Madaus Twintrax Power Plus von Christoph Madaus
Wahnsinn auf zwei Rädern mit zwei Harley-Twins

Zwölf Jahre hat der Designer Christoph Madaus an der Twintrax Power Plus gearbeitet. Ohne zu wissen, was wir mit seinem Monster vorhaben, lässt er uns das Motorrad mit zwei hintereinander montierten Harley-Twins fahren. Selber schuld.

Wahnsinn auf zwei Rädern mit zwei Harley-Twins
Foto: Gargolov

Madaus Twintrax Power Plus

Rückblende: Im Mai 2007 steht der Kölner Designer Christoph Madaus vor einem Kreis erlesener Gäste und aktiviert nach zwölf Jahren Bauzeit zum ersten Mal den Elektrostarter. Wobei, eigentlich sind es sogar zwei Elektrostarter, die sein Monster aus der Geburtsstarre schrecken sollen. Denn es sind auch zwei Motoren, die ihre Kraft auf ein angeflanschtes Getriebe schicken: Christoph hat zwei Harley-Evolution-Motoren hintereinander in ein Chassis gezwängt. Ein Chassis, das er selbst entworfen und gefertigt hat. Wie fast alles an diesem Bike. In zwölf langen Jahren.

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Madaus Twintrax Power Plus von Christoph Madaus
Wahnsinn auf zwei Rädern mit zwei Harley-Twins
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"Ein Motorrad kann gar nicht genug Motor haben"

„Ein Motorrad kann gar nicht genug Motor haben“, sagt er. Seinem Monster mit gefühlten fünf Meter Radstand und 2,8 Liter Hubraum gibt er den Namen Twintrax Power Plus und schiebt es auf die Custombike-Messen dieser Welt. Es gewinnt unzählige Preise, schafft es auf die Titelseiten diverser Magazine rund um den Globus und erstaunt die Fachwelt. Denn Madaus ist Interiordesigner, ein Mann, der sich gemeinhin mit der Gestaltung von Räumen beschäftigt. Mit sich, der Welt und dem Erfolg der Twintrax zufrieden, parkt er seine Schöpfung fortan in seinem Büro.

Streichelt vorm Insbettgehen sanft darüber, wedelt jedes Staubkorn penibel hinfort und weidet sich am Anblick. Bis heute. Anruf in Köln. „Sag mal Christoph, in unserer Serie „‚Abgefahren!‘ “ beschäftigen wir uns mit total verrückten Motorrädern und fahren sie auch. Können wir die Twintrax haben?“ Stille am anderen Ende. „Ähh, fahren? So richtig fahren?“ Ich ahne schon, dass er jetzt sagt, es ginge nicht. Einzelstück. Unbezahlbar. Springt nicht an. Lässt sich nicht fahren. Gebaut, um es anzuschauen. Hinzu noch die Angst, man könne es beim Fahren zerstören. Oder es könne sich sogar selbst zerstören. „Okay“, sagt Christoph, „kommt vorbei. Muss nur noch kurz die Batterien aufladen. Die dürften platt sein. Einzige Bedingung: Fahren im Regen ist tabu.“

200 Nm, 2,06 Meter Radstand, 400 Kg vollgetankt

Zwei Wochen später. Es ist leicht bewölkt, und die Wetterprognose für den Kölner Raum spricht von einer 50-prozentigen Regenwahrscheinlichkeit. Blank poliert und vollgetankt glitzert die Twintrax bereits startklar im Hof. Christoph hat sie millimetergenau durch zwei hohe Glastüren aus seinem Büro in den Hof gezirkelt. Seit Jahren bricht sich die Sonne wieder mal auf den kantigen Oberflächen. „Hier“, meint Christoph nachdenklich, „steckst du den Zündschlüssel rein, und das ist der Knopf für den E-Starter.“ Sein Finger deutet auf eine fast unsichtbare Ausfräsung im linken Griff. Da wäre ich von allein nie drauf gekommen. Die Lässigkeit, mit der ich diesem Brocken am Telefon und in 400 Kilometer Entfernung begegnet bin, weicht plötzlich einem Mordsrespekt. 160 PS. Rund 200 Newtonmeter Drehmoment. 2,06 Meter Radstand. 400 Kilogramm vollgetankt. Preis: unbezahlbar. „Gibt es irgendwas, was ich noch wissen muss?“ Christoph schürzt die Lippen. „Nee“, sagt er lächelnd, „funktioniert wie alle normalen Motorräder. Ist nur ein wenig größer.“

