Bei den zackigen 800er-Roadstern BMW F 800 R und Kawasaki Z 800e treffen geschliffene Manieren auf noch moderate Einstandspreise, sportives Fahrverhalten auf aggressiv-böses Design. Leichtigkeit des Seins oder Bikes mit Ecken und Kanten?
Bei den zackigen 800er-Roadstern BMW F 800 R und Kawasaki Z 800e treffen geschliffene Manieren auf noch moderate Einstandspreise, sportives Fahrverhalten auf aggressiv-böses Design. Leichtigkeit des Seins oder Bikes mit Ecken und Kanten?
Eine wahre Geschichte: 2012 machte meine Friseurin Marianne aus Bonn-Holzlar ihren Motorradführerschein. Mit 51, aus eigenem Antrieb, auf einer Suzuki Gladius. Danach ging es zwischen Waschen, Schneiden und Föhnen um eine Frage: „Welches Motorrad soll ich fahren?“ Eine Harley Sportster konnte ich Marianne ausreden, zu schwer und damals noch ohne ABS. In Betracht kamen Ducati Monster und mein heißer Tipp Kawasaki ER-6n. Doch es kam ganz anders. Audi-Fahrerin Marianne entschied sich für die BMW F 800 R. Ohne dass ich den 800er-Roadster empfohlen hatte. Volle 87 PS für Einsteiger?
Nun, 6000 Kilometer später, hat Marianne den Kauf der BMW F 800 R nicht bereut. Offenbar macht der fahraktive Zweizylinder Fahranfängerinnen Freude. Und ist gleichzeitig das Arbeitsgerät von Stand-Weltmeister Chris Pfeiffer. Was für ein Spagat! 2015 hat BMW seinen Einstiegs-Roadster überarbeitet. Mit neu gestalteten Kühlerabdeckungen und Lufteinlässen sowie zierlicherem Vorderradkotflügel. Auffällig ist der symmetrische Hauptscheinwerfer (mit Nuda-Reflektor!) statt des einst getrennten, anderthalbäugigen Lampenduos für Abblend- und Fernlicht. Nun gibt’s eine steifere, modernere Upside-down-Gabel mit Radial-Bremszangen anstelle der konventionellen Telegabel.
Der neue konifizierte Alulenker ist nicht mehr so merkwürdig nach unten gekröpft. Die zehn Millimeter niedrigere Sitzbank sowie weiter vorn und tiefer platzierte Fahrer-Fußrasten (je einen Zentimeter) sollen eine entspanntere Fahrhaltung bewirken. Und leichtere Räder besseres Handling. Den Motor pushte ein Elektronik-Update um drei auf volle 90 PS bei unverändert 8000/min. Angepasst präsentieren sich die Getriebeübersetzungen, vor allem ein kürzerer erster und zweiter Gang. Last but not least gibt’s für die BMW F 800 R ein moderneres ABS!
Also auf, zu Testfahrten in Südfrankreich. Im direkten Vergleich mit der Kawasaki Z 800e. Steht das e für einfach oder e wie emotional? Nein, e wie Europa. Denn in anderen EU-Ländern dürfen Motorräder für den A2-Führerschein bis 48 PS maximal 95 PS Ausgangsleistung haben. Daher schob Kawasaki der 113 PS starken Basis-Z-800 die e-Version nach. Als potenzielle Einsteiger-Maschine mit 95 PS. Sie trägt einfachere Federelemente und kommt ohne Bugspoiler aus. Was 1000 Euro Preisersparnis, rund 8000 statt 9000 Euro, erklärt. Bühne frei, Vorhang auf für den Kulturkampf: Europa gegen Japan, Zwei- gegen Vierzylinder. Twins charakterisierten die europäischen Motorradmarken Ducati und Moto Guzzi, Triumph und BMW. Reihen-Vierzylinder dagegen machten Japan groß und mächtig.
Motoren wie der 800er-Kawasaki: Er grummelt im Leerlauf sonor und dumpf, doch angenehm leise vor sich hin. Weich und elastisch setzt die Leistung ein. Smooth läuft die Kawa, bereits in den Untiefen des Drehzahlkellers sauber rund. Bis 4000 Touren reißt der Reihen-Vierer einem nicht gerade die Arme aus, gibt sich sanft. Erst ab 6000/min wird der Vorwärtsdrang stürmischer, die Kawasaki Z 800e ein wenig zornig. Zum Überholen heißt es also Herunterschalten. Für die Drosselung auf gemessen maximal 92 PS sorgen dünnere Krümmer (28,6 statt 31,8 Millimeter), ein anderer Schalldämpfer (ohne Auspuffklappe, mit verschlossenem unteren Austrittsrohr) sowie Änderungen am Motorsteuergerät.
