Sie ist zurück - die legendäre CBR 600 F. Als weniger extreme, alltagstauglichere Sportlerin stellt sie eine günstige Alternative zur edlen, aber teuren Rennschwester CBR 600 RR dar. Welcome back.
Zwei Jahre Ferien" - so hieß der 1974 ausgestrahlte, kultverdächtige Weihnachtsvierteiler im ZDF, basierend auf dem Abenteuerroman von Jules Verne. Damals ein echter Quotenrenner. Ganze vier Jahre machte der Verkaufsrenner CBR 600 F Ferien, bevor er nun im Jahr 2011 wohlbehalten, aber reifer und erwachsener in die Heimat zurückkehrt, will heißen in die Verkaufsräume der Händler, die sich angesichts des seit dem Rücktritt 2006 kaum gestiegenen Preises der F-Version freuen dürften. Kultiger Ruf? Sicher, den Status des supersportlichen 600er-Topmodells genoss die 1987 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellte CBR 600 F schon lange nicht mehr, spätestens seit ihr die extremer ausgelegte Schwester CBR 600 RR ab 2003 den Rang ablief.
Nun ist sie also wieder da, als alltagstaugliche, unkomplizierte, sportlich angehauchte, dennoch komfortable und zudem preisgünstige Alternative zu den teuren 600er-Supersportlern. Und ja, um es gleich vorwegzunehmen: Die CBR 600 F ist unter dem Kleid nahezu vollkommen identisch mit der ebenfalls kürzlich präsentierten, für 2011 lediglich ein wenig facegelifteten Hornet 600. Wer nun behauptet, die CBR sei nur eine Hornet mit Vollverkleidung, macht es sich dennoch zu einfach. Sicher, im identischen Alu-Rückgratrahmen hängt derselbe Motor, jener auf mehr Kraft bei mittleren Drehzahlen abgestimmte, von 120 auf 102 PS gedrosselte Motor aus der CBR 600 RR, Jahrgang 2007. Auch die Auspuffführung zeigt sich identisch: Die verschlungenen Krümmerrohre münden im tief liegenden, kurzen Stummel-Endtopf, der hilft, den Schwerpunkt zu senken und das Handling zu optimieren. Räder, Fahrwerk, Sitzbank? Identisch. Bremsen? Ebenso.
Kurz gesagt: Die Unterschiede zwischen Hornet und CBR 600 F beschränken sich im Wesentlichen auf den anders geformten, etwas kleineren Tank (18,4 statt 19 Liter), die Gabelbrücke samt Lenkerstummeln und, logischerweise, die Vollverkleidung. Letztere soll nicht nur für Wind- und Wetterschutz sorgen, sondern der CBR auch ein sportlich-elegantes, zeitloses Erscheinungsbild verleihen. Bewusst wurde also auf einen modischen Doppelscheinwerfer verzichtet. Blaue, flankierende Positionsleuchten sollen trotz des vergleichsweise schnöden Soloscheinwerfers für den coolen Auftritt bei Nacht sorgen.
Ob auch das moderne, digitale Cockpit mit dem Balkensegment-Drehzahlmesser und LCD-Tacho cool wirkt, bleibt Geschmackssache. Als wirklich gut ablesbar erweist sich der kontrastarme Drehzahlmesser jedenfalls nicht. Dafür gefällt die Sitzposition auf Anhieb. Die relativ hoch montierten, breiten und angenehm gekröpften Lenkerstummel vermitteln dem nur dezent sportiv über den Tank gebeugten Fahrer auf Anhieb ein vertrautes Gefühl, das Arrangement aus straff gepolsterter Sitzbank (Sitzhöhe: 800 Millimeter) und nicht allzu hoch montierten Fußrasten sorgt für eine entspannte, dauerhaft bequeme Sitzhaltung.
Das mit der Hornet identische Cockpit inklusive mäßig ablesbarem Drehzahlmesser bleibt Geschmackssache.
