Tuning gegen Serie: Bakker Bomber gegen BMW R 1100 RS

Tuning gegen Serie: Bakker Bomber gegen BMW R 1100 RS Vor-Turner

Nicht zum ersten Mal zeigt der holländische Fahrwerksbauer Nico Bakker, wie man der braven R 1100 RS Beine macht.

Gestatten, daß ich Ihnen den Herrn erst einmal vorstelle. Bakker ist sein Name - Nico Bakker. Auch wenn in seiner Heimat ziemlich viel Käse produziert wird, versteht er sein Handwerk als Fahrwerksbauer wie kaum ein anderer und half in der Vergangenheit selbst großen japanischen Motorrad-Werken bei Fahrwerksproblemen aus der Patsche.
So ist es kein Wunder, daß Nico Bakker als Spezialist für die Anfertigung von Einzelstücken und Kleinserien bereits Ende der 80er Jahre auch mit den Bayern kooperierte. Damals strickte man in München am ersten Telelever-Chassis mit Boxermotor. Offiziell wurde mit Bakkers Unterstützung eine Maschine für die zu der Zeit recht populäre BoT-Rennklasse mit BMW-Stammfahrer Herbert Enzinger aufgebaut, inoffiziell steckte jedoch die praktische Erprobung der neuen Fahrwerks-Elemente dahinter.
Der Boxer ist also kein Neuland für den Niederländer, der sich bei seinem straßentauglichen BMW-Bomber dem Münchner Konstruktionsprinzip unterordnete, die technische Umsetzung jedoch nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltete. Motor, Getriebe, Kardanantrieb, alles blieb im Serientrimm, lediglich der stählerne Heckrahmen mußte einer Konstruktion aus Alurohren weichen, die vorderen Aluguß-Teile einem filigranen Schweißgebilde und die alte Telelever-Schwinge aus Stahlblech einer neuen aus gefräßtem Leichtmetall.
Piekfein aus Aluminiumblech gedengelt und poliert, überzieht ein voluminöser 22-Liter-Tank den Raum über dem Vierventilmotor, der auch bei bakkerschen Konstruktion dazu dient, Elektrik und ABS-Bauteile zu verstauen. Ein eleganter Solo-Sitzhöcker schließt sich an.
Und was kann nun die Bakker-BMW besser als die Serien-R 1100 RS? Aussehen zum Beispiel. Auch wenn die zerklüftete Verkleidungsfront mit dem grobschlächtigen BMW-Scheinwerfer nicht gerade als designerische Meisterleistung gelten kann, besticht die Bakker durch flüssige Linien, die sich elegant an die Struktur von Motor und Antiebseinheit anschmiegen.
Und was noch? Fahren zum Beispiel. Denn die nervigen Auf- und Abbewegungen der Frontpartie beim Last- oder Schräglagenwechsel der serienmäßigen Gummikuh sind bei der Bakker auf ein Minimum reduziert. Dazu gesellt sich die erfreuliche Tatsache, daß hier die Lenkerstummel direkt an den Standrohren befestigt sind und nicht wie bei der R 1100 RS in weichen Gummilagern, die dem Fahrer einen Großteil an Lenkpräzision und Rückmeldung vorenthalten. Trotz der starr befestigten und ergonomisch tadellos gekröpften Lenkerhälften dringt nur ein Teil der feinen, aber nervigen Motorvibrationen bis an die Handflächen durch.
Vom relativ starken Bremsnickausgleich der serienmäßigen R 1100 RS, also dem Entgegenwirken des Einfederns der Frontpartie beim Bremsen durch die spezielle Anlenkung der Dreiecksschwinge, rückte Nico Bakker ab und läßt seine BMW durch die um 120 Millimeter nach vorn verlegten Drehpunkte der kurzen Telelever-Schwinge spürbar mehr eintauchen. Was dem Fahrer ebenfalls eine deutlichere Rückmeldung über die physikalischen Vorgänge vermittelt: Insgesamt fühlt man sich auf der Bakker beim zackigen Kurvenwetzen einfach wohler und sicherer, da direkter mit der Straße verbunden. Zumindest was die Frontpartie betrifft.
Achtern dagegen setzte man bei der Abstimmung des White Power-Federbeins auf viel Komfort, der sich - bedingt durch die hohen ungefederten Maßen der Paralever-Schwinge - nur mittels extrem geringer Druckstufendämpfung und einer weichen Feder verwirklichen läßt. Ein leichtes Schunkeln in schnellen welligen Kurven ist die Folge, dafür eliminiert das Heck kurze, harte Stöße spürbar sensibler als die RS 1100 mit dem Showa-Federbein.
Logisch, daß bei der sportlichen Zielsetzung der Bakker-BMW die touristisch aufrechte Sitzhaltung der RS 1100 auf der Strecke blieb. Ohne Ecken und Kanten, angenehm ins Motorrad integriert, zwingt bei der holländischen Version lediglich der zu lang geratene Tank Menschen unter 180 Zentimeter zu einem weit vorgebeugten Oberkörper. Alles in allem genießt der Bakker Pilot jedoch eine durchaus passable Sitzecke, die durch die Vorgaben des deutschen Importeurs Helmut Wüstenhöfer in Richtung Straßentauglichkeit entschärft wurde. »Für die BMW-Kunden muß auch ein Supersportler ausreichend viel Sitzkomfort und Bequemlichkeit bieten«, erläutert der Dortmunder BMW-Spezialist seine Einwände gegen die ursprünglich gnadenlos geduckte Fahrerhaltung.
Ein kurzer Abstecher ins Hockenheimer Motodrom sollte Klarheit über die Nehmerqualitäten im Grenzbereich schaffen, von dem die Bakker-Konstruktion im flotten Landstraßenbetrieb meilenweit entfernt ist. Wären da nicht die starr montierten Rasten, die sich laut scharrend in den Asphalt bohren, hätte die BMW im Bakker-Chassis tatsächlich das Zeug zum rassigen Supersport-Boxer. Doch die Bakker wäre keine echte Bakker ohne rennsporterprobte Einstellmöglichkeiten. Mittels Gewindespindel läßt sich die Federbeinlänge und damit das Niveau am Rahmenheck und die Lenkgeometrie der BMW in Richtung mehr Handlichkeit und Bodenfreiheit manipulieren. Die Kehrseite: die dadurch verstärkt nach vorn geneigte Sitzhaltung bringt mehr Last auf Arme und Handgelenke.
Zielgenau lenkt die BMW ein, zieht sauber ihren Strich durchs Motodrom. Auf dem Flickenteppich der Sachskurve verliert das Hinterrad allerdings frühzeitig an Grip, ein Problem der bereits erwähnten laschen Dämpfung und der Massenträgheit der Paralever-Schwinge.
Etwas enttäuschend das Handling, das sich im Vergleich zur Serien-BMW nur minimal verbessert hat. Ein Blick auf die Waage sagt alles. Mit einem Gesamtgewicht von immer noch 237 Kilogramm bei einer der Serien-RS ähnlichen Rahmen- und Lenkgeometrie bleibt der erhoffte Vorteil in Sachen Leichtigkeit logischerweise aus.
Eine angenehme Seite der Bakker-BMW: die Montagefreundlichkeit. Müssen bei der Münchener RS-Variante unzählige Schrauben und Schräubchen gelöst werden, sind beim Holland-Modell Tank und Verkleidung mit wenigen Handgriffen getrennt. Darunter verbergen sich dann jene Bauteile, die den hohen Preis des montagefertigen Rahmen-Kits von 15500 Mark erklären: Jede Menge aus dem vollen geschnitzte CNC-Fahrwerksteile bis hin zum verspielten Auspuffhalter ersetzen die klobigen Gußbrocken der Großserien-Maschine.

