Ducatisti – klar, das sind die ganz verschärften Ducati-Freaks, deren Herzschlag längst den unrhythmischen Puls des V2 übernommen hat und die die Welt durch eine feuerrote Brille sehen. Und dann gibt es da noch die Monsteristi, so zumindest nennt Ducati die Fans des V2-Naked-Bikes. So richtig geschmeidig kommt das nicht über die Lippen. Aber egal ob Monsteristi oder Monster-Fans: Sie alle sind schwer infiziert. Sportlich orientierte Fahrer, die auf puristische Technik in hübscher, knackiger Verpackung stehen. Mindestens 275.000 davon gibt es – jedenfalls konnte Ducati in 20 Jahren so viele Maschinen der Monster-Baureihe absetzen, verteilt auf eine ganze Reihe von Varianten mit verschiedensten Hubräumen, angetrieben natürlich immer von V2-Motoren.
Für diese Klientel bringt Ducati nun neues Gerät: rot, bullig und pur wie eh und je. Keine leichte Aufgabe für die derzeitigen Ducati-Designer, solch eine Ikone zu aktualisieren. Mit dem muskulösen Stiernackentank ist auch die neue Ducati Monster 1200 S als solche sofort identifizierbar, technisch zeichnen jedoch einschneidende Veränderungen das neue Modell aus.
Muskulös mit einem Schuss Diavel und Panigale
Durch die neue Chassis-Konstruktion mit reduziertem Gitterrahmen und das kurze Stummelheck greift die Ducati Monster 1200 S aktuelle Stilelemente von Diavel und Panigale auf. Und die Nachfolgerin der luftgekühlten Monster 1100 ist nun wassergekühlt, wie es früher nur die S4R-Sondermodelle waren. Das Testastretta-V2-Triebwerk der 1200er stammt von der 2013 mittels Doppelzündung aktualisierten Multistrada.
Die Basis bildet die gezähmte, auf Drehmoment ausgelegte Version mit elf statt 41 Grad Ventilüberschneidung. Die Einspritzdüsen zielen nun direkt auf die Einlassventile, und ein Sekundärluftsystem glättet das Ansprechverhalten bei reduziertem Schadstoffausstoß. Bei der Ducati Monster 1200 sollen zudem eine höhere Verdichtung und kleinere, nun runde statt wie bisher ovale Drosselklappen mehr Drehmoment ergeben. Desweiteren bekamen die Köpfe verstärkte Anschraubpunkte, damit der kurze Vorderrahmen und das Federbein direkt an den Motor geschraubt werden konnten. Vorteil dieser Bauweise: Der Rahmen ist ein gutes Kilogramm leichter als das Gittergestell der Monster 1100, die Torsionssteifigkeit des Rahmen-Motor-Verbundes hingegen etwa doppelt so hoch. Und der nun voll tragende Desmo-V2 rückt noch mehr ins Zentrum des Geschehens, auch optisch.
Tankinhalt von 13,5 auf 17,5 Liter erhöht
Große Veränderungen gab es auch bei der Ergonomie. In der Tat fühlt sich die neue Ducati Monster 1200 S erheblich bequemer an. Je vier Zentimeter höher und weiter nach hinten rückten die Lenkerenden. Endlich sitzen auch größere Nordeuropäer relaxed, die Griffgummis liegen gut in der Hand. Die Fußrasten sind gar nicht so weit hinten positioniert, wie man das von einer Ducati erwarten würde, verkrampft sitzt man selbst mit langen Gräten keineswegs. Fast schon Ducati-typisch stoßen die Fersen immer noch an den Auslegern der Soziusrasten beziehungsweise rechts am Auspuff-Schutzblech an.
Wirklich bequem ist das nun vorn breitere und üppiger gepolsterte Sitzkissen. Die Sitzhöhe der Ducati Monster 1200 S kann zweifach verstellt werden. Mittels zweier dünnerer Zubehörsitzbänke oder einer dickeren sind Sitzhöhen von extrem niedrigen 745 bis rauf zu 830 Millimetern erreichbar. Die Abdeckkappe des Soziussitzes spendiert Ducati serienmäßig. Damit der Monster-Fahrer den verbesserten Sitzkomfort ausgiebig genießen kann, wurde der Tankinhalt von 13,5 auf 17,5 Liter erhöht. Trotzdem bleibt die Taille im Kniebereich schön schlank.
Weniger Explosivität, mehr Benutzerfreundlichkeit
Mit nominell 145 PS hält die Ducati Monster 1200 S leistungsmäßig einen respektablen Abstand zu den neuesten Streetfighter-Kreationen von BMW und KTM. 10 PS weniger leistet das Basismodell, was allein durch unterschiedliche Mappings zustande kommt. Besonders clevere Monsteristi könnten auf die Idee kommen, auf die deutlich günstigere Basismaschine das S-Mapping aufzuspielen. Dem schiebt Ducati mit einer trickreichen Software jedoch einen Riegel vor.