Wie alle normalen Motorräder. Aha. Beim Starten vielleicht noch am ehesten. Per Knopfdruck rücken zwei Anlasserwellen aus und scheuchen die beiden Kurbelwellen in ihre Umlaufbahnen. Sofort brüllt das Urvieh gemäßigt auf. Genau so laut, dass die Nachbarn nicht lachen, aber auch nicht gleich die Grün-Weißen rufen. Aber dann! Von Sitzmitte bis zu den Lenkergriffen sind es rund 95 Zentimeter. Das allein wäre nicht weiter schlimm. Ist es aber in Verbindung mit der Tatsache, dass die Fußrasten ähnlich wie die für einen Sozius weit hinten und weit oben montiert sind. Bedeutet, dass man quasi im Liegen fahren muss. Handgelenke und Bauchmuskeln müssen das gesamte Körpergewicht abfangen.

Gargolov
Die Twintrax Power Plus mit gefühlten fünf Meter Radstand und 2,8 Liter Hubraum.

Irgendwer hat mal gesagt, dass eigentlich jeder einen Waschbrettbauch hat. Nur leider sieht man ihn bei mir nicht. Außerdem, glaube ich, bin ich der Einzige, auf den das nicht zutrifft. Mann, ist das anstrengend! Und noch keinen Meter gefahren. Nächstes Problem: Fußbrems- und Schalthebel sind senkrecht unter den Rasten montiert. Während mein rechter Fuß sicheren Stand sucht, ist das linke Bein spagatisch gestreckt, und der Fuß versucht, den ersten Gang reinzuklicken. Schweißperlen laufen mir den Nacken runter. Christoph schaut skeptisch und fragt zaghaft nach der Deckungssumme unserer Versicherung. Klack, der erste Gang ist drin. Jetzt nichts wie weg vom Hof. Während diese Skulptur sich in Bewegung setzt, denke ich über zwei Dinge nach. Erstens: Es war eine blöde Idee, mit der Twintrax einen Ausflug durch die Kölner Innenstadt zu machen. Und zweitens: Christoph Madaus ist Designer. Vielleicht hat er viele Lehrgänge gemacht, sich schlau gelesen, Ratschläge von Koryphäen eingeholt und alles zehnmal überprüft. Doch ehrlich: Man kann lange noch kein Kung Fu, wenn man hundert Bücher darüber gelesen hat.

Viel Zeit bleibt mir nicht, diese philosophischen Gedanken zu Ende zu führen. Denn schon ist Schalten angesagt. Die hydraulische Kupplung funktioniert super, lässt sich leicht betätigen und fein dosieren. Aber mein Fuß tastet zuerst im Leeren herum. Endlich! Schaltvorgang beendet. Aber schon die erste rote Ampel. Eine Ampel, die mich an mein erstes Leben im Geländesport und einen damit verbundenen Fersenbein-Trümmerbruch rechts erinnert: Der Fußbremshebel steht in einem Winkel, den ich mit dem Trümmerfuß gar nicht mehr realisieren kann. Gottlob verfügt das Monster über eine gut funktionierende Doppelscheiben-Bremsanlage vorn, in der zwei Sechskolben-Bremszangen für eine respektable Verzögerung sorgen. Ausgesprochen beruhigend. Wenn da nicht die alten Metzeler M880, montiert 1995, wären. Sind sogar noch Noppen auf der Lauffläche.

