Louis-Umbau Honda CB Seven Fifty im Test
Mein lieber Schwan!

Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan. Ungefähr so verlief die Metamorphose des alltagsstarken, aber etwas ausdrucksschwachen Allrounders Honda CB Seven Fifty zum Café Racer. Ausgebrütet von der Louis-Schrauber-Crew.

Mein lieber Schwan!
Foto: www.jkuenstle.de

Hondas CB Seven Fifty war ab 1992 ein voller Erfolg. Klar konnte ein zuverlässiges, unzerstörbares und bequemes Naked Bike massenhaft punkten. Nur war die 750er eben auch ein wenig bieder, leidenschaftslos. Nicht zuletzt im Vergleich zu einer Kawasaki Zephyr aus jener Zeit. Doch was ein kleines Team in der Hamburger Louis-Zentrale aus einem 1994er-Exemplar der Honda gezaubert hat, das ist schon alle Achtung wert. Vier Mann, eine Vision: „Ein komplett anderes, viel hübscheres Bike bauen!“

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Tatsächlich macht der Umbau der onda CB Seven Fifty richtig an. Und das, nachdem die Basis, gebraucht gekauft über mobile.de für 1800 Euro, bereits über eine Erdumrundung hinter sich hat. Es wirkt, als habe die Sekretärin aus dem Nachbarhaus ihre langen Haare endlich einmal geöffnet, die Brille abgenommen und schwarz durch die Bluse schimmernde Dessous angelegt. Wow, das soll eine Seven Fifty sein? Okay, der Motor vielleicht. Aber der Rest? So sexy, so sinnlich? Sagen wir, so sportlich-schnittig, schon schnell im Stand.

Doppelschleifen-Rahmen, Radspeichen, umgespritzter Serientank

Eine verruchte Lady ist die Honda CB Seven Fifty von Louis, in Schwarz und Rot. Hat verdammt viel Rouge, die Farbe der Liebe, aufgetragen: Doppelschleifen-Rahmen, Radspeichen, Sitzbank, Längsstreifen über Höcker und umgespritzten Serientank. Glänzend: poliertes Alu als Kontrast zum roten Lack der Felgen. Und der verchromten Kastenschwinge. Mein lieber Schwan! Viel zu tun gab es für die hauseigene Flex. Das Rahmenheck? Viel zu lang. Schnitt! Auf die wesentlichen Belange reduziert, wirkt es gleich viel knackiger. Darauf sitzt ein schlanker, gerundeter Einmann-Höcker. Ihn bietet Louis sonst für die Yamaha SR 500 feil. Im Nebenjob beherbergt der Bürzel einen Großteil der Elektrik. Und ermöglicht erst die cleane Linie eines waschechten Café Racers.

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Klare Linie(n): Schlanker, schwarzer Megacone-Auspuff, offenes Rahmenheck, klassische Chromlampe.

Noch etwas um die geduckte, sehnige Honda herumschlendern. Das völlig freigelegte Rahmendreieck gibt offenherzig den Blick von links nach rechts frei, oder umgekehrt. Mittendrin sitzt zentral eine etwas überdimensionierte Batterie auf einem Halter aus dem Hamburger Altmetallcontainer. Nun, der Louis-Umbau der Honda CB Seven Fifty ist bereits gut zwei Jahre alt, heute würde man vermutlich einen Lithium-Ionen-Akku verbauen, leichter und kompakter.

Hauptständer? An einem Kaffee-Brenner? I wo, er fiel samt seiner Aufnahme am Rahmen den umbauwütigen Hamburgern zum Opfer. Und so rekelt sich die 750er keck auf ihrem kurzen Seitenständer. Ihre i-Tüpfelchen finden sich an der Front: funkelnd polierte Gabeltauchrohre und der lackierte Metallkotflügel. Beides überragt vom Sieben-Zoll-Rundscheinwerfer mit filigranen Haltern und klassisch verchromter Lampenglocke. In ihr spiegelt sich das gesamte Himmelsgewölbe, krümmen sich Bäume und Äste zu Fabelwesen.