Klar hat die Kawasaki Z 800e halb so große Brennräume und eine viel kurzhubigere Auslegung als die bulligere BMW F 800 R. Ihr Abstand im Drehmoment ist eklatant: Bis 9000 Touren, wenn der Twin endgültig die Segel streicht, drückt der Vierzylinder stets fünf bis 15 Newtonmeter weniger. Das reißt die höhere Drehfreude des Drosselmotors auf Landstraßen nicht raus. Eher sein größeres Drehzahlspektrum. Im Sechsten dreht die Kawasaki so hoch wie die BMW im Vierten! Das sind bei Tempo 100 dann 5000 statt nur 4100 Umdrehungen. So hält die Kawa beim Durchzug tapfer mit, verbrennt aber bei exakt gleicher Fahrweise 0,7 Liter mehr Benzin.
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Spurtstärker pusht der sparsame Zweizylinder der BMW F 800 R. Er verdichtet höher, taktet seltener, dreht niedriger. Hier prügeln zwei große Vorschlaghämmer über einen längeren Hebel statt vier kleiner Hämmerchen auf die Kurbelwelle ein. Untermalt vom bassig blubbernden Boxer-Sound. Ja, gleichmäßiger Zündabstand alle 360 Grad lässt den Twin akustisch täuschen. Ganz real sind laute mechanische Geräusche und durchaus derbere Vibrationen, speziell oben heraus.
Trotz Ausgleichspleuel zwischen beiden Zylindern läuft der mit Rotax in Österreich entwickelte Paralleltwin etwas rau. Drückt aber fülliges Drehmoment. In zwei Stufen. Von 2000 bis 5000 Touren verharrt der Twin zwischen 70 und 75 Newtonmetern. Ab der 5000er-Marke steigt das Drehmoment rasant an, ein echter Boost-Effekt. Mit fettem Peak von 88 Newtonmetern bei 5900 Touren. Auf der BMW F 800 R geht es bei 2800 Umdrehungen unruhig hin und her: Konstantfahrruckeln! Dies entspricht Tempo 50 im dritten oder 60 im vierten Gang. Recht lang fallen die Schaltwege aus. Doch die Lastwechselreaktionen sind gegenüber früheren F 800-Modellen unauffällig. Gut wirkt das neue weitere Gangspektrum mit drei kürzeren unteren und zwei längeren oberen Gängen.
Am laufruhigeren Kawasaki-Motor irritiert harsche Gasannahme aus Rollphasen heraus: Legt man am Scheitelpunkt von Kurven wieder Gas an, wirkt der Gasgriff sehr schwergängig. Als klebten die Drosselklappen in ihren Wandlungen fest. Kawasaki verbaut doppelte Drosselklappen, die eine Welle vom Fahrer, die andere von der Bordelektronik betätigt. Alles, um die Strömung zu glätten und die Gasannahme sanfter zu machen. Aber das Gegenteil scheint der Fall. So geht beim Wieder-unter-Zug-Nehmen nach langem Leerweg am Gasgriff ein echter Ruck durch die Kawasaki Z 800e.
So wie generell auf Buckelpisten. Das eher lasch gedämpfte Federbein kommt trotz Umlenkung mit dem Verarbeiten rasch aufeinanderfolgender Impulse nicht ganz nach. Dann fängt es zu pumpen an, haut ins Kreuz. Es hat zu viel Negativ-Federweg. Doch Vorspannen, wie eh und je per Hakenschlüssel, erschwert der Innenkotflügel. Andere Verstellmöglichkeiten lässt das Fahr-und-Spar-Fahrwerk nicht zu. Straffer gedämpft arbeitet die Upside-down-Gabel, dürfte gern etwas sensibler ansprechen. Auf Unebenheiten in Schräglage stellt sich die Kawasaki Z 800e mächtig auf, braucht in Kurven beständig kleine Kurskorrekturen. Gut peilen heißt hier nicht gleich treffen.
Im Prinzip ist jede Kurve eine Herausforderung. In ganz tiefen Schräglagen knickt die Front merkwürdig weiter ab. Man hat ständig was zu tun. Volles Vertrauen schafft das nicht. Die konstruktiv alten Dunlop Sportmax D 214 in Sonderkennung J harmonieren nicht gut mit der Kawasaki Z 800e. Die Japan-Pneus brauchen lange, um warm zu werden, sind zu sehr auf Stabilität getrimmt, bleiben nicht neutral auf Kurs. Immerhin haften sie trotz wenig Negativprofils selbst bei Nässe passabel. Volle 231 Kilogramm stempeln die Z 800e zum Moppelchen. Sie schiebt sich schwer im Stand. Nicht gut für Fahranfänger. Oder gehört das Störrische zu Kawas Kämpfer-Attitüde?
