Japaner, die könnens. So das verbreitete Schubladendenken, wenn es um Qualität und Verarbeitung geht. Wobei diese Einschätzung in der Realität häufig bestätigt wird, so auch in vielen Dauertests von MOTORRAD. Und die Amis? Die sind vielleicht clever im Marketing, aber richtig solide Produkte traut man ihnen nicht unbedingt zu.
Weshalb zunächst einmal Skepsis herrscht, wenn eine Buell die 50000-Kilometer-Distanz in Angriff nimmt. Zumal der mächtige V-Zwo nicht einfach nur ein Harley-Derivat ist, sondern mittlerweile trotz antiker Zweiventil-Stoßstangentechnik satte 100 PS stemmt. Alle Achtung. Ob das auf Dauer gut geht? Zweifel sind auch
deswegen nicht ganz unbegründet, weil
Buells früherer Baujahre gleich reihenweise die Flügel streckten beziehungsweise ihre Pleuel aus dem Gehäuse. Doch bei der Harley-Tochter hat sich seit Einführung der aktuellen Generation mit den charakteristischen Alu-Rahmen in puncto Verarbeitung eine Menge getan.
Was die MOTORRAD-Dauertestmaschine zu bestätigen schien, die von Anfang an völlig problemlos und unauffällig ihre Kilometer runterschrubbte. Während renommierte Kollegen im Dauertest-Fuhrpark Ducati, MV, ja selbst BMW regelmäßig zur Fehlersuche oder Schadens-
behebung in der Werkstatt standen, lief die Buell ganz unauffällig Tag für Tag ohne jegliche Defekte oder Ausfallerscheinungen.
Ihre individuellen Macken hatte sie aber wohl, nicht jeder Fahrer konnte sich mit dem eigenwilligen Ami-Hobel anfreunden. Dass die Kupplung viel Kraft braucht: okay, Gewöhnungssache. Lästiger ist schon das hart und geräuschvoll schaltende Getriebe. »Noch schlimmer als bei den Boxer-BMW«, stellte Tester Stefan Kaschel entsetzt fest. Mit etwas Sensibilität lassen sich die übelsten Schläge beim Gangwechsel mildern. Einigkeit herrscht in einem anderen Punkt: Der laute Lüfter ist einfach
nur peinlich. Das Ding springt immer zur Unzeit an. Etwa dann, wenn man wie Kollegin Monika Häring auf der Passhöhe das
Alpenpanorama genießen will. Und im Sommer übertönt das ätzende Fiepen sogar das Motorengeräusch.
Auf der Rennstrecke ist das kein Thema. Dort fiel Tester Werner Koch indes auf, dass die Einspritzung beim harten Bremsen Luft saugt, wenn der Tank nicht randvoll ist. Unangenehm, wenn der Motor im Kurvenscheitel die Arbeitsaufnahme verweigert. Auf der Landstraße passierte das offensichtlich nie, keiner der Fahrer beschwerte sich über dieses Problem. Dafür sorgte der niedrige Verbrauch an der Zapfsäule für freudige Mienen. Im Schnitt konsumierte die Buell bisher 5,6 Liter Super Plus auf 100 Kilometer, im Vergleich mit ähnlich starken Maschinen ein erfreulich guter Wert. Weniger erfreulich, wenn man trotz des sparsamen Umgangs mit dem Brennstoff liegen bleibt. Nach Aufleuchten der Reserveleuchte sind kaum 50 Kilometer drin, dann ist der letzte Tropfen verbraucht.
Die meisten Eintragungen im Fahrtenbuch betreffen jedoch das Fahrwerk der exzentrischen Buell. Wie das zuweilen recht störrische Lenkverhalten einzuordnen ist, darüber gibt es ganz unterschied-
liche Interpretationen. Manche Fahrer kommen damit gar nicht klar, während Monika Schulz in der XB12S den Beweis dafür
findet, dass Metall leben kann: »So ne Buell ist eben auch nur ein Mensch.« Und hat deshalb je nach Tagesform gewisse Befindlichkeiten. Wenn es draußen angenehm warm ist, die Umgebung konveniert, dann läuft die Lightning wie der geölte Blitz. Ist es dagegen kühl, die Straße
holprig, wirkt sie lustlos, miesepetrig. Der Fahrer muss es ausbaden. Kälte behagt der Buell auf jeden Fall nicht, sie braucht wohlige Wärme. Nur eben nicht zu viel.
Sie wissen schon, der Lüfter.
Nach dem Kaltstart schüttelt sich der V-Twin unwillig und benötigt reichlich Zeit, bis er sauber Gas annimmt. Die lange Warmlaufphase könnte man vielleicht als erzieherische Maßnahme deuten, denn der in der Schwinge gebunkerte Schmierstoff sollte vorsichtig warm gefahren werden. Und auch regelmäßig kontrolliert. Buell-Experten berichten davon, dass der Ölverbrauch exponentiell ansteigt, wenn der Ölstand unter Minimum sinkt. Also ab und an mal den fummeligen Peilstab aus der Schwinge ziehen.
