Das MOTORRAD Alpen-Masters feiert 2014 seinen 10. Geburtstag. 20 Motorräder wurden vorrangig auf Lenkpräzision, Handling und Bremsen getestet. Wie die Motorräder, die Strecke ausgewählt und das Testprozedere abgesteckt wurde, erfahren Sie hier. Die Tests in den einzelnen Kategorien folgen.
„Alles richtig gemacht“, pflegt Tester Karsten Schwers erleichtert zu sagen, wenn es rundläuft beim Alpen-Masters. Besonders wichtig ist das in diesem Jahr, denn nichts soll das Jubiläum stören: Bereits zum zehnten Mal ermittelt MOTORRAD zusammen mit mehreren europäischen Partnerzeitschriften aus 20 Modellen den König der Alpen – jenes Motorrad, das den lässigen Spurt über steile Anstiege ebenso gut meistert wie radikale Vollbremsungen bergab, das scharfe Haarnadelkurven genauso locker wegsteckt wie wüste Verwerfungen im Asphalt. Bis der Sieger feststeht, hat die Test-Crew alle Hände voll zu tun, denn 20 Motorräder samt Test-Equipment und jeweils passenden Fahrerausstattungen ins Hochgebirge zu schaffen, erfordert eine langfristige Organisation. Unwägbarkeiten gibt es dennoch, denn plötzlicher Schneefall in den Alpen kann noch so detaillierte Pläne im Handumdrehen über den Haufen werfen.
Doch das Wetter spielt brav mit beim zehnten Alpen-Masters, praller Sonnenschein lässt den Schnee auf den mächtigen Gipfeln von Marmolada, Langkofel und Sella-Massiv schmelzen. Mitten in den Dolomiten, mit dem bekannten Wintersportort Canazei als Ausgangspunkt, findet Europas größter Vergleichstest in diesem Jahr statt. Schon zwei Mal, nämlich 2009 und 2010, gastierte das Alpen-Masters hier. Damals kämpfte die Test-Crew zwar mit Regen und Graupel, war aber dennoch fasziniert von den Testbedingungen in dem Revier, das nicht umsonst als eines der Lieblingsziele europäischer Motorradfahrer gilt. Im Herzen der Dolomiten reiht sich Pass an Pass, verwinkelte Kurven und enge Spitzkehren wechseln in hitzigem Rhythmus. Anders als in den französischen Seealpen oder rund ums Stilfser Joch, wo das Alpen-Masters in der Vergangenheit ebenfalls einige Male stattfand, gibt es hier für die Motorräder keine Verschnaufpausen auf langen geraden Passagen im Tal. In den Dolomiten stellt sich in Windeseile heraus, ob ein Motorrad die Alpen meistert – oder eben nicht.
Lenkpräzision, Handling und Bremsen
Um die Qualitäten in den Bergen herauszuarbeiten, ändert MOTORRAD fürs Alpen-Masters das übliche Bewertungsschema. Garantie, Unterhaltskosten oder Topspeed spielen keine Rolle, dafür umso mehr die fahrdynamischen Eigenschaften. Dazu zählen vor allem Lenkpräzision, Handling und natürlich die Bremsen, speziell bergab. Ungerührt bringen die Tester jedes Motorrad an seine physischen und den Beifahrer gelegentlich an seine psychischen Grenzen, denn nicht selten endet die Bremsmessung in einem steilen Stoppie – was dem betreffenden Motorrad flugs Punktabzug beschert. Immens wichtig ist in den Bergen außerdem der Durchzug, der beim Test in den Alpen gleich zwei Mal gemessen wird: Bergauf, was dem Beschleunigen aus der Spitzkehre heraus entspricht, und zudem in 2000 Metern Höhe – denn wer will schon kurz vor dem Pass beim Überholen eines Wohnmobils verhungern, weil der Motor in der Höhenluft plötzlich zickt?
Diese speziell an die Bergwelt angepasste Bewertung wurde bereits fürs erste Alpen-Masters im Jahr 2005 entwickelt und weitgehend beibehalten. Verändert haben sich in der Zwischenzeit vor allem die Testkandidaten. So verfügten damals nur acht von 20 Motorrädern über ABS, jetzt hingegen tritt nur noch ein einziges Modell ohne das Antiblockiersystem an, nämlich die Moto Guzzi V7 Special. Von Traktionskontrolle, Riding-Modes und elektronischen Fahrwerken fand sich im Jahr 2005 keine Spur, dafür kämpften immerhin vier reinrassige Supersportler um den Titel des Alpenkönigs mit – eine Kategorie, die heutzutage fehlt, denn mangels Gegenliebe der Kundschaft geben sich die Hersteller in diesem Segment inzwischen zugeknöpft. Wobei es zugegebenermaßen ohnehin kein Supersportler je zum Alpenkönig brachte.