Sehr einfach fährt sich die BMW F 800 R. Sie rollt runder, segelt homogener durch die Kurven. Bleibt auf Bodenwellen stabiler, gutmütiger. Die Kawasaki Z 800e macht optisch auf knackig, die BMW fährt so. Metzeler Roadtec Z8 Interact (vorne M, hinten C) feilen exakt um alle Radien, erlauben grandiose Schräglagen. Somit zieht die F 800 R engere Linien, schlägt zackigere Haken, fährt frecher. Dabei beträgt der Radstand satte 1,52 Meter, länger als beim Vorgänger und viel länger als bei der Z 800e. Zudem steht der BMW-Lenkkopf zwei Grad flacher als bei der Kawa. Was die BMW dann leichtfüßiger, spielerischer macht?
Nun, sie ist selbst in Vollausstattung 20 Kilogramm leichter, ihr Nachlauf kürzer. Hinzu kommt die schmalere Kurbelwelle (Motor maximal 39,5 statt 52,5 Zentimeter breit). Der Tank unterm Fahrersitz senkt den Schwerpunkt, erleichtert Umlegen in schnellen Wechselkurven. Und dann ist da noch der größere Hebelarm dank breiteren, höheren Lenkers. Per praktischem Handrad lässt sich die Federbasis hinten voll anheben. Das bringt bessere Balance, mehr Gewicht aufs Vorderrad samt mehr Gefühl für selbiges.
Schlechtweg-Strecken stecken Upside-down-Gabel und Federbein der BMW F 800 R gut weg. Ihr Einfach-ESA als empfehlenswertes Extra reguliert nur die Zugstufendämpfung hinten elektronisch, gut spürbar. Die ebenfalls optionale, einfache Traktionskontrolle ASC greift sicher ein, ehe ein Sturz droht. Eine Art Airbag für zwei Räder. Kräftig, fast brachial bremsen die Brembo-Stopper. Dazu prima dosierbar bei geringer Aufstelltendenz. Stärker stellt sich die Kawasaki Z 800e beim Griff zur Bremse senkrecht. Und bergab kurz vom Stillstand auch mal aufs Vorderrad.
Der gegenüber der BMW F 800 R breitere Tank der in Thailand gebauten Kawasaki Z 800e spreizt die Beine stärker. Positiv gesagt bringt’s guten Kontakt zum Motorrad, man sitzt recht vorderradorientiert. Dagegen wirkt die Ergonomie à la BMW passiver, wenig sinnlich. Bei 1,70 Meter Größe ist der einst so enge Kniewinkel unauffällig. Für größere Fahrer hat BMW höhere Sitzbänke im Angebot. Leistungsreduzierung auf 48 PS kostet keinen Aufpreis (bei der Z 800e: 23,84 Euro Materialkosten). Sonst aber so ziemlich alles. Wer seine BMW F 800 R vollständig pimpt, ist mit knapp 11.000 Euro dabei. Zu diesem Preis gibt es begeisterndere Motorräder als die F 800 R. Emotionales i-Tüpfelchen wäre der 898 cm3 große, 105 PS starke Motor der verblichenen Husqvarna Nuda gewesen. Doch der sei laut BMW mit seiner 270-Grad-Kurbelwelle (sie imitiert einen 90-Grad-V2) und Schmiedekolben zu teuer und zu „spitz positioniert“. Sehr schade.
Mit den drei Paketen „Dynamik“, „Safety“ und „Touring“ ist ja auch jede Menge an Bord. Besser, edler ist die BMW F 800 R verarbeitet. Etwa durch Alu-Brückenrahmen und schöne Aluschwinge mit feinen Ausfallenden. Der Vorgänger fand in Deutschland über 9500 Käufer, davon 1236 allein 2014.
Gröber gestrickt ist die Kawasaki Z 800e mit Stahl-Chassis und Bremsleitungen aus purem Gummi statt Stahlflexleitungen allemal. Und leider nicht ganz so anfängerfreundlich. Ihr Design ist ein Konglomerat aus Ecken, Kanten und Sicken. Eckig ist das neue Rund! Beide Z 800-Versionen fanden im Jahr 2014 zusammen 1945 Käufer – Platz fünf in Deutschland! Liebe Marianne, du kannst beruhigt sein, deine alte BMW F 800 R gut behalten. Herzlichst, dein Thomas.
