Nach der Basis- der S- und der Stripe-Version schlägt nun die Stunde der Ducati Monster 1200 R. Mit 160 PS nimmt die neue Rote den Geist der jungen Power-Elite von Aprilia, BMW und KTM auf.
Nach der Basis- der S- und der Stripe-Version schlägt nun die Stunde der Ducati Monster 1200 R. Mit 160 PS nimmt die neue Rote den Geist der jungen Power-Elite von Aprilia, BMW und KTM auf.
Dunkelgrüner, gepflegter Rasen, eine sanft gewellte Topografie und ein ungestörter Blick auf das Umland. Eigentlich fehlt nur noch Tiger Woods. Doch nach Sandbunkern und Greens würde der Golfstar auf dem Circuito de Ascari nahe Málaga vergeblich suchen, fände stattdessen ein harmonisch in die Landschaft integriertes 5,4 Kilometer langes piekfeines Asphaltband – und ein Motorrad, welches seine Platzreife längst bewiesen hat: die Ducati Monster. Fast 300.000 Modelle brachten die Italiener seit dem Stapellauf der Ur-Monster M 900 im Jahr 1993 unters Volk, schraubten im Lauf dieser Zeit von den luftgekühlten Zweiventilern bis zum aktuellen 1200er-Testastretta-Vierventiler einen Gutteil ihrer Treibsätze auch zwischen die Gitterrohr-Streben der bulligen Nackten.
Und toppen den vorläufigen Familienstammbaum nun mit der „R“-Variante. R wie Racing, radikal, rassig. Und reich. Immerhin 18.390 Euro ruft Bologna für die Ducati Monster 1200 R auf. Stattliche 4700 Euro mehr als für die Basis-Version und immer noch knapp 2000 Euro mehr, als die S-Variante kostet. Aber hallo, wer wird sich denn den Moment der Krönung von bürgerlichen Gedanken verderben lassen? Immerhin ist die 1200er-R die stärkste Monster, die es jemals gab. 160 PS, proklamiert das Datenblatt, soll die noble Rote näher an die bis zu 172 PS starke Power-Naked-Elite von Aprilia, BMW und KTM rücken.
Weshalb sich die Ducati Monster 1200 R trotz etwas Respektabstand in der Boxengasse selbstsicher zurückhaltend geben kann. Zwei Liter mehr Schalldämpfervolumen erzwang die Homologation nach der ab 2016 gültigen Euro-4-Norm. Gefühlt rollt sie zwar einen Tick leiser als ihre Schwesternschar, aber immer noch mit dumpfem, herzhaftem Schlag stolz in Richtung Piste. Drei Millimeter vergrößerte, nun oval geformte Drosselklappen, erhöhte Verdichtung und mit 58 Millimeter Durchmesser genauso fette Krümmer wie die Diavel – das sind die Zutaten für die Hochform des Kurzhubers. Maßnahmen, die zwar der Spitzenleistung, aber nicht dem traditionell etwas holprigen Rundlauf der Ducati-L-Twins im Drehzahlkeller zuträglich sind. Doch keine Bange, die Motorsteuerung legt ihre Hand glättend zwischen Drosselklappe und Antriebskette, verleiht auch der Neuen unterhalb von 3000 Touren den gleichen, etwas unrunden, aber insgesamt kultivierten Auftritt der schwächeren Monster-Modelle. Klasse. Und dennoch abgehakt.
Denn vorläufig wird es das letzte Mal sein, dass das Digitalband des Drehzahlmessers unter die 3000er-Marke fällt. Ein Streckenmarschall öffnet die Piste für die Ducati Monster 1200 R. Bis die Pirelli Diablo Supercorsa SP – die restlichen Monster rollen auf touristischer orientierten Pirelli Diablo Rosso II – auf Temperatur sind, bleibt Zeit zur Akklimatisierung. Die Sitzposition, so gelungen wie auf den 2014 aufgelegten neuen Monster-Modellen. Da freuten sich die Monsteristi über den im Vergleich zu den Vorgängermodellen je vier Zentimeter höheren und weiter nach hinten gerückten Lenker und die gut gepolsterte Sitzbank.