Die 20 Motorräder treten in fünf möglichst homogenen Gruppen gegeneinander an, die Erstplatzierten ziehen ins Finale ein. Dort wirft die Test-Crew ihre Objektivität dann ausnahmsweise mal über Bord: Die erfahrenen Tester aus dem In- und Ausland dürfen ihre ganz persönlichen Ranglisten erstellen. Alpenkönig wird das Motorrad, das die meisten Stimmen erhält – und hat dann ebenfalls alles richtig gemacht.
MOTORRAD Test-Maschinen
Alle Jahre wieder ist es die knifflige Aufgabe von Testchef Gert Thöle und seiner Crew, die 20 Motorräder fürs Alpen-Masters zusammenzustellen. Knifflig deshalb, weil die Tester nicht nach Lust und Laune wählen können, denn startberechtigt sind nur brandneue und überarbeitete Modelle sowie Motorräder, die sich bislang noch nie bei diesem Megavergleich beweisen mussten. Wie etwa die KTM 1190 Adventure , denn beim letztjährigen Alpen-Masters trat die R-Variante an. Somit ist heuer zum ersten Mal das Basismodell dabei, was ordentlich Schwung in die Gruppe bringen dürfte.
Sind die 20 Motorräder ausgewählt, lautet die nächste Herausforderung, sie in passende Gruppen aufzuteilen. Alles andere als einfach, da es immer mehr Cross-over-Modelle gibt, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen. Nur ein Beispiel: Ist die Honda VFR 800 F nun ein Tourer, ein Funbike oder gar etwas für Einsteiger? Sie landete nach längeren Beratungen in der Gruppe „Touring“. Strittig war auch die Einordnung einiger anderer Motorräder, doch am Ende kamen homogene Gruppen zustande. Mit Rücksicht auf die vielen ausländischen Zeitschriften, die am Alpen-Masters teilnehmen oder den Test nachdrucken, bekamen die fünf Gruppen diesmal englische Namen, nämlich Beginner, Power, Fun, Touring und Adventure.
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Die Teststrecke
Auf und nieder, gerne immer wieder – und besonders gerne am Pordoi: Höhenprofil der Teststrecke.
Statt der bekannten Sella-Runde eine noch vielseitigere Ladiner Runde: Auf exakt 100 Kilometern führt die Teststrecke weitgehend durchs Gebiet der Ladiner, einer kleinen ethnischen Minderheit in den Dolomiten. Ausgangspunkt ist das Hotel „La Cacciatora“ in Canazei im Trentino. Das Vier-Sterne-Haus bietet erlesene Küche, einen luxuriösen Wellnessbereich und eine riesige Garage, die ladinische Hoteliersfamilie Planchensteiner spricht neben italienisch auch deutsch. Zum Einfahren dienen die sanften Kurven zum Fedaia-Pass hinauf. Der gleichnamige See sieht zusammen mit dem Marmolada-Gletscher atemberaubend aus; zu sehr sollte man sich aber nicht ablenken lassen, denn nach der Passhöhe geht es in oft rutschigen Kehren steil bergab.
Hinter diesem Geschlängel liegt die erste Messstrecke mit 15 Prozent Steigung (Durchzug) respektive Gefälle (Bremsen). Nach einem kurzen Talstück windet sich hinter Sottoguda ein schmales Sträßchen mit unbeleuchteten Tunneln gen Falzarego-Pass. Am anschließenden Passo di Valparola mit seinem grandiosen Panorama liegt der Messpunkt für den Durchzug in 2000 Metern Höhe. Die abwechslungsreiche Abfahrt endet in einer langen Geraden im San-Cassiano-Tal und eilt dann über La Villa nach Corvara , wo eine winterliche Mure starke Schäden im Belag hinterlassen hatte. Der eher unauffällige Passo di Campolongo dient vornehmlich der Anfahrt zum Pordoi, einem der spektakulärsten Alpenpässe überhaupt. Im flüssigen Kurventanz reihen sich hier auf Ost- und Westrampe 60 Kehren aneinander – kompromisslos, anspruchsvoll und schlicht genial. Tipp: Die Monate Juli und August meiden, denn dann schleichen Reisebus-Karawanen über die Passhöhen und bremsen den Vorwärtsdrang enorm.
Impressionen vom Alpen Masters 2012
Best of Alpen Masters (2005-2011)
Alpen Masters 2011 – Kehren des Stilfser Jochs
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