Die Triumph Street Triple R
Der nackte Wahnsinn

Was macht ein Motorrad zum Volltreffer? Ein stimmiges Gesamtkonzept. Und was macht ein Motorrad später zum Erfolgsmodell? Penibler Feinschliff. Triumph hat an allen Ecken der Street Triple gefeilt, um einen Hochkaräter nochmals zu verfeinern.

Der nackte Wahnsinn
Foto: Hersteller

Simon Warburton öffnet den Sitzbankverschluss auf der Suche nach den fehlenden Gepäckhaken. „Hier sollten sie sein! Na, wo sind sie denn? Sie standen im Lastenheft, ganz sicher!“ Der oberste Triumph-Produktplaner ist ehrlich erstaunt ob des kleinen Fauxpas. Aber auch Profi genug, um blitzschnell umzuschwenken. „Schau mal, der Nummernschildhalter! Ruck, zuck sind die drei Schrauben raus. Dann ist die Street Triple reif für die Rennstrecke!“

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Keine Frage, wer diese Option häufig nutzt, wird vermutlich auch mit den verbleibenden zwei Gepäckhaken an den Soziusrasten glücklich. Aber man darf trotzdem sicher sein: Warburton wird sich um die zusätzlichen Haken kümmern. Mit derselben Akribie, mit der sich Triumph um jedes noch so kleine Detail bei der Überarbeitung der Street Triple gekümmert hat.

Tat das not? Konnte man nicht alles lassen, wie es war, angesichts der Überlegenheit, mit der die Street Triple insbesondere in der R-Variante (also mit voll einstellbarem Fahrwerk und Nissin-Radialzangen statt der einfachen Doppelkolben-Stopper) das Feld der Mittelklasse-Roadster nach Belieben dominierte? Natürlich nicht, denn Stillstand ist Rückschritt. Vor allem, wenn man dauerhaft vorne bleiben will. Immerhin rüsten Kawasaki und MV im kommenden Modelljahr auf 800 Kubikzentimeter auf. Also nachziehen? Das wurde angesichts der Qualitäten, die schon dem 675er-Dreizylinder seinen legendären Ruf einbrachten, bei Triumph nicht ernsthaft diskutiert. Vielmehr setzte man dort an, wo mit entsprechendem Feinschliff immer etwas zu holen ist, nämlich beim Fahrwerk, beim Gewicht und beim Design.

Auf der Prioritätenliste ganz oben: Der Schalldämpfer musste runter. Unter den Motor statt unter das Rahmenheck, was erstens flotter aussieht, zweitens der Gewichtsverteilung zugutekommt und drittens auch noch leichter ist. 3,6 Kilogramm macht allein der neue Auspuff aus, dazu kommen noch ein Kilogramm für leichtere Räder und die leichtere hintere Bremsanlage, 0,6 Kilogramm für die neue Schwinge und 0,8 Kilogramm für das ebenfalls komplett neue, leichtere Rahmenheck. Macht in der Summe satte sechs Kilogramm - und geht einher mit einer deutlich vorderradorientierteren Gewichtsverteilung von 52 zu 48 Prozent (vorher 49 zu 51 Prozent), einem etwas steileren Lenkkopfwinkel (66,6 zu 66,1 Grad) und einem geringfügig längeren Nachlauf (95 zu 92,4 Millimeter).

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Die Kurvensuchmaschine: Aus dieser Perspektive ist die neue Auspuffführung gut zu erkennen.

Praktisch alles anders also. Merkt man das? Nicht auf Anhieb, denn in ihren Grundfesten ist die Street Triple Street Triple geblieben, und das ist gut so. Sehr gut sogar, denn es gibt auf dieser Welt nur wenige Motorräder, die ihren Fahrer mit ausgebreiteten Lenkerenden derart freundlich aufnehmen. Es reichen ein paar Meter im südspanischen Kurvenparadies, und da ist sie wieder, die Erkenntnis: Diese Kombination aus herrlich anschiebendem, pfeifendem Triple und einem wieselflinken, stabilen und rückmeldungsfreudigen Fahrwerk ist auf der Landstraße beinahe unschlagbar, und zwar aus guten Gründen.

Der wichtigste findet sich beim Blick auf die Leistungs- und Drehmomentkurven des fast unverändert übernommenen Motors: Ein Drehmomentplateau von 4000/min bis 7500/min, ein zweites, höheres, bis fast 11000/min - mit dieser Charakteristik ist man immer gut bedient, ganz egal, in welchem Gang. Zuverlässig schiebt der Triple an, hängt spontan und jederzeit berechenbar am Gas, macht einfach Laune. Und ist dabei gnadenlos effektiv, weil sich mehr als 106 PS ohnehin kaum umsetzen lassen.

