Konzeptvergleich von 4 A2-Motorrädern

4 grundverschiedene A2-Motorräder im Vergleich
Welches Konzept hat welche Stärken?

Veröffentlicht am 22.04.2023

Egal ob Sportler, Genießer, Abenteurer oder Allrounder. Die Einsteigerklasse ist stärker besetzt denn je. Motorrad-Einsteiger finden problemlos ein Bike, das dem favorisierten Konzept entspricht und die Regularien des A2-Führerscheins erfüllt – erlaubt sind maximal 35 kW (48 PS) Spitzenleistung und fünf Kilogramm Fahrzeuggewicht pro kW. Doch so mancher Fahrschulabsolvent hat noch überhaupt nicht entschieden, welcher Typ Motorrad es werden soll. Jedes Konzept hat schließlich Vor- und Nachteile. MOTORRAD hilft bei der Entscheidung. Wir zitieren 4 grundverschiedene Vertreterinnen der A2-Klasse zum Konzeptvergleich in die Redaktion: Honda CB 500 F, KTM 390 Adventure , Yamaha R3 und Royal Enfield Continental GT 650 . Wo liegen ihre Stärken? Zu wem passen sie? Welche sammelt unterm Strich die meisten Punkte? Motoren an, wir finden es heraus.

Die Allrounderin: Honda CB 500 F

KTM 390 Adventure, Yamaha R3, Royal Enfield Continental GT 650, Honda CB 500 F Vergleichstest
Tyson Jopson

Dem einen oder der anderen dürften beim Anblick von Hondas CB 500 F Erinnerungen an die Fahrschulzeit kommen. Das bekanntermaßen gutmütige Naked Bike aus Japan wird gerne zu Ausbildungszwecken genutzt, was als großes Kompliment gewertet werden darf. Auf der gemeinsamen A2-Tour fährt die CB 500 F dank ihres kräftigen Motors gerne vorneweg. Der Reihentwin zieht ab Standgas sauber durch und läuft bei niedrigen bis mittleren Drehzahlen angenehm kultiviert. Als Fahrschulbike eignet sich die Honda jedoch nicht nur wegen des berechenbaren und sanft ans Gas gehenden Motors. Auch Kupplung und Schaltung lassen sich mit einem Minimum an Hand- und Fußkraft betätigen. Kleiner Wermutstropfen: Die Schaltwege sind recht lang.

Aufrechte Position mit moderatem Kniewinkel

Beim Handling geht’s aber wieder fluffig-leicht weiter. Die Honda CB 500 F winkelt flink ab und hält von da an treu die Linie. Der Michelin-Road-5-Reifen zeigt sich auch von tiefen Schräglagen unbeeindruckt und neutral. Flott durch die Prärie schwingen kann die Honda. Sie verführt aber keineswegs zum dauerhaften Vollgas-Modus, sondern mag auch lockeres Gleiten. In aufrechter Position mit moderatem Kniewinkel hält man es viele Kilometer am Stück aus. Maximal wären sogar deren 534 möglich. Mitverantwortlich für die Langstreckentauglichkeit ist auch das komfortable Fahrwerk. Das Federbein der CB 500 F bügelt zerfurchte Straßen lässig glatt, wirkt bei sportlicher Gangart trotzdem nicht überfordert. Ähnlich gut arbeitet die Gabel, wenngleich sie nicht ganz so fein anspricht. Die Honda lässt sich auch von harten Bremsmanövern – die Bremse ist die beste im Testfeld – über grobe Löcher nicht aus der Balance bringen und hält das Heck dank des konservativ abgestimmten und feinen ABS am Boden.

Weitere Assistenzsysteme sind nicht an Bord, und die Honda CB 500 F präsentiert sich insgesamt als erfrischend simples Bike. Schön, nur ein etwas größeres und besser ablesbares Cockpit als das kontrastarme LC-Display wäre nett. Aber, und das lernt man in der Fahrschule zuallererst, der Blick sollte nicht auf dem Display verweilen, sondern stets weit nach vorne gerichtet sein.