Wie man den gewöhnungsbedürftigen Fahreigenschaften, die sicher im unkonventionellen Rahmenkonzept und der radikalen Geometrie ihre Ursache haben, auf die Sprünge helfen kann, darüber gibt es die verschiedensten Theorien, die von Voodoo-Beschwörungen bis zur Reifenwahl reichen. Für Erstere geben wir keine Erfolgsgarantie ab, dafür aber für den Tausch der unpassenden Serien-Pneus gegen erheblich besser harmonierende (siehe unten).
Trotz der kleinen Wehwechen machte die Buell bis dato einen kerngesunden Eindruck. Nichts klappert, von Alterserscheinungen keine Spur. Im Fahrtenbuch finden sich Einträge wie: »Je oller, desto doller.« Verfrühte Euphorie? Kurz vor Erreichen der 30000er-Marke auf dem Kilometerzähler will die Lightning nicht mehr. Patscht und knallt, als wenn das Ende bevorstünde. Die Werkstatt macht eine defekte Kerze als Übeltäter aus. Liegt jedoch daneben, kurz darauf treten die gleichen Symptome erneut auf. Beim zweiten Reparaturversuch wird eine defekte Zündspule sondiert. Kann allerdings auch nicht sein, denn zurzeit läuft der Zweizylinder schon wieder zeitweise als Einzylinder. Wird doch wohl nichts Ernstes sein? Die Aufklärung folgt demnächst in MOTORRAD.
Fahrermeinung: Werner Koch, Testredakteur - Buell find ich gut
Wie sagen die Schwaben: Für den, ders mog, ischs Höchste. Wenn einen diese Urgewalten
der Verbrennungsmaschine auf einer Woge von Kraft und Donner durch die Landschaft tragen,
ist die Freundschaft schnell
geschlossen. Ja, ich weiß, weder Prüfstandswerte noch Fahrleistungen können das subjektive Fahrgefühl widerspiegeln. Doch welches Messprotokoll kann schon den Spaß am fetten Sound und das kolossale Erdbebenerlebnis des 1200er-V2 abbilden?
Fahrermeinung: Monika Schulz, stellvertretende Chefredakteurin - Ein Mensch wie du und ich
Es gibt Motorräder, die ziehen dich durch jedes Tief. Nicht die XB12S: schlechte Stimmung
am Lenker, nasskaltes Wetter, miese Straßenbeschaffenheit so was überträgt sich eins zu eins aufs Fahrverhalten. Weil eine Buell eben auch nur ein Mensch ist. Mal spröder Bock, der so tut, als hätte er nie etwas von Kurven gehört, dann voll
der Draufgänger, dem es gar nicht zackig genug in Schräglage gehen kann. Das Schöne daran: Nach der Krise ist Buell fahren noch 17-mal besser als zuvor.
Fahrermeinung: Rainer Froberg, freier Mitarbeiter und Harley-Freak - Jede Menge Ecken und Kanten
Bei einer Buell gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Du liebst sie, oder du hasst sie. Buell fahren ist Motorrad fahren der anderen Art, Emotion pur. Etwa, wenn du mit 2500 Umdrehungen lässig durch die Landschaft blubberst. Wer da rational rangeht, sich an einer schwergängigen Kupplung oder der eigenwilligen Lenkung stört, kann mit dem Ami-Roadster niemals glücklich werden. Eine Buell hat eben jede Menge Ecken und Kanten und das
ist auch gut so.
Schadensübersicht
G rößere Schäden blieben an der Buell Lightning XB12S auf den ersten 30000 Kilo-
metern aus. Die Werkstatt sah der Ami-Twin zumindest zu Beginn des MOTORRAD-Dauertests recht selten, da Buell die Inspektionsintervalle mittlerweile auf 8000 Kilometer ausgedehnt hat. Größere Reparaturen waren bislang nicht nötig, trotzdem gab es einige Kleinigkeiten und Auffälligkeiten, die erwähnenswert sind und im Rahmen der Inspektionen behoben wurden. Ärgerlich war auf jeden Fall der gerissene Zahnriemen, der das Ende einer Dienstfahrt bedeutete. Hier eine kurze Übersicht über die außergewöhnlichen Vorfälle und Reparaturen während der ersten Halbzeit.
Reifenempfehlung
Nicht alle auf der Buell zugelassenen Radialreifen harmonieren mit der extremen Fahrwerksgeometrie der XB12S. Deshalb machte sich MOTORRAD auf dem verwinkelten Rheinring im franzö-
sischen Colmar auf die Suche nach den passenden Gummis für den
knackigen Harley-Ableger. Der Reifenluftdruck wurde mit 2,3 und 2,5 bar den Testbedingungen angepasst, das Fahrwerk in Zug- und Druckstufendämpfung auf Stabilität getrimmt. Fahrstil und Kurvenspeed orientieren sich weniger an rennsportlichen Ansprüchen, so dass die Resultate für den flotten Ritt über kurvige Landstraßen übertragbar sind.