Fahrbericht Sachs Roadster V 1.6

Fahrbericht Sachs Roadster V 1.6
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Sachsophon

Großer Auftritt vor kleinem Publikum: MOTORRAD hetzte Sachs` brandneuen Roadster mit dem kernigen Suzuki DR 650-Einzylinder durch seine fränkische Heimat.

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»Schlüssel, Papiere. Zum richtig toll Motorradeln haltet ihr euch am besten Richtung Süden, da gibt`s die schönsten Ecken.« Hartmut Huhn, Entwicklungschef der Nürnberger Sachs-Werke zwinkert verschmitzt, am liebsten würde der ehemalige Rennfahrer und Ducati-Besitzer sein Jacket gegen die Lederkombi tauschen und mitfahren. Doch die Pflicht ruft. Organisation, Planung, Produktion und die Messevorbereitungen für Mailand und die IAA in Frankfurt laufen für ihn und seine Mannschaft auf Hochtouren. Denn bei Sachs in Nürnberg ist Dampf im Kessel. Der Ankündigung, wieder ausgewachsene Motorräder zu bauen, folgen jetzt Taten. Wer am Vorhaben der fränkischen Zweirad-Schmiede unter Leitung des holländischen Industrie-Managers Rob van der Linden zweifelt, darf sich vom jüngsten Spross überzeugen lassen.
Allen bisherigen Präsentationen zum Trotz steht nicht etwa der bereits seit Jahren angekündigte Zweizylinder-Roadster mit Suzuki VX 800-Motor zu den Testfahrten bereit, sondern ein unverkleideter Einzylinder, der klassische Elemente gekonnt mit pfiffigem Design vereint, Modellbezeichnung: Roadster V 1.6 . Zwei breit angelegte Rahmenschleifen aus Stahlrohr umspannen den bewährten Motor der Suzuki DR 650, ein schlanker Schalldämpfer im Megaphon-Design, bildschöne Drahtspeichenräder, Metzeler-Pneus im moderaten 120er- und 160er-Format, ein konventionelles Federbein-Pärchen, praktischer Hauptständer, obenauf eine elegante Tank-Sitzbank-Kombination, die auch einen Begleiter berücksichtigt - fertig ist das Konzept vom zeitlosen Gebrauchsmotorrad.
Und leicht ist das Ding. 169 Kilogramm, mit stattlichen 20 Litern Kraftstoff im Tank. Damit gehört die Sachs tatsächlich zu den Fliegengewichten der Single-Szene. Die Schwergewichte in diesen Kreisen, etwa BMWs Straßenvariante der F 650, die ST, wuchtet immerhin 203 Kilogramm durch die Landschaft. Überzeugend auch der zierliche Suzuki-Motor. Stramme 50 PS verspricht Hartmut Huhn für die bereits homologierte Vorserienmaschine.
Wie war das noch mal? »Immer Richtung Süden.« Raus aufs Land, Holperstraßen und Buckelpisten, ein Kurventänzchen zwischen Fischweihern und dampfenden Misthaufen. Franken ist klasse. Und die neue Sachs ist klasse. Weil der fetzige Motor nicht nur ruckfrei anschiebt, sondern auch dreht, was das Zeug hält, und das alles mit Schmackes und ohne lästige Vibrationen. Zwar rüttelt auch der Suzuki-Single am Chassis, aber für Einzylinderverhältnisse eben sehr sehr dezent und geräuscharm. Damit es dem Motor nicht zu warm wird, unterstützt ein zusätzlicher Ölkühler an der Rahmenfront die Suzuki-typische Kombination aus Luft- und Ölkühlung.
Lässig, mit einer Hand in der Hosentasche, biegt man die Roadster um die Ecken, verschlingt Kurvengeschlängel im Nu, ignoriert Bodenwellen großzügig und kommt, wenn´s pressiert, auf den Punkt genau zum Stehen. Man hätte es sich denken können, dass der schlanke Single die Idee der puristischen, agilen Fahrmaschine vortrefflich inszeniert.
Bequem wie Omas Ohrensessel, kommt der Roadster V 1.6-Fahrer in der kuscheligen Sitzmulde schnell ins Träumen. Jetzt noch den Tankrucksack aufgeschnallt und dann einfach treiben lassen. Ohne nerviges Gehetzte, einfach wummernd durch die Landschaft schwingen. So ein bisschen Wehmut schwingt da schon mit. Meine gute alte SR-X6 war auch nicht schlecht - nur viel zu schwer und etwas schlapp. Oder die heiß geliebte Gilera Saturno - bildschön, aber leider öfters mal kaputt. Der Sachs könnte es gelingen, sich ins Leben derjenigen einzumischen, die kräftige Einzylinder mögen, sich im schlichten Outfit gern in den Rückspiegeln übermotorisierter Joghurtbecher breitmachen und mit wachsender Begeisterung auf kleinsten Pfaden durch die Landschaft schmuggeln.
Und was gibt`s zu reklamieren? Die zu geringe Bodenfreiheit zum Beispiel. Oder der zu kurze und hart zu bedienende Schalthebel. Feinarbeit ist auch an der Federbein-Abstimmung angesagt. Aber wem sagt man das? »Wir sind schon dran, bis zum Produktionstart im Dezember haben wir die Sache im Griff«, kommentiert Entwicklungschef Hartmut Huhn die Kritikpunkte von MOTORRAD. »Schau mer mal«, sagte ein berühmter Bayer. Denn bereits im Februar 2000 sollen die ersten der 700 geplanten Einheiten bei den rund 150 bundesdeutschen Sachs-Händlern für 11490 Mark zum Verkauf stehen.

Der erste Versuch: Hercules W 2000

Die 70er Jahre gehörten zur Sternstunde deutscher Zweiradhersteller. Der Grund: Die Moped- und Kleinkraftradwelle schwappte geradezu über. Kreidler, Zündapp, Maico und natürlich Hercules, ein Ableger der Fichtel & Sachs-Gruppe, beherrschten den Markt. Doch das Segment der großen Maschinen, damals bedeutete groß 250 bis 500 Kuikzentmeter, wurde nur zögerlich besetzt. Erst 1975 wagte Hercules den Schritt zum ausgewachsenen Straßenmotorrad mit einem 27 PS starken Sachs-Wankelmotor. Der ungewöhnliche Antrieb der W 2000 mit der deutlich sichtbarer Gebläsekühlung hatte auch schnell seinen Beinamen weg: Staubsauger. Turbinenartige Laufruhe und eine harmonische Leistungsabgabe standen der ungezügelte Verbrauch und ein hoher Preis entgegen. Die aufstrebende japanische Konkurrenz, etwa die Yamaha RD 250/350-Modelle oder Hondas CB 250/350/450 machten der W 2000 einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.

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