BMW S 1000 R im Fahrbericht

BMW S 1000 R im PS-Fahrbericht Wolf im Schafspelz? Nee, Wolf ohne Pelz!

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Der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz ist hinlänglich bekannt. Auch Schafe im Wolfspelz gibt es. Mit der BMW S 1000 R kommt eine ganz neue Gattung: der Wolf ohne Pelz! Jäger oder Beute?

Wolf im Schafspelz? Nee, Wolf  ohne Pelz!
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Motorenlärm zerfetzt die Stille, Scheinwerferlicht durchdringt die Nacht. Eine geheimnisvolle Gestalt erscheint. Plötzlich Reifenquietschen. Künstliches Licht hüllt aufsteigenden Rauch in dunkles Rot, beißender Geruch schleicht in die Atemwege. Dann stürmt der nächtliche Reiter im Wheelie auf die staunenden Journalisten zu und hebt sein Gefährt kurz vor ihnen aufs Vorderrad. Nach weiteren akrobatischen Einlagen endet die Show schließlich mit einem mächtigen Burnout. Nach und nach gibt der abziehende Qualm den Blick auf die Maschine frei: die nagelneue BMW S 1000 R.

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Wahnsinn! Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass BMW einmal derart aggressiv ein neues Modell präsentiert? Die Message ist klar: Mit dem Motorrad sind die Münchner endgültig raus aus der Biedermann-Ecke. Den Grundstein dafür legte die S 1000 RR, das mit Abstand meistverkaufte Superbike. Nun legen die Bayern nach. Wie die RR soll die nackte Variante BMW S 1000 R bei der Konkurrenz räubern. Dafür klaute BMW dem Superbike nicht nur ein „R“ im Namen, sondern zog es auch aus. Zumindest fast, denn eine Lampenmaske mit kleinem Windabweiser ziert die Nacktdarstellerin ebenso wie schlanke Kühler- und Seitenverkleidungen. Bei der Gestaltung der Scheinwerfer setzt Bayern wie gehabt auf Asymmetrie. Über das Design der BMW S 1000 R lässt sich trefflich streiten, über den Wiedererkennungswert dagegen nicht: Der Roadster – so bezeichnet BMW gerne seine Nakeds – trägt optisch eindeutig die Gene der RR.

Steuerzeiten geändert, Ansaugkanäle modifiziert

Auch technisch ähnelt die BMW S 1000 R ihrer Schwester. Die Münchner passten Motor und Fahrwerk lediglich an die Belange eines Naked Bikes an. Deshalb änderten sie die Steuerzeiten und modifizierten die Ansaugkanäle des Zylinderkopfs. Dadurch soll das Drehmoment bis 7500/min um bis zu zehn Nm höher ausfallen als beim Superbike, der Spitzenwert von 112 Nm bleibt dagegen gleich. Der maximale Output von 160 PS liegt bereits bei 11.000/min an, 2000/min früher als die 193 Hengste der RR. Bis auf ein geändertes Mapping der neuen Motorsteuerung blieb der Antrieb sonst unverändert.

Aufsitzen und Gas! Brutal, wie das Super-Naked abgeht! Bereits kurz über Leerlaufdrehzahl packt das Triebwerk dermaßen zu, dass es einem den Atem verschlägt. Weiter, weiter, immer weiter schiebt die BMW S 1000 R, bis die Power nahe des roten Bereichs etwas nachlässt.

Naked Bike

Vorderrad bleibt nur mit Mühe am Boden

Dabei bleibt das Vorderrad nur mit Mühe am Boden, und beim Ballern über Kuppen macht die BMW S 1000 R sogar noch im vierten Gang Männchen. Boah, was für ein Ritt! Heftiges Vierzylinder-Gebrüll begleitet die Beschleunigungsorgien und selbst im Schiebebetrieb brabbelt die R dank des speziellen Sound-Designs noch gierig aus dem Auspuff. Anhalten und nachschauen: Ist das wirklich eine BMW? Verwechslung ausgeschlossen, Schriftzeichen und die typischen Propeller identifizieren sie eindeutig als Bayern-Bike. Unglaublich!

Wie bei BMW üblich, verfügt auch die BMW S 1000 R über reichlich elektronische Fahrhilfen. Serienmäßig bietet sie ABS, die Anti-Schlupf-Regelung ASC sowie mit „Road“ und „Rain“ zwei Fahrmodi. Bei letztgenanntem geht die BMW etwas weicher ans Gas, außerdem begrenzt diese Stufe die Leistung auf 136 PS. „Road“ setzt den kompletten Punch frei, und die Gasannahme fällt etwas direkter, aber immer noch sehr angenehm aus.