Die Abenteurerin: KTM 390 Adventure

KTM 390 Adventure, Yamaha R3, Royal Enfield Continental GT 650, Honda CB 500 F Vergleichstest
Tyson Jopson

Das gilt natürlich auch auf der KTM 390 Adventure, deren TFT-Cockpit mindestens ein Jahrzehnt jünger wirkt und sich bestens ablesen lässt. Die Adventure hat sich schon nach ein paar Kilometern von der Reisegruppe getrennt und verfolgt den Weg zum ausgemachten Treffpunkt auf einer eigenen Route. Sie sucht das Abenteuer und nutzt gerne auch mal den einen oder anderen Feldweg als Abkürzung. Mit langen Federwegen (170 Millimeter vorne, 177 Millimeter hinten) steckt sie tiefe Löcher noch lässiger weg als die CB 500 F, ist mit ihrer groben Continental-TKC-70-Bereifung und dem 19-Zoll-Vorderrad bestens für Offroad-Passagen gerüstet. Harte Schläge leitet das unsensible Federbein zwar recht stark in den 855 Millimeter hohen Sitz, was Komfortpunkte kostet. Die KTM bleibt dabei aber sicher in der Spur.

Verfügt sogar über Kurven-ABS

Zurück auf der Straße performt die KTM 390 Adventure ebenfalls gut, ist bei niedrigen Geschwindigkeiten bis etwa 50 km/h die Handlichste im Feld. Mit steigendem Speed verliert sie diese Leichtfüßigkeit zwar, verhält sich über den Kurvenverlauf aber weiterhin neutral – bis sie in tiefen Schräglagen auf dem groben Profil zu schwimmen beginnt und so das Limit ankündigt. Als Einzige im Feld verfügt die KTM über ein Kurven-ABS, das in dieser Fahrsituation früh eingreift und mit kurzen Intervallen zuverlässig regelt. Auch Traktionskontrolle und Schaltautomat mit Blipperfunktion sind im Mattighofener Elektronikpaket enthalten. Letzterer wechselt die Gänge im guten Getriebe unabhängig von der Gasgriffstellung geschmeidig. Bei Vollgas zum Überholen schnell einen Gang runterkicken, kein Problem. Wenn der 373-Kubik-Einzylinder auf diese Weise richtig auf Touren gebracht wird, schiebt er die vollgetankt 174 Kilogramm leichte Adventure schwungvoll voran. Als einziger Einzylinder vibriert er aber auch über das gesamte Drehzahlband am ausgeprägtesten und pusht sich in deutlich spürbaren Schüben auf maximal 43 gemessene PS.

Beim anschließenden Geschwindigkeitsabbau fordert die Bremse mit radial verschraubtem Bybre-Sattel viel Kraft und bietet keinen exakten Druckpunkt im Hebel. Das können andere A2-Bikes besser.

Die Sportlerin: Yamaha R3

KTM 390 Adventure, Yamaha R3, Royal Enfield Continental GT 650, Honda CB 500 F Vergleichstest
Tyson Jopson

Yamahas R3 zum Beispiel, auch wenn ihre Stopper nicht an die der Honda CB 500 F herankommen. Aber im Gegensatz zum Naked Bike hat sie eine Menge Überholprestige. Im Rückspiegel ist die kleine Sportlerin kaum von einem 200-PS-Superbike zu unterscheiden, und vorausfahrende Autos setzen öfter mal vorsichtshalber den rechten Blinker. Damit der folgende Überholvorgang aber zügig gelingt, braucht der kleine Reihentwin Drehzahl. Mit 321 Kubikzentimetern schöpft er seine Leistung zwar aus dem mit Abstand kleinsten Hubraum, zeigt dafür aber echten Sportsgeist. Je weiter der Drehzahl-Balken sich im simplen, aber ordentlich ablesbaren Cockpit nach rechts arbeitet, desto wacher wird das kleine Triebwerk. Wunderbar linear kämpft es sich in Richtung 40-PS-Marke und überschreitet sie zwischen 9.500/min und 12.000/min. Wichtig auf der R3: immer den richtigen Gang im soliden und geschmeidigen Getriebe eingelegt haben und die Drehzahl oben halten.