Unter Last wird der Vierzylinder zum Kreischer

Platz nehmen auf dem konsequenten Einsitzer. Der Ledersitz stammt vom Hamburger Sattler Kinzlin. Bück dich hoch zu LSL-Lenkerstummeln mit edlen Griffen. Und zu einem völlig neuen Seven Fifty-Erlebnis. Die Füße parken auf starren Fußrasten. Ein echter Schluchtenflitzer ist die Honda CB Seven Fifty nun. Du siehst keine Dächer der Häuser um dich. Nur das, was direkt vor dir liegt. Als Krawallrohr entpuppt sich die mattschwarz gehaltene Vier-in-eins-Komplettauspuffanlage von Megacone. Polierter Edelstahl, böse mattschwarz beschichtet. So geht Understatement. Aber nur optisch. Akustisch gibt’s keine Zurückhaltung. Heiser röhrt und röchelt es vor sich hin. Sonor, satt und dumpf, dieser Sound.

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Offenes Wesen. Die sogenannten Power-­Luftfilter hat ein verständnisvoller TÜV-Ingenieur anstandslos abgenommen. Neckisch: rote Vergaserdeckel.

Vorsicht beim Bordsteinklettern: Die Krümmer liegen tief! Unter Last wird der Vierzylinder zum Kreischer. Aua. Wer hat da bloß den dB-Eater entfernt? Immerhin, der schwarz lackierte Motor wirkt gut abgestimmt. Schön stabil und konstant sein Leerlauf. Fein dosierbar rückt die Kupplung ein, via fein gefrästen, verstellbaren LSL-Hebel betätigt. Der Drehmomentverlauf stimmt, gleichmäßig-sauber gefällt der Leerlauf, linear fällt der Kraftzuwachs mit der Drehzahl aus. Fein folgt der schwarz lackierte Vierzylinder Gasbefehlen. In seinem Inneren blieb alles original: Nockenwellen, Zylinderköpfe, Getriebe, alles Serie, knapp 20 Jahre alt.

Schwäne können richtig wütend werden. Aber dieses Exemplar beißt bloß verhalten zu. „Nur“ 70,5 PS drückt der Kurzhuber, 64 davon kommen via goldene X-Ring-Kette von DID am 180er-Hinterreifen an. Vor 20 Jahren waren es 79 Pferdestärken beim Test im Serientrimm. Um maximale Power ging es beim Umbau eben nicht. Louis-Schrauber-Urgestein Detlef Stüdemann, genannt „Stüde“, passte die Vergaserabstimmung an freigelegte Lungenflügel an: vier einzelne Power-Luftfilter. Sie geben dem Motor eine sexy Aura, sollen ihm ein wenig mehr Luft und Leben einhauchen. Und fielen unter den Ermessensspielraum des TÜV-Prüfers.

Die meisten der von Louis verwendeten Umbauteile haben eine ABE oder ein TÜV-Gutachten. An den aufgezogenen Gummis, angejahrten Dunlop D 208 RR, sieht wenig Negativprofil richtig sportiv aus. Aber in puncto Haftung, Rückmeldung und Lenkpräzision gibt es heutzutage viel Besseres. Komplett original blieb das Fahrwerk der Honda CB Seven Fifty.

Trotz federleichter 216 Kilogramm vollgetankt, 17 weniger als vorm Umbau, muss man beim Einlenken ein wenig an den Stummeln zupacken. Passt zum drahtigen Konzept. Immerhin: Neutral segelt der schwarze Schwan im Tiefflug. Auf gutem Asphalt. Denn die Stereo-Federbeine von Honda-Haus-und-Hoflieferant Showa kombinieren wenig komfortable Grundhärte mit mäßiger Dämpfung. Verbuchen wir mal milde unter der Rubrik „Altersschwäche“.

Honda
Die Basis: Eine Seven Fifty ist gutmütig und alltagsstark, nur nicht sehr sexy.

Die Sitzposition ist auf Dauer anstrengend, vor allem bei Schleichfahrt, wenn noch kein Winddruck trägt. Noch mal absteigen, viele kleine Details bewundern: feine Kellermänner, Mini-Blinker mit edlem Metallgehäuse etwa. Oder das rudimentäre Rücklicht überm filigranen Kennzeichenträger. Optisch adrett: der Louis-Seitendeckel am rechten Kurbelwellenstumpf. Von praktischem Nutzen: Ein Ölthermometer statt des einstigen Einfüllstutzens informiert über die aktuelle Öltemperatur. Schön geformt: der LSL-Bremsflüssigkeitsbehälter am Heck.