Die Spiegel an den breiten Auslegern einstellen, welche tadellose Sicht auf den nachfolgenden Verkehr bieten, und los. Der Vierzylinder startet spontan, verfällt dann in eine etwas lästige, deutlich erhöhte Leerlaufdrehzahl, die er für eine recht lange Warmlaufphase beibehält. Die leichtgängige, gut dosierbare Kupplung, deren Hebel sich übrigens leider nicht einstellen lässt, bietet keine Überraschungen, unspektakulär setzt sich die CBR in Bewegung, leicht und präzise funktionieren die Gangwechsel im Sechsganggetriebe. Und häufiges Schalten ist angesagt, soll es flott vorangehen. Der Motor hängt zwar ab Standgasdrehzahl sanft, ruckfrei und berechenbar am Gas, einigermaßen verwertbare Leistung liefert er ab etwa 4000, so etwas wie Biss allerdings erst ab 7000/min. Wer‘s richtig krachen lassen will, sollte sich tunlichst im fünfstelligen Bereich bewegen, bei gut 13000 Touren bereitet der Begrenzer dem fröhlichen Treiben ein Ende. Auch wenn die hohe Verkehrsdichte keinen Topspeed-Test erlaubte, so offenbarte die CBR doch immerhin bei kurzen Ausflügen in höhere Tempi keinerlei Schwächen in der Geradeauslaufstabilität.
Auch an der Handlichkeit der mit 211 Kilogramm nicht rekordverdächtig leicht geratenen 600er gibt es kaum etwas auszusetzen. Der durch die geducktere Haltung begünstigte, tiefere Schwerpunkt lässt die CBR gefühlsmäßig noch leichter in Schräglage fallen und williger durch Wechselkurven zirkeln als die Hornet. Die frontlastigere Haltung begünstigt auch das direktere Lenkgefühl und das bessere Feedback vom Vorderrad. So viel zum Thema "Hornet mit Vollverkleidung" - sie sieht eben nicht nur anders aus, sie vermittelt durchaus auch ein verändertes Fahrgefühl. Der gepriesene Windschutz der Schale fällt für Piloten über 1,80 Meter nicht berauschend aus: Kopf, Schultern und Oberkörper ab Brusthöhe sind dem Winddruck ausgesetzt, lästige Dröhngeräusche bleiben dem Fahrer jedoch erspart.
Kombibremse und ABS sind bei der CBR 600 F serienmäßig: Die Dreikolbensättel bieten echten Biss bei gleichzeitig guter Dosierbarkeit, das ABS regelt sensibel und verlässlich.
Kurviger wird die Route, teils holpriger der Belag, bergige Passagen inklusive. Die Serienabstimmung des Fahrwerks bietet einen guten Kompromiss aus Komfort und, na ja, Straffheit. Echte Sportfans werden die F sicher zu soft finden, Komfort will eben erkauft werden. Die erfreulich sensibel ansprechende Gabel taucht beim harten Bremsen tief ein, auch im Heck ist reichlich Bewegung, wenn die 600er über welligen Belag geprügelt wird. Für den Einsatzzweck und die anvisierte Käuferschaft scheint dies jedoch die richtige Abstimmung zu sein, will man doch Einsteiger, Wiedereinsteiger und Fans sportlich gestylter Alltags-Alleskönner ansprechen. All jenen dürfte auch das ABS-Kombibremssystem in die Hände spielen, das für hohe Sicherheit sorgen soll. Wie bereits von anderen Honda-Modellen bekannt, funktioniert das CBS mit ABS in der Praxis hervorragend. Sauber spricht die Bremse im Vorderrad schon bei leichtem Zug am Hebel fein dosierbar an, braucht auch für knackige Verzögerung nur wenig Handkraft und bietet bis zum Einsatz des spät, sehr sensibel und souverän regelnden ABS echten Biss. Ob sich bei solchen Manövern der Beifahrer an den nun ins schlanke Heck integrierten Haltemulden optimal festklammern kann? Spätestens im ersten Test wird MOTORRAD diese und andere Fragen klären. Schon jetzt steht allerdings fest: Angesichts der überzeugenden ersten Eindrücke und des günstigen Preises kann man die CBR 600 F zu ihrer Rückkehr nur beglückwünschen.
Technische Daten
Für die Freunde des sportlichen Looks bietet Honda eine Soziussitzabdeckung an.
Motor:
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Einspritzung, Ø 36 mm, Batterie 12 V/8,6 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette.
Bohrung x Hub 67 x 42,5 mm
Hubraum 599 cm³
Nennleistung 75 kW (102 PS) bei 12000/min
Max. Drehmoment 64 Nm bei 10500/min
Fahrwerk:
Zentralrohrrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 296 mm, Dreikolbensättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Einkolbensattel, Kombibremse mit ABS.
Aluminium-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Maße und Gewichte:
Radstand 1435 mm, Sitzhöhe 800 mm, Gewicht vollgetankt 211 kg, Tankinhalt 18,4 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Schwarz/Grau, Weiß/Blau, Weiß/Rot
Preis ohne Nebenkosten 8990 Euro
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