Das macht auch die Ducati Monster 1200 R sympathisch. Besser noch: Endlich lässt die modifizierte Auspuff- und Fußrastenanlage dem Fuß mehr Raum, wird der rechte Stiefelhacken nicht mehr vom Hitzeschild abgespreizt. Lediglich beim ausgeprägten Hanging Off in Rechtskurven touchiert der Stiefelabsatz noch sanft die Alu-Blende. Ach so, Rennstrecke. Gas! Was sich mit den ordentlichen Manieren beim Bummeltempo in der Boxengasse bereits angedeutet hat, setzt der L-Twin im Galopp nahtlos fort. Anreißen von unten? Plötzlicher Leistungsschub? Drehzahlgier? Alles Fehlanzeige. Genauso wie seine schwächeren Schwestern drückt auch der Power-Vau betont gleichmäßig durchs Drehzahlband. Erst das immer wieder nach oben zuckende Vorderrad zeugt vom zusätzlichen Druck aus dem Maschinenraum, lässt den Ducatisten schnell übermütig werden. Ruck, zuck ertappt man sich dabei, den Kraftmax auszuquetschen, erst hochzuschalten, wenn die aufgeregt flackernden roten Warnleuchten bei der Drehzahlgrenze von 10.200/min Alarm schlagen. Selten war es leichter, 160 Pferden Sporen zu geben als mit diesem so herrlich dosierbaren Triebwerk.
Nicht ganz einfach ist es, die Herde wieder einzufangen. Wie Bullterrier verbeißen sich die unverändert aus der Panigale übernommenen M50-Monoblock-Bremszangen in den beiden 330er-Scheiben. So vehement, dass sie selbst im Eiltempo nach einem behutsam dosierenden Händchen verlangen, um die Front beim ersten Anlegen nicht zu heftig nicken zu lassen. In Schräglage reagiert die Ducati Monster 1200 R, wohl auch wegen des breiteren 200er-Hinterradpneus, sensibler auf den unbedachten Finger am Bremshebel, wirkt unruhig und schlägt schnell mal einen Zacken in die Linie.
Doch selbst wenn’s anschließend etwas schneller um den Radius gehen sollte als geplant, besitzt die Ducati Monster 1200 R Reserven. Zwar sind die Öhlins-Federelemente sowohl in Federrate als auch in der Dämpfungsabstimmung mit der S-Monster identisch, bauen aber länger und heben die Fahrhöhe um insgesamt 15 Millimeter an. Zwei Grad (50 statt 48) mehr Schräglagenfreiheit gewinnt die Duc damit. Doch auch hier verschiebt die Rennstrecke die Dimensionen. Bei flüssigem Strich schraddeln trotzdem rechts die Fußraste und links der Schalthebel über den Asphalt. Erfahrungen, die abseits der Rennpiste wohl selten gemacht werden – und damit, trotz aller rennsportlich ausgerichteten Vermarktung, den eigentlichen Lebensraum der Edel-Monster andeuten: die Landstraße. Dort werden die sensibel arbeitenden Öhlins-Komponenten nicht von harten Schräglagenwechseln oder Letzte-Rille-Bremsmanövern zusammengestaucht, sondern bügeln – wie bei der S-Ausgabe – Holperpisten feinfühlig glatt. Im Eckenwetz der Provinzsträßchen freut auch die neu integrierte Ganganzeige im farbigen TFT-Dashboard. Selbst wenn das Display nach wie vor im Sonnenlicht verblasst und eine Tankanzeige noch immer fehlt.
Schwamm drüber. Denn während auf der Rennstrecke der Sport-Modus willkommen ist und sich ABS sowie Traktionskontrolle selbst auf der Zeitenjagd kaum einmischen, wird beim Landstraßenwedeln die sanfter ans E-Gas gehende Touring-Abstimmung der Ducati Monster 1200 R gefallen. Dann wird das ABS – wie bei den kleineren Schwestern – jeden Stoppie-Ansatz unterdrücken und der Schlupfregler beim allzu beherzten Zug am E-Gas gekonnt nachjustieren. Weshalb es den auf 100 PS begrenzten Urban-Modus auch im Alltag nie brauchen wird.
Apropos Alltag. Die durch die längeren Federelemente auf 83 Zentimeter gestiegene Sitzhöhe lässt sich, anders als bei dem höhenverstellbaren Sitz der S-Version, nun nur noch mit einer 20 Millimeter niedrigeren Zubehörsitzbank nachjustieren. Gefällig geriet das schlankere Heck mit dem nun wieder oben angebrachten Kennzeichenhalter. Gemeinsam mit den 1,5 Kilogramm leichteren Schmiederädern in Panigale-Optik ist es auch für die kleine Fastenkur der Ducati Monster 1200 R verantwortlich. Zwei Kilo soll die R abgespeckt haben, müsste nach dem von MOTORRAD mit 213 Kilo gewogenen S-Modell also deren 211 (Werksangabe 207 kg) wiegen. Kleinigkeiten, die auf der Rennstrecke auffallen mögen, auf der Landstraße dennoch von eher untergeordneter Bedeutung bleiben – und das R-Modell aus diesem Grund als Luxus-Monster positionieren. Zehn Prozent aller Monster-Fans, so schätzt Ducati, werden sich künftig die Stärkste gönnen.
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