Turbowahnsinn im Test
250 PS: MAB-Yamaha Vmax Bi-Turbo

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Wer Wind sät......wird Sturm ernten! Das Spiel mit den entfesselten Elementen ist ein verlockendes und grenzwertiges noch dazu. Dennoch ließ sich PS nicht lange bitten und stellte sich der mächstigsten Vmax aller Zeiten. Wir zwangen kubikmeterweise zündfähiges Gemisch in die zwangsbeatmeten Brennräume und ritten auf orgiastischen Wellen schier unendlicher Beschleunigung.

250 PS: MAB-Yamaha Vmax Bi-Turbo
Foto: Künstle

MAB-Yamaha Vmax im Test

Vor mir stehen 334 Kilogramm aus Stahl, Aluminium und Kunststoff. Formschön dargeboten auf zwei fetten Rädern mit dicken Gummis. Eine kleine Handdrehung entsperrt das Zündschloss, Gleichstrom flutet die Leiterbahnen des Bordnetzes, der erste Schritt zur Animierung des Monsters ist getan. Die Benzinpumpen beginnen zu werkeln, pressen Sprit wie Adrenalin durch die Leitungen, die Waffe ist jetzt geladen und entsichert. Ein kurzer Druck auf den Starterknopf erweckt den Klotz zum Leben. Und verwandelt diese bislang leblose Skulptur in ein muskelbepacktes, bärenstarkes Tier. Nun liegt es in den Händen desjenigen, der auf ihm Platz nimmt, ob die Geschichte ein gutes oder ein böses Ende haben wird. Ob sich der Hinterreifen bereits im Stand von den 250 PS in Qualm und Wohlgefallen auflöst oder ob er dieses Schicksal während der Fahrt erleidet und dabei andere Verkehrsteilnehmer richtet.

Unsere Highlights

Richten ist das richtige Wort, denn die erste Annäherung an die von MAB-Power mit zwei Turboladern versehene Yamaha Vmax fühlt sich wie der Gang zum Schafott an. 250 Pferde, 211 Newtonmeter und 15 Liter Benzin stehen bereit, dem Delinquenten ein Ende zu setzen. Nur habe ich das unbestimmte Gefühl, dass hier nicht der Reifen, sondern ich das Opfer sein soll; dass die Maschine statt des Menschen Herr der Lage ist. Also gut, ergeben wir uns in unser Schicksal und besteigen diese mit dezentem Bass vor sich hinwummernde Höllenmaschine. Das Aufrichten vom Seitenständer verdeutlicht aufs Neue, wie klein und schwach wir sind, wie groß und schwer dagegen die Yamaha. Die linke Hand wird zur Schraubzwinge, die verstärkte Kupplung lässt sich nur mühsam trennen. Mit einem weichen "Klong" rastet der erste Gang ein: Es kann losgehen. Bei leicht erhöhter Standgasdrehzahl kupple ich vorsichtig ein. Es rupft kurz, bevor der Kraftschluss komplett hergestellt ist – wir rollen. Mit 1500 Touren eiern wir los, legen den Zweiten und Dritten nach. Tempo 50 ist erreicht, alles bislang normal. Die aufgestellten Nackenhaare und der leicht erhöhte Puls kehren in den Normalzustand zurück. Alles easy, alles cool! Der Klotz rollt wie eine Serien-Vmax durch die kleinen Strassen der Innenstadt, will mit Bedacht und Umsicht bewegt werden.

Nach wenigen Metern erreichen wir die Flaniermeile der Stuttgarter City. Nicht zu Präsentationszwecken, sondern um die Stadt schnellstmöglich zu verlassen. Und es kommt, wie es kommen muss. Die Fußgängerampel leuchtet Rot, vor der Max und mir liegen 300 Meter Gerade. Links neben uns ein 3er-BMW mit den üblichen Verdächtigen auf den Vordersitzen. Da stellen sich die Nackenhaare wieder auf, geben das geheime Signal zur kleinen Machtdemonstration. Es beginnt eine heftige Auseinandersetzung zwischen dem Engelchen auf der linken und dem Teufelchen auf der rechten Schulter. "Lass stecken, es ist noch zu früh, der Motor ist noch kalt", so der Engel. "Besorg’s ihnen, gib den beiden Clowns was zu erzählen", so der Teufel. Die Ampel schaltet auf Grün, die Vernunft siegt. Die beiden BMWler würden in der Berufsschule eh nicht erzählen, dass und vor allem wie sie von einem Motorrad gerichtet worden sind.