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Altes Cockpit, aber neue Funktionen: Die Street Triple hat jetzt eine Benzinuhr und ein optionales Reifendruck-Kontrollsystem.

Einzige Änderung auf der Antriebsseite: ein längerer erster Gang, der speziell in Spitzkehren eine zusätzliche Option eröffnet.

Womit Grund Nummer zwei ins Spiel kommt: Dieser charakterbildende Motor hängt in einem Fahrwerk, das nochmals zugelegt hat. Allein die Gewichtsersparnis: 183 Kilogramm vollgetankt gibt Triumph an (Vorgängerin 190 Kilogramm) und liegt damit auf Rekordkurs, denn selbst die zierliche MV Agusta Brutale 675 ist zwei Kilogramm schwerer. Nur zum Vergleich: Die japanische Konkurrenz bringt unglaubliche 20 bis 40 Kilogramm mehr auf die Waage.

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Modell 2013: dynamischer, mit neuen Rädern, rotem Rahmenheck (Flyscreen, Sturzbügel, Bugspoiler extra).

Doch das quicklebendige Handling, zu dem die supersportliche und haftfreudige Pirelli Rosso Corsa-Bereifung ihren Teil beiträgt, ist nur die eine Seite des neuen Street Triple-Fahrwerkskapitels. Auf der anderen Seite steht nämlich nach wie vor eine gelassene Neutralität, die Könner begeistert und Einsteigern (gegen Aufpreis auch als 34-, 48- und 98-PS-Variante lieferbar) ein sicheres Gefühl gibt, weil die Abstimmung der Kayaba-Federelemente auch für das Modelljahr 2013 wieder überzeugend gelang. Satt und mit feiner Rückmeldung eilt die Street Triple R durch die atemberaubende Kurvenlandschaft des spanischen Hinterlandes, lässt weder beim Anbremsen der langen Radien noch auf dem Weg auf die nächste Gerade Zweifel aufkommen, was sich gerade zwischen Asphalt und Reifen abspielt. Ob diese Harmonie noch Bestand hat, wenn die Street Triple R auf bundesdeutsche Rübenäcker trifft, muss zunächst noch offenbleiben.

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Hier bremst was, aber regelt nichts: Die famosen Nissin-Stopper müssen auf das ABS zunächst noch verzichten.

Völlig klar hingegen ist, dass auch die bekannte Nissin-Bremsanlage höchsten Ansprüchen genügt. Kräftig und fein dosierbar verbeißen sich die Vierkolben-Radial-Zangen in die 310-Millimeter-Zangen, lassen selbst unter ganz flotten Zeitgenossen keine Klagen aufkommen. Außer der vielleicht, dass die Präsentationsmaschinen noch nicht über das optionale ABS (ab Januar, plus 1,5 Kilogramm Gewicht) verfügen, an dem auch in dieser Klasse kein Weg mehr vorbeiführt. 400 Euro wird es extra kosten, was den Preis der R auf 9490 Euro (Standard-Triple 8490 Euro) hebt und sie inklusive Nebenkosten (370 Euro) an der 10000-Euro-Grenze kratzen lässt. Doch dafür bekommt man auch ein echtes Landstraßen-Juwel. Jetzt mit feinem, neuem Schliff!

Technische Daten

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Der Geist der Zeit: Underseat-Schalldämpfer sind jetzt auch bei Triumph out, die Underfloor-Lösung ist gelungen.

Motor
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 44 mm, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 402 W, Batterie 12 V/7 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 47:16.

Bohrung x Hub 74,0 x 52,3 mm
Hubraum 675 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,7:1

Nennleistung 78,0 kW (106 PS) bei 11850/min
Max. Drehmoment 68 Nm bei 9750/min

Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße+Gewichte
Radstand 1410 mm, Lenkkopfwinkel 66,6 Grad, Nachlauf 95 mm, Federweg v/h 115/135 mm, Sitzhöhe 800 mm, Gewicht fahrfertig (ohne ABS) 183 kg, Tankinhalt 17,4 Liter.

Garantie zwei Jahre
Farben Grau, Schwarz, Weiß
Nebenkosten 9490/9090 Euro (mit/ohne ABS)

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023