An den Kragen ging es den großen Serieninstrumenten. Weiß unterlegte Mini-Runduhren samt Haltern fanden sich im Louis-Sortiment. Schwieriger war bei der Honda CB Seven Fifty der Umbau auf die Lenkerstummel. Denn untere Lenkeraufnahmen und Seriengabelbrücke sind in einem Stück gegossen. Also musste eine neue obere Gabelbrücke her. Sie wirkt etwas klobig, dazu mit Analoguhr und Luftthermometer ein wenig überfrachtet.

Kritikpunkte? Nun, die Bremsbeläge der Originalbremssättel jaulen beim Biss auf die geschwungenen TRW-Lucas-Scheiben nervig. Abhilfe hat Louis ja in petto: Kupferpaste zu 4,99 Euro oder Anti-Quietsch-Folie (die heißt wirklich so!) für die Rückseite der Beläge. Kosten: 6,99 Euro. Auch wenn diese Honda CB Seven Fifty ein absolutes Einzelstück ist: Als Umbau-Fundgrube für Hinterhof- und Garagentuner bietet der stolze Vogel eine Menge toller Anregungen. Gucken, was geht. Wenn man will, eine ganze Menge. Man muss nur seine Ideen konsequent ausbrüten. So wie die wilden Kerle der Louis-Schrauber-Crew.

Drag Strip mit der CB

Beim Motorradfestival Glemseck 101 trat Redakteur Thomas Schmieder Anfang September 2013 zum „International Sprint“ über die Achtelmeile an. Dabei starten auf der ehemaligen Solitude-Rennstrecke bei Stuttgart 32 Fahrer/-innen in 16 Paaren aus halb Europa im K.-o.-System gegeneinander. Thomas musste ausgerechnet gegen den TT-Star Conor Cummins auf einer Buell XB 12 ran. Ein magischer Moment, zu zweit vorn an der Startlinie zu stehen: volle Konzentration, Flagge runter – und los! Thomas erwischte den besseren Start, kam flotter weg als Conor Cummins, seine Schaltpunkte passten. Doch wild galoppierenden 95 US-Mustangs des V-Twins war der 70-PS-Vierzylinder nicht lange gewachsen. Im Endeffekt schob sich der Racer von der Isle of Man nach vorn. Gratulation!

Alle Infos zum Umbau

MRD
Das Leistungsdiagramm der Louis-Honda CB Seven Fifty.

Preise und Teile
Bestellhotline und Infos:
Telefon 0 40/73 41 93 60 und www.louis.de

Die wichtigsten Einzelteile des Umbaus sind:
GFK-Höckersitzbank für Yamaha SR 500 mit Anbaukit: 189,90 Euro; Sitzpolster und Sitzbezug von www.sattlerei-kinzlin.de (Hamburg); Komplett­auspuffanlage Megacone SpeedPro MotoGP: 779 Euro; Delo Power-Luftfilter: 9,99 Euro (je Stück); Chrom-Scheinwerfer British-Style: 59,95 Euro; Lampenhalter mit Schellen: 79,90 Euro; LSL-­Lenkerstummel Sport-Match: 38,95 Euro (Set); LSL-Gabelschellen Sport-Match: 119,95 Euro; LSL-Lenkergriffe: 34,95 Euro (Paar); Alu-Lenkerenden: 14,99 Euro (Paar); LSL-Kupplungs-/Bremshebel: 199,90 Euro (Set); Tachometer Moto Detail: 69,95 Euro; Drehzahlmesser Moto Detail: 99,95 Euro; Kellermann-Blinker Micro 1000: 34,95 Euro (Stück); LSL-Bremsflüssigkeitsbehälter: 79,95 Euro; Bremsscheiben TRW-Lucas: 125,95 Euro (je Stück vorn) bzw. 99,95 Euro (hinten); TRW-Lucas-Stahlflexbremsleitungen: 139,95 Euro (vorn) bzw. 57,95 Euro (hinten); LSL-Spiegel Clubman: 79,95 Euro (Stück); Mini-Hupe: 7,99 Euro; Kontrollleuchten: 1,99 Euro (Stück); Moto Detail-Thermometer: 9,99 Euro; Moto Detail-Analoguhr: 14,99 Euro.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023