300 Meter weiter, die nächste Ampel – natürlich auf Rot. Links der BMW, dieses Mal mutiger. Der Leerlauf des armseligen Sechszylinders wird vom Gasfuß des Fahrers rhythmisch zwischen 2000 und 3000 Touren gehalten. Ein Blick auf die Kühlwasseranzeige der Yamaha klärt den Sachverhalt. Das Wasser ist warm, die Vmax bereit, den Jungs ordentlich einzuschenken. Anscheinend halten sie die Vmax für einen Cruiser und nicht für einen veritablen Dragster. "Und führe uns nicht in Versuchung", schießt es mir durch den Kopf. Grün! Der 325i mit Sportauspuff schafft es mit Mühe, seine Hinterräder kurz quietschen zu lassen, und zieht mit asthmatischem Röcheln davon. Eine bläuliche Ölwolke aus den Edelstahlrohren und das nach oben schnalzende Heck signalisieren den Gangwechsel in Stufe zwei.

Turbinen im Einsatz

Künstle
An der imposanten Vmax fallen die dicken Turbinen, eine je Seite, kaum auf. Dank mattschwarzer Frischluft- und Abgasrohre halten unbedarfte Betrachter das Monster für einen harmlosen Cruiser.

"O.k., die Burschen haben es nicht anders verdient, an die Arbeit ihr Turbos!" Ebenfalls im zweiten Gang direkt neben dem Beifahrer ziehe ich die Kupplung, lasse die Drehzahl auf 7500/min schnappen, ziehe dabei leicht die Vorderradbremse und lasse die Kupplung wieder schnalzen. Das Vorderrad zuckt, neigt einen Sekundenbruchteil zum Blockieren. Gerade rechtzeitig verliert der Hinterreifen den Kampf gegen das Drehmoment und beginnt wie wild durchzudrehen. Yes! Die Fuhre ist nun wieder stabil, nimmt wohl dosiert parallel zum BMW Fahrt auf und wickelt dabei Lage um Lage feinsten Gummis ab. Weißer Rauch steigt auf, umhüllt das Heck der Max und dringt mit beißendem Geruch in den Innenraum des BMW und die Nasen der chancenlosen Herausforderer.

Ampel Nummer drei, wieder rot: Mit offenen Mündern starren die beiden Lowlights aus dem Fenster ihres bayerischen Motorenwagens und erahnen nur mühsam, was eben geschehen ist. Auf dem Asphalt hinter uns ein stummer Zeuge: 200 Meter schwarzer Strich. Gummi auf grauem Asphalt, so der Titel des Kunstwerks. Sponsored by Bridgestone und Shell, erstellt von einem unbekannten Künstler.

Künstle
Nichts für dünnarmige Topflappen-Häkler, Direktmarketingler oder Online-Verkäufer. Wer auf der Bi-Turbo-Max Platz nimmt und sie zum Leben erweckt, gibt das seinige in ihre Hand. Also Hirn an und festhalten.

"Tolle Wurst, das war echt super", meckert das Engelchen schmollend von meiner Schulter und zieht sich in sein Vernunft genanntes Separée zurück. Das Teufelchen dagegen meißelt mir mit leuchtenden Augen sein diebisches Grinsen fest ins Gesicht und klatscht Applaus.
Natürlich hätte für den alten Dreier-BMW auch eine serienmäßige Vmax  gereicht, doch mit ihr wäre die Demütigung der Autoinsassen nicht so drastisch ausgefallen. Serienmäßig ist ein gutes Stichwort, denn grundsätzlich fährt sich die Yamaha, zumindest so lange die Drehzahlen unter 3500/min bleiben, wie eine ganz normale Vmax.