1. BMW F 800 R
Besseres Fahrwerk, mehr Tourentauglichkeit und größere Allroundqualitäten sichern der harmonischeren und kraftvolleren BMW F 800 R den Testsieg. Sie fährt jedoch kaum besser als der Vorgänger.
2. Kawasaki Z 800 e
Optisch schwer auf Zack, kann die schwere Kawasaki Z 800e fahrerisch nicht ganz überzeugen. Dem Motor fehlt es etwas an Punch, dem Fahrwerk an Neutralität und dem Konzept an Alltagstauglichkeit.
Nicht bloß für Italophile: Mit ihrem feurigen 90-Grad-V2 in einem feinen Fahrwerk und edlen Komponenten ist die Aprilia SL 750 Shiver eine Überlegung, ja Sünde wert.
Nicht ohne Grund ist die Aprilia SL 750 Shiver sehr beliebt. 2014 schlugen immerhin 261 Käufer in Deutschland zu. Sie machten die Shiver zur zweitbest verkauften Aprilia nach der Tuono. Ihre Qualitäten offenbaren sich auf Anhieb. Für viele Motorradfahrer gilt ein 90-Grad-V2 als begeisterndster, sinnlichster Antrieb überhaupt. Die Shiver beweist, weshalb. Ab 3000 Touren läuft der Motor schön rund. Seine beiden großen 92er-Kolben hämmern in betörendem Takt. Sehr linear und berechenbar legt der charaktervolle V2 an Leistung zu, verwöhnt mit kraftvoll-druckvoller Mitte. Er prustet satt, aber niemals prollig aus den zwei hoch verlegten Auspuffen im Heck. Heute würde man sie vermutlich tiefer verlegen.
Denn, kaum zu glauben, die Aprilia SL 750 Shiver erschien bereits 2007. Doch sie fühlt sich nicht alt an. Vor acht Jahren war die 750er das erste Serienmotorrad überhaupt mit Ride-by-Wire, also elektronisch betätigten Drosselklappen. Mittlerweile hat Aprilia als Pionier diese Technik voll im Griff. Im Wortsinn. In drei Fahrmodi (Sport, Touring, Regen) hängt der Motor deutlich unterscheidbar am Gas: von feurig über schön direkt bis gewollt gedämpft. Noch im Rahmen bleibt der Benzinkonsum auf Landstraßen, rund 4,8 bis 4,9 Liter auf 100 Kilometern.
Dem tollen Motor mit guter Laufkultur und schönen dohc-Köpfen verzeiht man seine italienisch-prahlerische Leistungsangabe von 95 PS bei 9000/min: Maximal drückte der Kurzhuber bei MOTORRAD-Messungen nie mehr als echte 86 PS. Geschenkt. Denn dafür entschädigt die ebenso emotional-sportive wie bequeme Haltung für Fahrer und Sozius auf der gut geschnittenen Sitzbank. Volle 83 Zentimeter Sitzhöhe sind für kleine Leute jedoch viel. Über den recht breiten Lenker hat man die 220 Kilogramm leichte Italienerin bestens im Griff. Auf superb haftenden Pirelli-Reifen Angel ST umrundet sie Kurven mit exzellentem, präzisem Lenkverhalten. Blickrichtung gleich Radius! Das schafft spontan Vertrauen.
Ja, das Gitterrohr-Fahrwerk mit Aluguss-Profilen zur Schwingen-Aufnahme funktioniert echt gut. Sauber spricht die Gabel an, bietet viel Rückmeldung. Also Gefühl für die Straße. Und auch das direkt angelenkte, rechts verlegte Federbein macht einen guten Job, ist leicht zugänglich. Radial angeschraubte, einteilige Brembos bremsen kraftvoll und gut dosierbar. Hinzu kommen feine Komponenten und gute Verarbeitung. Gut ablesbar präsentieren sich die Instrumente mit großem Drehzahlmesser. Sie können beides, informativ und hübsch zugleich sein. Mit Anzeigen für eingelegten Gang, Umgebungstemperatur und vielem mehr.
Rein punktemäßig läge die Aprilia SL 750 Shiver im Vergleichstest zwischen BMW F 800 R und Kawasaki Z 800e. Wer einen Aprilia-Händler kennt: Probe fahren lohnt sich! Zum Listenpreis von komplett 8990 Euro inklusive ABS ist die 750er derzeit die günstigste Aprilia, real teilweise schon für 8000 Euro zu haben. Günstig kommt die rein elektronische Drosselung auf A2-konforme 48 PS. Von rund 2500 bisher in Deutschland verkauften Exemplaren sind keine großen Probleme bekannt. Ein Geheimtipp.