gemeint ist der Hund vom Schrottplatz. Wie die Kawasaki W 650 Junkyard Dog zu diesem Namen kam und ob sie wirklich bissig ist, lesen Sie hier.
„Hier wird pneumatisch geschaltet“, sagt er. Sein Finger weist auf einen Alu-Hebel am linken Lenkerstummel. Der Hebel sieht ein bisschen aus wie ein verlebter Flaschenöffner. Und passt deswegen gut zum Rest des Motorrads. Denn irgendwie sieht alles so aus, als hätte man herumstreunende Teile verbaut. „Da schauste, was?“, sagt er und grinst still in sich hinein.
Er ist kein Geringerer als Ulf Penner, Autor der Viertakt-Tuning-Fibel und längst auch über Bremens Stadtgrenze hinaus als Motoren-Tuner respektiert. Es ist der 3. August, die Sonne hängt wie eine Trockenhaube über Norddeutschlands Weserstadt. Wir stehen im rot verbacksteinten Hinterhof eines Industriegebiets. Junkyard Dog? „Klar“, brummt Ulf. „Diese Kawa W 650 ist für einen Kunden aufgebaut, der damit auf dem Achtelmeile-Rennen am Glemseck 101 starten will. Der legt Wert auf eine skurrile Erscheinung. Und Leistung. Natürlich.“ Skurrile Erscheinung, aha. Stimmt. Allein die Frontverkleidung würde dafür schon ausreichen. O-Ton Penner: „Ein ausrangierter Bulettenpanzer.“ Was so viel bedeutet wie „ein alter Brustschutz, den Polizeibeamte bei Einsätzen trugen.“
Ulf umtänzelt die W 650 und erklärt die Umbauten: Das Heck wurde dem Bug optisch angeglichen – „Mad Max“-Style, der Motor mit seinen ursprünglichen 676 cm³ auf 850 Kubik aufgebohrt. Spezielle Nockenwellen, größere Einlassventile und eine Zylinderkopfbearbeitung verhelfen dem Königswellen-Motor angeblich zu 90 PS und 96 Nm. Gemessen auf einem Prüfstand in Norddeutschland. Was nichts heißen will. „Ich will hier nicht viel schnacken. Am besten, du fährst“, brummt Ulf, und schon baumelt der Zündschlüssel vor meiner Nase. „Wie die Schaltung funktioniert, hab’ ich dir ja vorab schon erklärt.“ Ja, hat er.
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Ein kleiner 12-V-Kompressor, mit dem gemeinhin Autoreifen im Fall eines Plattfußes wieder aufgepumpt werden, sitzt unter der Gabelbrücke und presst Luft in ein Reservoir. Der Kompressor wird über der Hupenknopf aktiviert. Die funktioniert wahrscheinlich nicht mehr, denke ich, als sich mein Allerwertester auf den spartanischen Sitz fallen lässt. Die recht tief montierten Lenkerstummel ziehen den Oberkörper sportlich über den Tank. Nach kurzem Druck auf den E-Start-Knopf brabbelt der Twin erwartungsfroh drauflos. Die Edelstahlkrümmer sind eine Pennersche Eigenentwicklung und münden in zwei legale Schalldämpfer aus dem Hause Shark. Es klingt nicht mehr züchtig zugestopft nach W 650. Es klingt eher lüstern, geheimnisvoll und dumpf-bassig. Trotz pneumatischer Schaltung, die auf dem Achtelmeile-Rennen für ein paar Zehntelsekunden respektive Meter gut sein soll, kann man auch altbacken mit dem linken Fuß schalten. Also: Gang rein, runter vom Hof, rein in den Verkehr.
Der 850 Kubik große Twin hängt gut am Gas. Kommandos von der rechten Hand setzt er überraschend spontan um. Die beiden 36er-Mikuni-Flachschieber sind daran garantiert nicht ganz unschuldig. Sie atmen völlig frei, wobei die Atemluft durch ein selbst gebautes Ram-Air-System herangeführt wird. Doch ehrlich: Auch das könnte vom Schrottplatz stammen. Denn es sieht so aus, als hätte jemand den arg gebrauchten Schlauch einer Dunstabzugshaube in einen defekten Toaster geführt – „Mad Max“-Style. Wie sagte Ulf doch so schön: „Ram Air ist natürlich Quatsch. Aber so bekommt der Schrottplatzhund wenigstens frische, kühle Atemluft von vorn.“
Ob das was bewirkt, wird sich jetzt zeigen. Denn ich stehe an der Ampel neben zwei Typen, deren Arme lässig aus einem extrem flachen Sportwagen italienischen Ursprungs baumeln. Sie lachen. Ihre Sonnenbrillen wirken wie ein Spiegel. Ich sehe einen kleinen Mann, der sich hinter einen Bulettenpanzer kauert. Hinter seinem linken Bein reckt sich der Dunstabzugshauben-Schlauch in die Freiheit, hinter seinem rechten ist eine Aluminiumflasche befestigt, die man landläufig als Tank für Campingkocher identifizieren würde.
Volle Konzentration. Nach der Ampel biegt die zweispurige Straße sofort auf die Autobahn. DIE Gelegenheit, die pneumatische Schaltung auszuprobieren, denke ich. Druck auf die Hupe. Flllllllrrrrrrrziiiip. Der Kompresser pumpt. Irritation im Sportwagen. Linker Daumen auf den Flaschenöffner. Bereit, wenn Sie es sind, meine Herren. Grün! Verdammt, der Schrottplatzhund bellt nicht nur angriffsbereit, sondern macht auch sofort Männchen. Das Vorderrad ist weit im Himmel, ich muss kurz vom Gas, schalte aber trotzdem hoch, bevor es den Boden wieder berührt. Ein pneumatisch angesteuerter Zylinder übernimmt dabei die Arbeit meines linken Fußes. Während der nächste Gang in die Verzahnung rutscht, wird zwar nicht automatisch ausgekuppelt, jedoch wird die Zündung kurz unterbrochen. Der Hund sprintet los, als ob der Fänger hinter ihm her wäre. Der Sportwagen? Irgendwo im Rückspiegel. 90 PS? Durchaus glaubhaft. Der Junkyard Dog sieht nicht nur wild aus, er ist auch stark und angriffslustig. Hatte aber, wie sich später herausstellte, gegen ein paar aufgemotzte 1000er-Vierzylinder-Bikes auf der Achtelmeile am Glemseck keine Chance.
Gangwechsel: Die pneumatische Schaltung wurde mit geringem Kostenaufwand realisiert. Ein kleiner 12-Volt-Kompressor pumpt bis zu 15 bar Druck in den Alu-Behälter. Diese Druckluft aktiviert einen pneumatischen Zylinder, der über eine Umlenkung die Gänge schaltet. Der Schaltvorgang wird über einen Hebel am linken Lenkerstummel ausgelöst, dabei wird auch die Zündung kurz unterbrochen.
Motor: Basis: W 650, aufgebohrt auf 850 Kubik, Verdichtung 10,5:1, größere Einlassventile, Spezial-Nockenwellen, Leistung: 90 PS bei 7700/min, 96 Nm bei 5800/min.
Weiteres: Acront-Felgen, VA-Speichen, Gabel: Yamaha XS 850, Gabelstabilisator, Vorderrad: Yamaha XS 650, Wilbers-Federbeine, Shark- Auspuff, LSL-Fußrasten, Benzinpumpe: Yamaha Virago, 36er-Mikuni-Flachschiebervergaser, weitere Infos unter 04 21/5 15 99 64.