Die Twintrax schießt vor und lässt den 5er-BMW stehen

„Hey!“, brüllt es aus dem Auto neben mir. Zwei ausländische Mitbürger haben ihre Sonnenbrillen über den Mund geschoben. Ihre Augen drohen aus den Höhlen zu flutschen. „Wo hast’en das gekauft?“ „Ebay“, brülle ich zurück. Ich weiß, es ist gelogen, aber sollen sie ruhig mal googeln. Grün! Gang drin, Feuer frei. Die Twintrax schießt vor und lässt den 5er-BMW alt aussehen. Nach zehn Minuten, in denen mein linker Fuß es lernt, sich exakt zwischen Schalthebel und Fußraste einzufädeln, beginnt die Twintrax zu kokettieren, zeigt mir, wie gut sie funktioniert. Bis auf den Fußbremshebel, den ich verletzungsbedingt nicht erreichen kann, fährt sie tatsächlich wie ein normales Motorrad.

Besonders beeindruckt es, wie Christoph die Kraftübertragung realisiert hat: Zwei 1340 Kubik große Evolution-Motoren geben ihre je 80 PS über zwei breite Zahnriemen ans Getriebe weiter. Die Twintrax hängt super am Gas, und wenn man mal richtig durchlädt, rauscht die Fuhre auch ordentlich vorwärts. Glaubt man dem digitalen Instrument, drehen die Motoren bis 5800/min. Endlich mal eine luftgekühlte Harley, die über 11000/min schafft. Rekord. Dafür muss man zwei Motoren bemühen.

"Biste nich zu kleen für dat Ding?"

Tankstelle in Köln-Brück. Menschentraube. „Biste nich zu kleen für dat Ding?“ Nein. „Fährt die mit Diesel?“ Nicht weit. „Isn Vauacht, oder?“ Was soll ich jetzt antworten? V4? „Nein, hier hat jemand zwei V2 hintereinander verbaut.“ Schweigen. Die Menge nickt. Jedes fallende Centstück wäre ein Erdbeben. Ich sattle wieder auf. Beim Rausfahren aus der Tanke kommt mir der überraschend große Lenkeinschlag der Twintrax sehr entgegen. Er ist weitaus größer als bei manch einem Superbike von Triumph oder Ducati. Wenn da nicht diese Liegeposition wäre, die mich ständig Liegestütze machen lässt, würde ich jetzt mit dem Ding kurz mal nach Düsseldorf fahren und mich damit brüsten, dass dieser Brocken in Köln entstanden ist.

Doch Düsseldorf ist vergleichsweise weit, denn abgesehen von der Sitzposition ist die Twintrax auch kein Referenzbike für Sitzkomfort - direkt vor dem Sattel verläuft eine Rahmenquerstrebe, die meine Leistengegend unfreiwillig massiert. Und wir reden hier von Stahlrohr, nicht von zarten Frauenhänden. Trotz allem: Ich bin begeistert. Denn dieses Monster wird meinen schlimmsten Befürchtungen nicht gerecht. Es lässt sich tatsächlich fast normal fahren. Als ich das Christoph sage, während die Twintrax wieder in seinem Hof knistert, grinst der nur still in sich hinein.

Technische Daten

Gargolov
Selbst konstruiert, wie nahezu alles an der Twintrax: Kraftübertragung per Transmissionsantrieb über zwei breite Gates-Zahnriemen bis an die Kupplung.

Madaus Twintrax Power Plus

Antrieb:
Zwei Harley-Davidson Evolution-Motoren mit je 1340 cm3, zirka 160 PS, zirka 200 Newtonmeter Drehmoment, 42er-Vergaser, Fünfganggetriebe, Kevlar-Trockenkupplung mit sieben Lamellen, Transmissionsantrieb über zwei Gates-Riemen, Breite 50 mm und 85 mm, Endantrieb über 525er-O-Ring-Kette, Metallkatalysator.