Ducati Monster 1200 S mit unerbittlichem Punch
Bewusst haben die Italiener den Testastretta-Motor, der in der Spitze erwiesenermaßen mehr Potenzial hat, zugunsten besserer Fahrbarkeit gedrosselt. „Performance redefined“ hieß die interne Vorgabe von Firmenboss Claudio Domenicali an die Entwicklungsabteilung, Ducatis sollen nun weniger auf Explosivität, auf Spektakel getrimmt werden, sondern benutzerfreundlicher werden. Neue Töne aus Bologna, die Richtung stimmt. Wohl auch ein Grund dafür, dass die 155 PS starke Streetfighter S aus dem Ducati-Programm 2014 flog, sie war wegen ihres garstigen Charakters berüchtigt.
Aber keine Sorge, es steht immer noch mehr als ausreichend Power zur Verfügung. Der gleichmäßige Druck im unteren und mittleren Drehzahlbereich wiegt den abgeflachten Zenit locker wieder auf. Mächtig und mit sanftem, doch unerbittlichem Punch schiebt die Ducati Monster 1200 S an, lässt das Vorderrad im zweiten Gang eine Handbreit über dem Asphalt schweben – sofern der Fahrer die Assistenzsysteme entsprechend justiert.
Drei Fahrmodi verändern den Charakter der Maschine

Einzustellen gibt es hier einiges. Bis man durchschaut hat, was die Bordelektronik an Möglichkeiten bietet, braucht man ein bisschen. Zumindest die wichtigen Programme, die drei Fahrmodi, sind einfach während der Fahrt umzuschalten. Damit lässt sich – wie von Panigale, Diavel und Multistrada gewohnt – blitzschnell der Charakter der Maschine verändern. Im Sportmodus ist das Ansprechverhalten der Ducati Monster 1200 S ganz direkt, fast schon ein wenig aggressiv. Die Traktionskontrolle regelt recht spät, und das ABS lässt ziemlich spektakuläre Stoppies zu. Der Touring-Modus gestaltet alles moderater und sanfter. Stoppies werden wirksam unterdrückt, die Leistung bleibt hier weiter unkastriert. Erst im Urban-Modus wird auf 100 PS reduziert, Traktionskontrolle und ABS regeln dann sehr defensiv.
Der gerade aktive Modus ist schnell am Display-Layout zu identifizieren, das analog zu den drei Modi umschaltet. Das farbige TFT-Display lässt die üblichen Monochrom-Displays alt aussehen, es ist eher mit der Anzeige moderner Smartphones vergleichbar. Leider ist es nicht unter allen Lichtverhältnissen gut ablesbar, zumal sich der Himmel darin widerspiegelt. Infos werden in großer Fülle geboten, trotzdem vermisst man zwei substanzielle Dinge: Es gibt überraschenderweise keine Ganganzeige, und über den Tankinhalt gibt der Bordcomputer nur insofern Auskunft, dass beim Aufleuchten der Reserveleuchte eine Kilometeranzeige startet. Innerhalb der drei Grundlayouts sind weitere Infoebenen vom Lenker aus abrufbar. Wie bei Multistrada, Diavel und Panigale könnenauch bei der Ducati Monster 1200 S die Fahrmodi individuell komponiert werden. Diese Einstellungen werden gespeichert und beim nächsten Einschalten abgerufen.
Berechenbare Neutralität und unerschütterliche Stabilität
Spielkram? So könnte der Digital-Allergiker vielleicht kritisieren. Doch die Möglichkeiten moderner Elektronik haben nicht nur Unterhaltungs-, sondern auch Nutzwert – die Assistenzsysteme sind ohnehin willkommene Helferlein. Die wahre Begeisterung ruft aber nach wie vor die gute alte Mechanik hervor, genauer gesagt der pulsierende 90-Grad-V2 mit seinem unvergleichlich geschmeidigen Schub und dem einzigartigen Charakter. Die vollgetankt unter 200 Kilogramm leichte Ducati Monster 1200 S schnalzt es dermaßen heftig aus den Kurven, dass wohl kaum jemand auch nur ein Pferdchen in der Spitze vermissen wird. Im gesamten Drehzahlband ist kein Loch, nicht die geringste Delle zu erkennen, der Schub kommt ganz gleichmäßig und mit beeindruckender Macht. In Sachen Durchzug muss sich die Monster vor den nominell überlegenen Super Duke R oder S 1000 R gewiss nicht verstecken. Begleitet wird dieses fahrdynamische Spektakel von einem nicht zu lauten, voluminösen Grollen aus den beiden Dämpferpatronen.