Groß, breit und schwer ist sie, der Turbo-Kit addiert nochmals 20 Kilogramm zum Gesamtgewicht der Yam. Vom Handlingswunder ist die Max soweit weg wie Kate Moss vom Übergewicht. Sie manövriert sich wie ein prähistorischer Einbaum und zwingt die Oberschenkel weit auseinander. Während der Fahrt stossen die Knie  gegen die Luftfilter auf den Garret-Turbinen, der Oberkörper steht aufrecht im Wind, und die Arme strecken sich dem breiten Rohrlenker entgegen. Die etwas höher angebrachten und weiter nach hinten versetzten Fußrasten von MAB (MAB-Power bietet reichlich Vmax-Zubehörteile an) erlauben es, sich während der Beschleunigungsorgien mit den Füßen gegen den heraufbeschworenen Orkan zu stemmen. Dieser deutet sich bereits bei 4000 Touren sanft an, 500 Umdrehungen später nimmt er deutlich Fahrt auf, um ab 6500/min unbarmherzig und mit zerstörerischer Gewalt zuzuschlagen. Das Gummi wimmert, der V4 brüllt herzzerreißend, während die Garret-Turbos maximal 0,75 bar Ladedruck bereitstellen und dabei freundlich das Lied der hohen Leistung pfeifen. Blitzartig springt die Drehzahlmessernadel dem roten Bereich entgegen, fängt der Begrenzer die enteilenden Drehzahlen wieder ein, bevor es die Pleuel in Fetzen reißen kann. Wer schnell durchschaltet, erreicht so in Windeseile 270 km/h auf dem Tacho. Eine kurze Visite an dieser Marke reicht, von einem Dauerbetrieb bei diesem Tempo muss abgesehen werden. Weder Reifen (sie sind nur bis 240 km/h freigegeben) noch Nackenmuskulatur halten diese Tortur lange aus.
Die Drosselung der Vmax zu knacken, ist eine recht aufwändige Angelegenheit. MAB montierte einen sogenannten Vmax-Eliminator, der die serienmäßige Drossellung auf maximal 220 km/h umgeht. Zusätzlich ist für den Turbo-Kit ein extra Steuergerät nötig, auf welchem das neue Zündkennfeld hinterlegt ist und das die Steuerung der vier zusätzlichen Einspritzdüsen und der Benzinpumpe übernimmt.  Relativ unproblematisch gestaltete sich für MAB die Entsorgung der Abgase. In dem Eigenbauauspuff sind weiterhin die orginalen Katalysatoren aktiv, so dass eine Zulassung mit Euro 3 kein Problem ist. Einen Wermutstropfen muss der Turbo-Treiber allerdings schlucken. Im alltags­relevanten Geschwindigkeitsbereich zwischen 120 und 140 km/h, also zwischen 4000 und 4500/min und bevor die Lader richtig Druck machen, verschluckt sich die Max recht häufig und zuckelt unwirsch durch die Gegend. Da hilft leider nur eins: Hahn auf und Feuer! Egal, ob ein Gegner in Sicht ist oder nicht. Das Teufelchen dankt es einem sowieso.

Fazit: Ein turbo-aufgeladenes Motorrad ist fernab jeglicher Vernunft. Eine Yamaha-Vmax mit 1700 Kubik und doppelter Turboaufladung ist schlicht und ergreifend wahnsinnig unvernünftig und wahnsinnig schnell und wahnsinnig stark und wahnsinnig reifenmordend und wahnsinnig durstig und wahnsinnig beängstigend. Und wahnsinnig geil!

PS-Daten

Künstle
Der Ausgleichsbehälter des serienmäßigen Federbeins präsentiert sich gut zugänglich im Sandwich zwischen der darüber befindlichen rechten Soziusraste und dem kurzen Stummel-Endtopf.

Antrieb: Vierzylinder-65-Grad-V-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 184 kW (250 PS) bei 9000/min, 210 Nm bei 6800/min, 1679 cm3, Bohrung/Hub 90,0/60,0 mm, Verdichtungsverhältnis xx,2:1, Zünd-/Einspritzanlage, 48-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, G-Kat

Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 59,0 Grad,

Nachlauf: 148 mm, Radstand: 1700 mm. Telegabel, Ø Gabelinnenrohr: 52 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe.

Federweg vorn/hinten: 120/110 mm

Räder und Bremsen: Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 18“/6.00 x 18“,

Reifen vorn: 120/70 R 18, hinten: 200/50 R 18. Erstbereifung: Bridgestone BT 028. 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial ver- ­schraubten Sechskolben-Festsätteln vorn, 320-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten

Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe 2395/820/1190 mm, Sitz/Lenkerhöhe 775/1090 mm, Lenkerbreite 740 mm, 334 kg vollgetankt, v/h 51,2%/48,8 Prozent

Hinterradleistung im letzten Gang: 168,5 kW (229 PS) bei 269 km/h   

Fahrleistungen: Beschleunigung 0–100/150/200 km/h 3,2 s/5,1 s/7,7 s, Durchzug 50–100/100–150 km/h 3,8 s/2,9 s   

Höchstgeschwindigkeit: 269 km/h*   

Verbrauch: Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 14,7 Liter/100 km, Tankinhalt 15 Liter, Reichweite: 102 km

Umbaupreis: 13 800 Euro (bei angeliefertem Motorrad)

David gegen Goliath, entfesselte Tuning-Gewalt gegen geregelte Großserientechnik. Die 192 PS starke Serien-Vmax wirkt gegenüber der von zwei Turboladern aufgepumpten MAB-Variante wie ein schüchterner Erstklässler im Gymnasium.
Die MAB-Vmax geht ab 4500/min richtig los, erreicht ihr maximales Beschleunigungsvermögen bei 6800 Touren. Brutal, fast schon abartig, wie einem dann die Arme lang gezogen werden.

Die aktuelle Ausgabe
PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023