MOTORRAD-Testride BMW S 1000 R

Das 790 Euro teure „Sport-Paket“ be­inhaltet zwei weitere Fahrstufen. Diese beeinflussen das ABS und die im Paket enthaltene Traktionskontrolle inklusive Wheelie-Control. Damit zielt dieBMW S 1000 R auch auf sehr sportliche Fahrer. Ferner bietet das Package einen Quickshifter und, bitte festhalten, einen Tempomat! „Der ist wegen der Schweiz und Österreich mit an Bord“, grinst ein BMW-Verantwortlicher. „Speedtickets sind dort sehr teuer.“ Im „Dynamic-Paket“ für 910 Euro sind das elektronische Fahrwerk DDC (Dynamic Damping Control) ebenso enthalten wie Heizgriffe, LED-Blinker und ein Motor­spoiler. Bei einem Grundpreis von 12.800 Euro rufen die Münchner für ein voll ausgestattetes Bike 14.500 Euro auf.

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Regen, vier Grad und Schneefall in den Bergen

Für die Präsentation auf Mallorca stehen ausschließlich komplett aufgerüstete Maschinen am Start. Vorteil: Bei dem Mistwetter – Regen, Temperaturen um vier Grad, Schneefall in den Bergen – kann die Traktionskontrolle zeigen, was sie draufhat. Auf den teilweise extrem glatten Straßen dreht das Hinterrad selbst bei mäßig geöffnetem Gas gnadenlos durch. Doch die Elektronik greift rechtzeitig ein und hält den Wheel-Spin souverän in Schach. Das schafft Vertrauen und weckt den Spieltrieb auf gerader Strecke: Hahn auf Daueranschlag und Gänge voll durchladen! Sssswiiiiischhh – mit unterschiedlich stark rotierendem Hinterrad beschleunigt die BMW S 1000 R mal eben bis knapp 200 km/h – eine Mordsgaudi!

Mittags blinzelt endlich die Sonne durch die Wolken, die Straßen trocknen ab. Auf zum zweiten Teil der Teststrecke mit flüssigen Kurvenkombinationen! Hier zeigt das DDC-System der BMW S 1000 R seine Qualitäten. Wie gehabt erfasst die komplexe Elektronik den Fahrzustand und reguliert entsprechend die Dämpfung von Gabel und Federbein. Das funktioniert auf den vorwiegend ebenen Straßen bestens. Lediglich bei rennmäßigem Speed kommt etwas Unruhe ins Gebälk, und die Druckstufe des Federbeins wirkt beim Herauspowern aus schnellen Ecken leicht unterdämpft. Doch dafür muss der Pilot schon sehr kräftig am Kabel ziehen.

Um das feine Handling der BMW S 1000 R zu checken, braucht er das nicht. Das vollgetankt nur 207 Kilo schwere Super-Naked sticht willig, neutral und zielgenau in und durch die Bögen – top! Für die geänderten Verhältnisse mit aufrecht sitzendem Piloten und hohem Lenker änderten die Techniker die Geometrie, indem sie das Fahrwerk modifizierten: leicht abgesenkte Front, niedrigerer Schwingendrehpunkt, andere Federbeinlänge, neue Umlenkung mit größerer Progression, längerer Radstand. Auch diese Maßnahmen formen aus der BMW ein äußerst schlagkräftiges Geschoss – nicht nur für Stunt-Shows.

Unterschiede zur RR

Antrieb
• weniger und früher anliegende Spitzenleistung (160 PS bei 11.000/min)
• mehr Drehmoment in unteren und mittleren Drehzahlen
• geänderte Steuerzeiten
• modifizierte Ansaugkanäle des Zylinderkopfs
• neue Motorsteuerungs-Hardware
• geändertes Mapping
• Sport-Paket (Sonderausstattung)

Fahrwerk
• geänderte Geometrie
• neues Federbein
• geänderte Umlenkung des Federbeins
• Dynamic-Paket (Sonderausstattung)

Sonstiges
• neues Cockpit

PS-Daten

BMW S 1000 R

Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 118 kW (160 PS) bei 11.000/min*, 112 Nm bei 9250/min*, 999 cm3, Bohrung/Hub: 80,0/49,7 mm, Verdichtung: 12,0:1, Zünd-/Einspritzanlage, 48-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti- Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette, G-Kat, ASC bzw. TC.

Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,4 Grad, Nachlauf: 98,5 mm, Radstand: 1439 mm, Ø Gabel­innenrohr: 46 mm, Federweg v./h.: 120/120 mm.

Räder und Bremsen: Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, C-ABS.

Gewicht (vollgetankt): 207 kg*, Tankinhalt: 17,5 Liter Super.

Grundpreis: 12.800 Euro (zzgl. NK)*.

*Herstellerangabe

PS-Urteil

Volkmar Jacob.

BMW goes wild! Noch vor ein paar Jahren hätte niemand nur im Traum daran gedacht, dass die Bayern einmal ein derart zorniges Naked Bike auf die Räder stellen würden. Die BMW S 1000 R verkörpert Fahrdynamik pur: stürmisch, angriffs­lustig, schnell. Natürlich verträgt sie auch die gemäßigte Gangart, doch dafür ist sie eigentlich viel zu schade. Was kommt als Nächstes?

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