Zubehör

Um den kleinen Mängeln der BMW R 1100 RS zu Leibe zu rücken, erprobte MOTORRAD im Rahmen der Testfahrten einiges Zubehör aus dem WÜDO-Angebot. Um den lästigen Lastwechselbewegungen der Frontpartie entgegenzuwirken, wurde das Original-Federbein durch ein WP-Teil (Preis 799 Mark) ersetzt, das tatsächlich eine Besserung brachte, von der tadellosen Funktion der Bakker-Abstimmung jedoch weit entfernt war. Eine noch straffere Feder/Dämpfer-Abstimmung wäre sicherlich der richtige Weg. Die Möglichkeiten dafür sind bei dem zerlegbaren WP-Federbein in jedem Fall vorhanden.Der nächste Schritt in Richtung Fahrspaß bestand aus einem Reifenwechsel von den montierten Metzeler ME Z1/ME Z2 Pneus auf die Bridgestone Mischung BT 56F (vorn) und BT 57 fürs Hinterrad. Die Vorteile der Japan-Gummis: leichtes, zielgenaues und harmonisches Einlenken, geringe Aufstellneigung, gute Kurvenstabilität und bester Grip. Nur im Hochgeschwindigkeitsbereich über 200 km/h auf holprigen Autobahnen macht sich ein nervöse Lenkerunruhe bemerkbar.Wem es bei der Heizerei zu arg zieht, schraubt die WÜDO Streamline-Scheibe (Preis 169 Mark) drauf, die für kleine wie große Fahrer einen besseren Windschutz mit weniger Turbulenzen bietet. Der Nachteil: Die Scheibenoberkante liegt für kleinwüchsige BMW-Treiber etwas hoch und verdeckt bei Regen oder verschmutzter Scheibe einen Teil der Fahrbahn. Für die ganz Genauen: Die Höchstgeschwindigkeit verringerte sich durch die größere Scheibe um exakt 4 km/h.Wem die Kröpfung des Serienlenkers nicht paßt, kommt mit den dreidimensional einstellbaren Lenkerstummeln (Preis 575 Mark) sicherlich besser zurecht. Sie rücken nicht nur 20 Millimeter in Richtung Fahrer, sondern lassen sich in der vertikalen Kröpfung stufenlos einjustieren. Alle Bohrungen für die Leitungen der Griffheizung sind bereits angebracht.

Fazit

Auch wenn die Bakker-BMW nicht in allen Belangen Perfektion demonstriert, zeigt die holländische Kreation dennoch die Möglichkeit auf, dem biederen Boxer mit seiner gezielt touritischen Auslegung sportliche Qualitäten anzutrainieren. Daß dabei kein echtes Renngerät wie die Ducati 916 rauskommt ist klar, aber das hat auch niemand erwartet. Für die BMW-Ingenieure in München bietet der Bakker-Umbau allemal genug Anregungen für eine überlegenswerte Variante zum Thema Sport-Boxer.

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