Auf R3 ebenfalls eher aufrechte Sitzposition

Viel mehr Spaß als stumpfes Beschleunigen und Bremsen machen auf der Yamaha R3 aber die Passagen zwischen den Geraden. Die R3 gibt hier ein grandioses Anlehngefühl und fühlt sich in tiefen Schräglagen am wohlsten. Sie zirkelt so neutral und stabil um die Radien wie keine ihrer Mitbewerberinnen. Nicht zuletzt dank der sportlichsten Bereifung (Dunlop Sportmax GPR 300) lässt sie sich easy und ohne Aufstellen bis in Schräglage verzögern. Das ABS regelt später und nicht ganz so fein wie bei Honda und KTM. Es lässt sogar leichtes Steigen des Hinterrads zu. Die Federelemente und auch die Sitzposition zeigen sich dagegen relativ moderat. Mit tiefem Sitz und hohen Lenkerstummeln positioniert die Yamaha den Piloten oder die Pilotin zwar gestreckter, vorderradorientierter und mit spitzerem Kniewinkel, aber kaum weniger aufrecht als die nackte Honda CB 500 F. Die straff gedämpfte Gabel spricht zudem bestens an, und auch das Federbein führt das Hinterrad sauber über Unebenheiten, wenn auch nicht so feinfühlig wie das der Honda. Kurze Impulse werden schon mal ungefiltert ans Gesäß weitergegeben. Trotzdem: Die R3 hat entgegen ihrem Erscheinungsbild durchaus Touring-Potenzial.

Die Genießerin: Royal Enfield Continental GT 650

KTM 390 Adventure, Yamaha R3, Royal Enfield Continental GT 650, Honda CB 500 F Vergleichstest
Tyson Jopson

Es sieht auf den ersten Blick nicht so aus, aber in Sachen Ergonomie ist die Royal Enfield Continental GT 650 die eigentliche Sportlerin der Gruppe. Sie spannt Fahrer oder Fahrerin noch etwas weiter über den gestreckten Tank als die R3, was mehr Druck auf die breit ausgestellten Lenkerstummel bringt. Abgesehen davon steht bei der Royal aber alles auf Entspannung. Der schwungmassenreiche Reihenzweizylinder schöpft aus 648 Kubikzentimetern volle 48 Pferdestärken, muss aber mit 218 Kilogramm auch die mit Abstand größte Masse beschleunigen. Als konsequentes Classic-Bike im Café-Racer-Style finden sich an der Enfield eben keine Plastikteile, sondern viel an echtem Blech. Sie mutet weniger filigran an als Yamaha und KTM, ist aber insgesamt ebenso gut verarbeitet. Alle drei kommen beim Oberflächenfinish nicht ganz an das Top-Niveau der Honda heran.

Liefert das üppigste Drehmoment

Zurück zum Wesentlichen, dem Motor: Nach leichter Anfahrschwäche drückt er das üppigste Drehmoment auf die Prüfstandsrolle und läuft zudem am kultiviertesten im Alltagsdrehzahlbereich. Dafür geht ihm schon bei 6.000/min spürbar die Puste aus. Die sportliche Gangart kann er schon ab und zu mal, braucht sie aber nicht. Wo Honda und Yamaha auf enge Serpentinen abbiegen und die KTM über Schotter abkürzt, folgt die Royal lieber relaxed der gut ausgebauten Landstraße in Richtung Ziel. Im Vergleich zur leichten Konkurrenz begibt sie sich eher behäbig in die Kurve, bis sie bei mittlerer Schräglage leicht nach innen kippt. Eine Eigenheit, die zumindest teilweise auf die klassisch anmutenden, aber nach heutigen Maßstäben teigig und unpräzise rollenden Ceat-Zoom-Cruz-Reifen zurückzuführen ist. Wie auch der Drang der Royal Enfield Continental GT 650, Spurrillen hinterherzulaufen. Auf Holperpisten mag sie es noch entspannter. Über grobe Löcher neigen Gabel und Federbein wegen kurzer Federwege (110 Millimeter vorne, 88 Millimeter hinten) am ehesten zum Durchschlagen. Lieber zum Bremshebel greifen – die Verzögerung lässt sich mit etwas Kraft noch akzeptabel dosieren – und einen Gang runterschalten, um Bandscheiben, Handgelenke und Gemüt zu schonen.

Letzterem tut eine Tour auf der Continental GT dann nämlich gut. Während sich zum Beispiel der Yamaha R3-Fahrer stets im mentalen Race-Modus befindet, versteht die Royal Enfield es, beim Beschleunigen zu entschleunigen und dabei die Ohren mit überaus kultiviertem Twin-Tuckern zu massieren. So weich wie die Royal wechselt außerdem keine vom Schiebe- in den Lastzustand. Völlig egal, ob die anderen am Treffpunkt schon den ersten Kaffee getrunken haben, bis man da ist. Continental GT fahren ist wie eine Wellness-Behandlung: Wenn’s länger dauert, ist das ein Plus- und kein Minuspunkt.