Fahrwerk:
Einschleifen-Rohrrahmen aus Präzisionsstahl, 45er-White-Power-Upside-down-Gabel, verstellbare Druck- und Zugstufe, Aluschwinge mit zwei White-Power-Monofederbeinen, voll einstellbar, Fischer-Scheibenräder 3.50 x 18; 6.50 x 15, Reifengröße vorn 130/70-18, hinten 200/70-15, Zweischeibenbremsanlage vorn, Ø 320 mm, Einscheibenbremsanlage hinten, Ø 280 mm, jeweils mit Billet-Sechskolben-Festsattel.

Maße und Gewichte:
Radstand 2060 mm, Lenkkopfwinkel 63 Grad, Nachlauf 109,7 mm, Federweg v/h 120/70 mm, Sitzhöhe 780 mm, Gewicht vollgetankt: 400 Kilogramm, Gewichtsverteilung: v/h 51/49 %, Tankinhalt 14 Liter.

Interview mit Christoph Madaus

Gargolov
Christoph Madaus im Interview.

„Mit dem höchsten Anspruch“

Der 54-jährige Kölner ist in der Custombike-Szene längst kein Unbekannter mehr und könnte sein Hobby sogar zum Beruf machen. Schöpfungen wie der coole Bobber Billy Bob, der Mix aus modernen Teilen und penibler Restauration bei seiner KHRM oder auch sein letztes Werk, die XLCH, sind eine Bereicherung für jede Ausstellung.

? Viele haben gedacht, die Twintrax war dein erstes und letztes Werk. Aber sie scheint ja nur der Anfang gewesen zu sein...

! Nein, mein erstes Motorrad, das ich umgebaut habe, ist eine Harley FXR. Das Projekt habe ich 1992 realisiert. 1995 erfolgte dann der Start zur Twintrax. Danach kamen der XLCR Café Racer, die KHRM, der Billy-Bob-Bobber, und gerade eben ist die XLCH fertig geworden. Die Modelle kann man alle auf der Internetseite www.german-motorcycle-authority.com anschauen.

? Wie viele Projekte hast du noch im Ärmel, wann ist Ende?

! Ich möchte meinen Bestand eigentlich gar nicht erweitern. Vielleicht baue ich die FXR noch mal um, da sie nicht mehr meiner aktuellen Vorstellung entspricht. Grundsätzlich gibt es immer Ideen, aber das will in Ruhe überlegt sein. Schließlich habe ich einige Motorräder, die auch alle angemeldet sind und mit denen ich abwechselnd unterwegs bin.

? Gibt es denn etwas, das dich außer Harley-Davidson reizen könnte?

! (Überlegt) Hmm, ich habe schon mal daran gedacht, eine alte BMW mit Zweiventil-Boxer umzubauen. Da könnte man was Schönes draus machen, was Luftiges, Cleanes. Mal sehen. Vielleicht wird mir ja doch mal langweilig...

? Die Bikes baust du bislang nur für dich. Wäre es nicht eine Herausforderung, sie für Kunden zu fertigen?

! Klares Nein! Ich habe Angst, den Spaß an der Sache zu verlieren. Man sollte Hobby und Beruf strikt trennen. Ich liebe es, im Winter zu schrauben und im Sommer zu fahren. Wenn ich derartige Aufträge annähme, dann würde ich auch im Sommer schrauben und käme weniger zum Fahren. Aber die Sache hat, so wie sie ist, noch weitere Vorteile: Ich stehe in keinerlei kommerziellem Wettbewerb mit den Customizern der Szene, das macht den Umgang mit ihnen angenehm. Und letztlich wären Schöpfungen wie beispielsweise Billy Bob oder auch die KHRM extrem teuer, viel zu teuer. Denn ich gehe all meine Projekte, sei es als Interiordesigner oder Motorradbauer, extrem penibel und mit dem allerhöchsten Anspruch an Design, Verarbeitung und Material an.

? Was machst du eigentlich lieber, restaurieren oder konstruieren?

! Grundsätzlich konstruiere ich lieber, da kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen. Das Rennovieren ist nur was, um die Fahrzeuge im Bestzustand zu halten.

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Erscheinungsdatum 26.05.2023