Entscheidend für den Spaß auf kurvigen Straßen ist aber nicht allein ein kraftvoller Antrieb, sondern das Gesamtpaket. Hier gab es bei früheren Monster-Versionen häufig Kritik. Bei der Ducati Monster 1200 S ist das anders. Man sitzt nun nicht nur gut, man fährt auch gut. Das neue Modell ist nicht so zugespitzt auf Handlichkeit getrimmt, es fährt sich auch nicht wie ein umgebautes Superbike. Vielmehr zeichnet es sich durch berechenbare Neutralität und unerschütterliche Stabilität aus. Präzise folgt die Monster den Wünschen des Piloten, lässt sich auch auf holprigem Geläuf nicht aus dem Konzept bringen. Erreicht wurde dies einerseits durch den sechs Zentimeter längeren Radstand, andererseits durch die leicht hecklastige Gewichtsverteilung. Auf dem Hinterrad lasten statisch mit Fahrer 2,5 Prozent mehr als auf dem Vorderrad. Ein Grund: Die Batterie steckt nun hinten und tief unten zwischen den Schwingenholmen.
Besser ausbalanciert als jede Monster vor ihr
Und sicherlich trägt die sehr fein und transparent ansprechende Öhlins-Federung einen nennenswerten Anteil zu dem berechenbaren, neutralen Fahrverhalten bei. Die Monster ist keineswegs bockhart abgestimmt, wie das bei Vorgängermodellen mitunter der Fall war. Die Ducati Monster 1200 S bietet überraschend viel Komfort, und sie wirkt besser ausbalanciert als jede Monster vor ihr. Brembo-Bremsen vom Allerfeinsten runden das Paket ab, die S-Version protzt mit Highend-M50-Zangen, wie sie in der Panigale verbaut sind. Offensichtlich war deren Biss den Entwicklern zu viel, denn Sinterbeläge mit geänderter Mixtur lassen die Edelstopper in der S-Monster fast schon ein wenig stumpf erscheinen. Was aber nichts daran ändert, dass die maximale Verzögerung wegen des Radstands und der Schwerpunktlage gewaltig ist.
Mit geschärfter Klinge geht Ducati also in den in diesem Jahr besonders heißen Kampf um die Krone im Segment der Big Nakeds. Und da wird sie mit explosivem Antrieb und zivilisierten Umgangsformen ein gewichtiges Wörtchen mitreden können. Und für Monsteristi, die kein Rot mögen: Es gibt die Ducati Monster 1200 S auch in schlichtem Weiß. Wild bleibt sie in jedem Fall.
Technische Daten

Ducati Monster 1200 S
Motor: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, zwei obenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 53 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 520 W, Batterie 12 V/10 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 2,733.
Bohrung x Hub: 106,0 x 67,9 mm
Hubraum: 1024 cm³
Verdichtungsverhältnis: 12,5:1
Nennleistung: 106,6 kW (145 PS) bei 8750/min
Max. Drehmoment: 125 Nm bei 7250/min
Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 330 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Zweikolben-Festsattel, Traktionskontrolle, ABS.
Alu-Schmiederäder: 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen: 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Maße+Gewicht: Radstand 1511 mm, Lenkkopfwinkel 65,7 Grad, Nachlauf 93 mm, Federweg v/h 130/152 mm, Sitzhöhe 785–810 mm, Gewicht vollgetankt 209 kg*, Tankinhalt/Reserve 17,5/3,5 Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Rot, Weiß
Preis: 15.990 Euro
Nebenkosten: 305 Euro
Unterschiede Monster 1200 zur S-Version
- 10 PS weniger Leistung, 6,5 Nm weniger Drehmoment durch geändertes Mapping.
- Voll einstellbare Upside-down-Gabel von Kayaba statt Öhlins.
- Direkt angelenktes Federbein von Sachs ohne Druckstufenverstellung statt voll einstellbarem Öhlins-Dämpfer.
- Vorderer Kotflügel aus gespritztem Kunststoff statt Karbon.
- Einfachere Brembo-Bremsanlage, vorn mit Monoblockzangen M4-32 statt der leichteren M50, zudem 320er- statt 330er-Scheiben.
- Gussräder statt Schmiederäder mit Y-Design.
- Schalldämpfer silber statt schwarz lackiert.
- Preis 13.490 statt 15.990 Euro.
Ur-Monster M 900

So fing alles an: 1992 präsentierte Ducati auf der IFMA in Köln die Monster 900 mit dem Zweiventil-V2 aus der 900 SS und Gitterrohrrahmen vom Superbike 851. Techniker-Legende Massimo Bordi war der Vater der Monster, das Design stammt vom Argentinier Miguel Angel Galluzzi. Der luftgekühlte Desmodue brachte es damals auf eine Spitzenleistung von 78 PS.